Musikgeschichten #9

Peter Gabriel & Kate Bush
Don’t give up
1986

Heute habe ich mir wirklich was vorgenommen. Denn meine tiefe und unzerstörbare Liebe für Peter Gabriel zu erklären, wird euch mit den weniger logischen Zügen meiner Persönlichkeit konfrontieren, die normalerweise engen Freunden vorbehalten sind. Außerdem ist er der eine Musiker, von dessen Stimme ich wirklich und wahrhaftig weiche Knie bekomme, so dass es mir manchmal etwas schwer fällt, kritisch zu bleiben. Dass ich auch gut ein halbes Dutzend mal von ihm geträumt habe, ist allerdings reiner Zufall (zumal es reichlich verrückte Träume waren und nichts Versautes).

Tatsächlich muss ich für Peter Gabriel weiter ausholen als gewöhnlich, denn diese Geschichte beginnt bereits in meiner Kindheit. Ihr kennt gewiss sein überschwänglich kreatives Video zu “Sledgehammer”. Das mit der Knete? Unter den vielen Dingen, die darin durch die Gegend springen und tanzen, waren auch einige kopflose Hühner. Tanzende kopflose Hühner! Alles, was ich später mit Peter Gabriel in Verbindung bringen konnte, waren die gruseligen tanzenden Hühner. Ohne Köpfe. Also hab ich ihn voller Inbrunst gehasst, das war die einzig logische Konsequenz, denn mein Vater war und ist ein ausgesprochener Fan von Gabriel.

Sehr viel später dann, als ich bereits einige Schritte in Richtung eines eigenen Musikgeschmacks unternommen hatte, begegnete er mir wieder. An der Seite von Kate Bush, die ich damals vergötterte, und die für mich in keinerlei Verdacht stand, Videos mit kopflosen Hühnern zu produzieren. “Don’t give up” war derart überzeugend, das zeitlose Video ebenso wie der melancholische Song, dass ich beschloss, dem Mann eine zweite Chance zu geben. Das wäre leicht gewesen, da mein Vater ja schon Fan war, doch ich hatte auch meinen Stolz und wollte ihm den Triumph damals noch nicht gönnen, dass unser beider Geschmack sich immer ähnlicher wird.

Der Rest der Geschichte ist eigentlich nicht mehr sehr interessant. Ich kaufte mir im Second-hand-Plattenladen meines Vertrauens ein Best-of, hörte mich anschließend durch die Sammlung meines Vaters und kaufte mir am Ende das gerade erscheinende Album “UP”. Was freilich die wahre Ironie ist, denn ich hatte seine Karriere gleichsam im Zeitraffer erlebt und verstehe erst heute, zehn Jahre und null neue Alben später, was es eigentlich heißt, Fan von Peter Gabriel zu sein. Es lehrt einen zumindest Geduld.

Wenn man mich fragt, welchen Musiker ich am meisten bewundere, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich Peter Gabriel an erster Stelle nenne. Und dann sogleich seufze: Hngh, diese Stimme! Was mir damals aufgrund der kopflosen Hühner (der tanzenden) unerklärlicherweise entging, ist heute dafür verantwortlich, dass ich bei etlichen seiner Songs jedesmal eine Gänsehaut kriege. Ich kann es nicht erklären, und das ist vielleicht sogar die beste aller Beschreibungen für “Lieblingssänger”. Auch deshalb kann ich heute über die Sache mit den tanzenden Hühnern ohne Kopf lachen. Zumal er ironischerweise schon in “The Family and the Fishing Net” 1982 sang: “Headless chickens dance in circles, they the blessed.” Man hätte es ahnen können …

Übrigens, das Ende der Geschichte ist das nicht, doch wie ich durch Peter Gabriel schließlich auch Genesis kennenlernte (jenes Genesis vor der Kommerzialisierung durch Phil Collins, das kaum jemand kennt), ja, das erzähle ich euch dann ein andermal.