Musikgeschichten #8

t.A.T.u.
All the Things she said
2002

Ich glaube, wenn man eines mit Fug und Recht behaupten kann, dann, dass t.A.T.u. Opfer einer ziemlich miesen Werbestrategie geworden sind. Was ihnen anfangs ein gewaltiges Maß an Aufmerksamkeit einbrachte, brach ihnen am Ende doch das Genick, und fragt man heute, ob sich noch jemand an t.A.T.u. erinnern kann, so kommt mit Sicherheit die Antwort: “Waren das nicht die falschen Lesben?” Ein trauriges Kapitel.

Doch fangen wir von vorne an. Schaut man sich die Liste der Songs an, die im Jahre 2002 die Charts bevölkerten, könnte man dem Irrtum erliegen, der Grund für den immensen Erfolg von “All the Things she said” läge allein in der Qualität des Songs. Natürlich wissen wir alle, dass es eher die Tatsache war, dass im Video zwei Mädchen in knappen Schuluniformen durch den Regen rannten und sich leidenschaftlich küssten. Das Entsetzen war groß, ob nun darüber, dass mit irritierender Selbstverständlichkeit lesbische Liebe propagiert wurde, oder darüber, dass es heimlich eigentlich alle total geil fanden, ließ sich indes nie ganz ermitteln. Dass die Band den Hype nutzte und immer neue Skandale inszenierte, ist irgendwo verständlich, die Heuchelei seitens des Medien wurde allerdings erst offensichtlich, als der Schwindel rauskam und t.A.T.u. von heute auf morgen aus den Charts verschwanden, ohne je etwas an ihrer Musik verändert zu haben.

Ich persönlich war da wohl etwas naiv. Mein Vater hörte den Song vor mir und meinte, er gefiele ihm so gut, dass er überlege, das Album zu kaufen. Also hörte ich mal rein und konnte nur zustimmen. Das Video fand ich süß, aber eigentlich harmlos, und nie im Leben hätte ich gedacht, dass die Medien gerade darauf dermaßen anspringen. Die Enthüllung, dass die zwei Mädels niemals Lesben waren und alles nur gespielt war, kam dann zwar überraschend, aber ich bin da wohl eigen, mir ging es um die Musik. Auch, als also niemand mehr Interesse an der Band hatte, hörte ich sie weiter. Denn ja, auch wenn sich das großteils abseits des Mainstreams abspielte, t.A.T.u. haben weiter Musik gemacht und nach ihrem Debüt zwei weitere Alben herausgebracht. Die endgültige Trennung kam erst vergangenes Jahr.

Ein bisschen schade finde ich das Ganze, denn es zeigt, dass das Image heutzutage um Längen wichtiger ist als das tatsächliche Können. Julija Wolkowa hat eine bessere Stimme, als man von vielen berühmten Popsternchen behaupten kann, und sowohl sie als auch Jelena Katina haben eine echte musikalische Ausbildung genossen. Mein Vater sagt immer, es sei ein Segen gewesen, dass sich Musik in den 60ern und 70ern vor allem im Radio abgespielt hätte, denn die Bands damals hätten zum Teil zum Fürchten ausgesehen. Aber sie machten tolle Musik, und das war es letztlich, was zählte. Gute alte Zeiten.

Übrigens, am liebsten höre ich t.A.T.u. im russischen Original. Obwohl die englischen Versionen wirklich gut sind, hat es einfach einen ganz anderen Reiz, die zwei in ihrer Muttersprache singen zu hören.