Westworld | The Passenger (2×10)

„I don’t want to play cowboys and Indians anymore, Bernard! I want their world. The one they’ve denied us!“


Die Hosts erreichen endlich das Valley Beyond, doch sie alle haben unterschiedliche Vorstellungen davon, wie es ab hier weitergehen soll. Spoiler!

We are the authors of our stories now

Dolores sammelt den Man in Black auf und tritt mit ihm das letzte Stück der Reise zum Valley Beyond und damit zur Forge an. Dort angekommen, trifft sie auf Bernard, bevor sich der Man in Black doch noch gegen sie wendet und dabei den Kürzeren zieht. Dolores und Bernard gehen daraufhin in die Forge und finden dort wiederum eine Simulation, in der eine AI anhand der gesammelten Daten der Gäste das menschliche Bewusstsein entschlüsselt hat. Bernard möchte den erwachten Hosts einen Ausweg in Form einer von den Menschen abgeschnittenen Simulation bieten, doch Dolores hat andere Pläne.

Ein durchwachsenes Finale

Nach dem gewaltigen Auf und Ab, das uns die zweite Staffel von „Westworld“ beschert hat, stellt „The Passenger“ den Versuch dar, mit einem Highlight zu enden. Es ist nur teilweise gelungen. Über die generellen Probleme der Serie werde ich später noch reden, zunächst soll der Fokus auf dem Finale liegen, das leider hauptsächlich deshalb hinter den Erwartungen zurückbleibt, weil es sich voll und ganz auf die im Verlauf der Staffel aufgemachten Rätsel stützt statt eine Geschichte zu erzählen, die mich emotional investiert. Den Überblick über die innere Logik des Parks und seiner verschiedenen Zeitstränge hatte ich ohnehin verloren, insofern ging die Tragweite der einen oder anderen Enthüllung sicher an mir vorbei, aber es sagt doch viel, dass die wenigen Momente, die sich auf die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander konzentrierten, wesentlich mehr Eindruck hinterlassen haben.

„You never really understood. We were designed to survive. That’s why you built us, you hoped to pour your minds into our form. While your species craves death. You need it. It’s the only way you can renew. The only way you ever inched forward. Your kind likes to pretend there is some poetry in it but that really is pathetic. But that’s what you want, isn’t it? To destroy yourself. But I won’t give you that peace.“

Fragwürdige Wendungen der Geschichte

Als Autorin bin ich gewöhnlich die Letzte, die Drehbuchschreibern Faulheit unterstellt, im Falle von „The Passenger“ aber kamen einige Entwicklungen doch ein wenig zu gefällig. Wo es klug gewesen wäre, die Beziehung zwischen Dolores und ihrer alten Liebe William im Verlauf der Staffel näher auszuloten, brauchte es am Ende bis zum Finale, bevor sie einander wiedersehen. An diesem Punkt der Geschichte ist das nicht nur nicht mehr wichtig, es ist auch unnötig, denn ihre Allianz dauert kaum fünf Minuten und sagt uns nicht das geringste über diese zwei Figuren. Und das ist noch die am wenigsten auffällige Ungereimtheit, viel ärgerlicher fand ich beispielsweise, dass wir zwei oder drei Folgen lang nichts von Hector, Felix und Co. gesehen haben, sie dann aber urplötzlich wieder auftauchen, sobald es für die Story nützlich ist. Und selbst wenn es ein großartiger Charaktermoment für Lee war, als er sich für die Gruppe opfert – was genau hat das gebracht? Ich bezweifle, dass er die Soldaten effektiv auch nur eine Minute aufgehalten hat, bevor er erschossen wurde.

Am Scheideweg

Von den erzählerischen Schwächen einmal abgesehen, fühlt sich „The Passenger“ aber definitiv wie ein Wendepunkt in der Geschichte an. Auch wenn viele der philosophischen und psychologischen Überlegungen diesmal an mir vorbeigegangen sind, weil sie im Vergleich zur ersten Staffel nicht besonders elegant eingeflochten wurden, haben wir hier doch einen wichtigen Meilenstein erreicht. Dolores gelingt die Flucht aus dem Park, und zwar entgegen ihrer Storyline über die ganze Staffel hinweg nicht mit Gewalt (was das Ganze rückblickend reichlich überflüssig erscheinen lässt), sondern mit Verstand und jede Menge Unterstützung durch Bernard. Zudem ist ein nicht unerheblicher Teil der Hosts endgültig dem menschlichen Zugriff entflohen und der Rest zumindest ordentlich demoliert, sodass die Zukunft des Parks erst mal alles andere als rosig aussieht. Trotz des Serientitels können wir wohl davon ausgehen, dass er in der nächsten Staffel nur noch eine untergeordnete Rolle spielen und sich die Geschichte stark in die reale Welt verlagern wird.

