Musikgeschichten #11

Roxy Music
Avalon
1982

Kennt ihr das, wenn euch ein Song dafür, dass ihr ihn mutmaßlich noch nie gehört habt, verdammt bekannt vorkommt? Wie ich erst kürzlich von einer Freundin erfuhr, ist das wohl doch kein so übliches Gefühl, wie ich immer dachte.

Doch eigentlich beginnt die Geschichte von Roxy Music ganz woanders. Theoretisch hätte ich nämlich sogar erheblich früher auf sie stoßen können, denn durch den Soundtrack zum David-Lynch-Film “Dune” machte ich immerhin schon die Bekanntschaft von Meisterkomponist Brian Eno. Doch erst ein paar Jahre später (wohl mit Anfang zwanzig) sah ich im Fernsehen das Musikvideo von “Avalon” und war sofort hingerissen. Es ist schwer, genau zu rekonstruieren, was mich daran so faszinierte. Ich habe eine ausgeprägte Schwäche für den Sound der 80er, der bei Roxy Music mit dem Glamrock der 70er verschmilzt, ein Genre, das ich vorher gar nicht kannte. Außerdem mag ich Stimmen, die man sofort wiedererkennt (und generell lieber Männer- als Frauenstimmen), und gewiss, ich möchte nicht den dandyhaften Charme von Bryan Ferry unterschlagen.

Zumindest ist Roxy Music eines der ganz wenigen Beispiele dafür, dass ich mir ein Album aufgrund eines einzigen Songs gekauft habe. Gemäß des bekannten Naturgesetzes, dass ich Bands immer erst dann entdecke, wenn sie sich bereits aufgelöst haben, stellte sich dann heraus, dass das Album “Avalon” ihr letztes gewesen war – 1982, ein Jahr nach meiner Geburt, veröffentlicht. Eine traurige Erkenntnis, stellt es doch den Höhepunkt ihres Schaffens dar, mit Perlen wie “Take a Chance with me”, “While my Heart is still beating” oder eben “Avalon”. Was mich durchauch auch beeindruckte, je mehr ich mich mit der Band beschäftigte, war ihr Interesse am Gesamtkunstwerk. Roxy Music war niemals nur eine Band, sie machten sich Gedanken über ihr Image, über die Cover der Alben, über ihre Videos – damals noch absolutes Neuland. Unter dem Aspekt wirkt das Video von “Avalon” zwar immer noch leicht überstylt, aber es erklärt zumindest vieles.

Und doch ist es ein anderes Album, das bei mir das eingangs erwähnte Déjà-vu verursachte. Denn da mir “Avalon” so gut gefiel, kaufte ich mir bald darauf das Vorgängeralbum “Flesh + Blood”. Bis heute gibt es freilich keinen handfesten Beweis dafür, doch ich bin der Überzeugung, dass mein Vater irgendwann während meiner Kindheit auch mal Roxy Music mochte. Und deshalb befällt mich bis heute eine unglaubliche Nostalgie, sobald die ersten Takte von “Oh yeah” erklingen. Ohne “Avalon” wäre ich aber vielleicht nie drauf gekommen.

Übrigens, angeblich wurden schon bis 2008 genug Songs für ein neues Album aufgenommen, doch die Gerüchte darum bleiben bis heute wage und sehr spekulativ. Interessant ist aber vielleicht, dass Bryan Ferrys letztes Soloalbum “Olympia” frappierend nach Roxy Music klingt.