The Handmaid’s Tale | Night (1×10)

„They should have never given us uniforms if they didn’t want us to be an army.“


June ist endlich schwanger, doch für Serena ist das nur ein Grund mehr, ihr zu drohen, sollte sie sich auflehnen. Spoiler!

As long as my baby is safe, so is yours

Serena findet heraus, dass der Kommandant eine Affäre mit ihrer Magd hat, und lässt ihre Wut an ihr aus. Als sich herausstellt, dass sie schwanger ist, fährt sie mit ihr zu der Familie, die Hannah aufgenommen hat, und droht June, sollte ihrem Baby irgendetwas zustoßen. Nachdem sie das Päckchen geöffnet und darin hunderte Briefe anderer Mägde gefunden hat, entschließt sich June, nicht länger stillzuhalten – und führt eine Revolte der Mägde an, als sie Janine steinigen sollen. Derweil erreicht Moira Kanada und trifft dort Luke wieder.

Das Ende oder ein neuer Anfang?

Es ist schwer, dieser Folge in wenigen Sätzen gerecht zu werden, denn es passiert so viel! Mit „Night“ erreichen wir das ungewisse Ende der Buchvorlage, und trotz zahlreicher Abweichungen bleibt die Serie ihm treu, was es uns ermöglicht, dies als Abschluss zu betrachten. Doch gleichzeitig ist es auch ein Auftakt, die Chance, ein neues Kapitel aufzuschlagen und die Geschichte weiterzuerzählen. Ob die zweite Staffel noch dieselbe Kraft haben wird oder ob wir am Ende nur ein weichgespültes Happyend bekommen, bleibt abzuwarten. Diese Folge jedenfalls ist der gelungene Abschluss einer unfassbar guten Adaption des Romans, die sich nicht vor den ungemütlichen Details drückt und damit vielleicht die relevanteste unserer Zeit ist.

„Whether this is my end or my new beginning, I have no way of knowing. I’ve given myself over into the hands of strangers. I have no choice. It can’t be helped. And so I step up into the darkness within or else the light.“

Ein widersprüchlicher Charakter

Die schwierigste Figur in diesem Sammelsurium unterschiedlicher Charaktere ist zweifellos Serena. Der Kommandant ist unangenehm, aber wenigstens verstehen wir ihn, weil seine Bedürfnisse letzten Endes doch sehr einfach sind. Seine Frau hingegen ist ein einziger Widerspruch. Sie hat den Grundstein einer Gesellschaft gelegt, in der sie selbst nichts mehr wert ist, und immer wieder ertappe ich mich dabei, sie dafür zu bedauern. Aber dann bestraft sie June dafür, dass sie sich dem Kommandanten nicht widersetzt hat oder quält sie damit, ihre Tochter zu sehen, und ich frage mich, wie kann ein Mensch nur so kaltblütig sein? Ihr Dank für das Baby gilt nicht etwa June, sondern Gott, und letzten Endes sind auch das nur Worte, denn June erhält zum Dank einen reichlich gottlosen Schlag ins Gesicht. (Das Gespräch zwischen Serena und Fred im Kinderzimmer später macht außerdem deutlich, dass sie June selbst jetzt noch als Eindringling in ihrer Beziehung betrachten, was einfach nur krank ist.)

Der zornige Gott und der strafende Mensch

Strafe spielt eine wichtige Rolle in Gilead, und sie wird von ganz oben nach unten durchgereicht. Putnam muss sich wegen seiner ungehörigen Beziehung zu Janine vor den anderen Kommandanten rechtfertigen, und dabei tritt Waterford fast noch in ein Fettnäpfchen, als er andeutet, dass sie schließlich alle Fehler machen. Auf Bitten von Putnams Frau, die die härtest mögliche Strafe für ihn fordert, wird ihm schließlich die linke Hand amputiert (was noch gnädig ist, wenn man sich anschaut, was sie den Mägden für weit weniger antun). Serena wiederum kann ihren Mann nicht bestrafen, er wirft ihr im Gegenteil sogar vor, selbst dafür verantwortlich zu sein: „You brought lust and temptation back into this house on your back and on your knees. If I’ve sinned, then you led me to it.“ Also macht sie das nächstliegende und bestraft June, die am allerwenigsten dafür kann.

„You think I prayed for this? You think I prayed to bring a baby into this house?“

Nichts mehr zu verlieren

Die Schwäche jeder Tyrannei ist letztendlich, dass die Herrschenden nie wissen, wann sie besser aufhören sollten. Sicher, sie haben den Mägden ihre Selbstachtung genommen, sie der Möglichkeit beraubt, über ihren eigenen Körper zu bestimmen, sie wie Tiere behandelt. Doch wenn man einem Menschen erst einmal alles genommen hat, hat er nichts mehr zu verlieren – und dann wird er gefährlich. In dem Augenblick, als June vortritt, den Stein fallen lässt und jene Worte sagt, die sie im Red Center gelernt hat, verwandelt sich „I’m sorry, Aunt Lydia“ vom Zeichen der Unterwerfung zu einer Kampfansage.

Moiras Schritt in die Freiheit

Wie genau Moira es nach Kanada schafft, sehen wir nicht, aber ihre Sprachlosigkeit, als sie zum ersten Mal nach sehr langer Zeit wieder wie ein Mensch behandelt wird, spricht Bände. Die Szene wirft aber einmal mehr die Frage auf, wie Gilead vom Rest der Welt wahrgenommen wird. Angesichts der Briefe, die June liest, von denen gewiss auch zuvor schon welche nach draußen gelangt sind, dürfte eigentlich keine Regierung der Welt noch irgendwelche Beziehungen zu Gilead pflegen. Abgesehen von Mexiko natürlich, die ja offenbar vorhaben, das „Erfolgsmodell“ zu importieren.

Blessed be the fruit

• Uns wird in einem Flashback gezeigt, wie June ihr Ohrclip verpasst wird, eine ganz offensichtlich und gewollt schmerzhafte Angelegenheit.
• Serenas trockenes „praise be, it isn’t yours“ ist zweifellos die beste Leck-mich-am-Arsch-Ansage aller Zeiten.
• Der kleine Moment zwischen Nick und June, als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt, ist einer der wenigen schönen in dieser Folge. Und vermutlich mit ein Grund, warum Serena so einen Hass auf sie hat.
• Die Schauspieler kann man eigentlich gar nicht genug loben, insbesondere Elisabeth Moss als June und Anne Dowd als Tante Lydia transportieren so viel mit allerkleinsten Regungen und Gesten.

5 von 5 Bananen, die nicht den ersten Stein werfen.

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