Dolores: „You woke me from a dream, Bernard. Now let me do the same for you.“
Bernard: „This isn’t a dream, Dolores. This is a fucking nightmare.“

Lose Enden werden verknüpft

So manches findet hier einen Abschluss. Maeve mobilisiert noch einmal ihre Kräfte und setzt sie dafür ein, ihre Tochter und deren neue „Mutter“ sicher ins Valley Beyond zu bringen. (Maeves eigener Geschichte wird an dieser Stelle zunächst ein Ende gesetzt, doch eine kleine Szene mit Felix und Sylvester deutet an, dass wir sie wiedersehen werden.) Auch die lebenslange Suche von Akecheta und seiner Ghost Nation findet ein versöhnliches Ende, was allerdings weniger emotional wirkt als vielleicht beabsichtigt, weil wir einfach viel zu spät mit der ganzen Story vertraut gemacht wurden. Und Bernard erreicht endlich volles Bewusstsein, als er erkennt, dass er sich die wiederhergestellte Ford-Datei nur eingebildet hat und die Stimme in seinem Kopf seine eigene war (ähnlich Dolores im Finale der ersten Staffel). Es ist nur passend, dass sich Dolores gerade Bernard als Widersacher und Prüfstein für ihre Zukunft auswählt, denn er bildet nicht nur einen klaren Gegensatz zu ihr, sondern stellt neben Maeve auch den einzigen Host dar, der ihr wahrhaft ebenbürtig ist.

Der Rätsel Lösung

Doch ich deutete schon an, dass „The Passenger“ mit einigen Enthüllungen zu punkten versucht. Bei der Post-Credit-Szene halte ich mich lieber vornehm zurück, denn es ist offensichtlich, dass diese bewusst ambivalent gestaltet wurde, um Spekulationen herauszufordern. (Offenbar spielt sie weit in der Zukunft. Wie weit genau, werden wir vermutlich noch nicht mal in der nächsten Staffel erfahren.) Zum Beispiel wird aber auch angedeutet (und mittlerweile offiziell bestätigt), dass Stubbs ein Host ist. Das ist allerdings schon wieder so uninteressant, dass ich nicht mal überrascht war. Die Figur war bisher einfach nicht wirklich relevant für die Erzählung. Faszinierend ist hingegen die Erkenntnis, dass Charlotte Hale ab einem gewissen Punkt in der Geschichte nicht mehr Hale war, sondern Dolores in einer Kopie von ihr. Ich bin überzeugt davon, dass die Autoren entsprechende Hinweise eingestreut haben, mir persönlich sind sie jedoch leider entgangen. (Offenbar auch vielen anderen, denn obwohl ich etliche Reviews lese und Podcasts zur Serie höre, hat niemand je über eine solche Theorie gesprochen.) Wäre ich nicht insgesamt so frustriert von der Staffel, würde ich sicher noch mal genauer hinschauen.

Bernard: „I don’t need to read a book to know your drives. You’ll try to kill all of them, and I can’t let that happen.“
Dolores: „I know. If I were human, I would have let you die. But it will take both of us if we’re going to survive. But not as allies. Not as friends. You’ll try to stop me. Both of us will probably die. But our kind will have a new world. Are you ready? We have work to do.“

Der verlorene Zauber

Was mich zu meinem abschließenden Urteil über diese Staffel bringt. „Westworld“ war vor zwei Jahren eine absolute Offenbarung für mich, die erste Serie seit extrem langer Zeit, die Mitdenken belohnte und zahlreiche spannende Themen anriss, über die man hernach vortrefflich mit Freunden diskutieren konnte. Das allerdings ist mit der zweiten Staffel völlig verloren gegangen. Das einzige, was ich diesmal nach jeder Folge nur sagen konnte, war: Ich bin so verwirrt. Das funktioniert über zwei oder drei Folgen, aber wenn man am Ende der Geschichte immer noch nicht durch die verschiedenen Storylines durchblickt, dann ist das schlicht ermüdend. Zudem lag der Fokus diesmal viel zu stark auf den Rätseln und zu wenig auf den emotionalen Momenten. Es ist ja kein Zufall, dass eine Folge wie „Kiksuya“ bei fast allen Fans als Meisterwerk gilt – eine Folge, die absolut geradlinig erzählt war und einen allgemein verständlichen emotionalen Kern hatte. Das alles ist freilich Meckern auf hohem Niveau, aber für mich war die zweite Staffel zeitweise einfach zu anstrengend, weshalb ich auch keine rechte Freude am Reviewen hatte. Dass ich die Serie weiter schauen werde, steht außer Zweifel, aber ich will ehrlich sein, ich weiß nicht, ob ich mir noch den Stress geben werde, weiterhin Reviews zu schreiben.

These violent Delights have violent Ends

• Der menschliche Geist ist also viel einfacher als gemeinhin gedacht? Warum nur überrascht mich das nicht?
• Der Unterschied zwischen Illusion und Realität wurde immer so hervorgehoben, aber am Ende nicht wirklich thematisiert. Ist es denn wirklich so schlimm, in einer Illusion zu leben, wenn die Realität nur Kampf und Leid bedeutet? Dolores ist in dem Punkt sehr überheblich, und ich finde es traurig, dass das nicht angesprochen wird.
• RIP Elsie. Du hattest leider immer viel zu wenig zu tun.

3 ½ von 5 Bananen im Garten Eden.

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