The Handmaid’s Tale | Baggage (2×03)

„Raise your daughter to be a feminist, she spends all her time waiting to be rescued by men.“


Nachdem sie ihr Versteck endlich verlassen darf, landet June unerwartet bei den Ökonos. Spoiler!

Blessed be the Froot Loops

Zwei Monate, nachdem sie in der verlassenen Zeitungsredaktion einquartiert wurde, wird June zu einem anderen Versteck gebracht. Von dort aus soll sie von Omar zu einem sicheren Haus gebracht werden, doch als er eine Nachricht erhält, dass es dort nicht mehr sicher ist, will er June einfach zurücklassen. Sie bringt ihn zwar dazu, sie mit zu seiner Familie zu nehmen, setzt ihre Flucht dann aber auf eigene Faust fort, als sie auch nach Stunden nicht von der Kirche zurückkommen.

Mütter und Töchter

„Baggage“ stellt ziemlich schnell klar, dass keineswegs Gepäck im wörtlichen Sinne gemeint ist, denn als June ihr Versteck verlässt, trägt sie nicht mehr als die Kleidung an ihrem Körper bei sich. Vielmehr geht es um den ganzen emotionalen Ballast, den wir mit uns herumtragen. Wir alle sind unserer Eltern Kinder, und June, die ohne Vater aufgewachsen ist, hatte mit der Aktivistin Holly zudem noch eine äußerst starke Persönlichkeit zur Mutter.

Es ist indes ein weit verbreiteter Irrtum, dass Feminismus völlige Unabhängigkeit bedingt. Es geht dabei um Gleichstellung und darum, dass Frauen – genau wie Männer – die freie Wahl haben, welches Leben sie führen möchten. Dass sich June dafür entscheidet, Luke zu heiraten und ganz klassisch eine Familie zu gründen, mag für Holly eine Enttäuschung sein, das zeugt aber eher davon, dass sie June als Trophäe betrachtet, als Rechtfertigung für ihre eigene Existenz.

Natürlich ändert das nichts daran, dass Holly mit ihrer Vorhersage am Ende recht behält. Sie hat früher als June gespürt, dass in der Gesellschaft etwas vor sich geht, und nachdem sie praktisch ihr ganzes Leben darin investiert hat, besagte Gleichstellung zu erreichen, muss es frustrierend sein, zu sehen, wie ausgerechnet die eigene Tochter das als gegeben betrachtet und die Augen davor verschließt, dass Frauen diese hart erkämpften Rechte wieder genommen werden.

„No mother is ever completely a child’s idea of what a mother should be. And I suppose it works the other way as well. But, despite everything, we didn’t do badly by one another. We did as well as most. I wish my mother were here so I could tell her I finally know this. So I could tell her I forgive her. And then ask Hannah to forgive me.“

Effektiver Klassenkampf

Bereits in der ersten Staffel war ein großes Thema die Art und Weise, wie die Frauen mit der neuen – wohlgemerkt von Männern erdachten – Hierarchie umgehen. Denn statt sich über die Klassen hinweg zu solidarisieren, findet auch dort ein ständiger Kampf statt, der sich in dieser Folge im Umgang der Ökonofrau Heather mit June widerspiegelt. Ich gebe zu, ich erinnere mich nur dunkel an das, was Margeret Atwood in ihrem Roman über die Ökonos geschrieben hat, sie kamen meines Wissens nur am Rande darin vor. In „Baggage“ aber wird mehr als deutlich, dass Heather auf June und die Mägde herabsieht, weil sie scheinbar ohne Gegenwehr ihre Kinder hergeben.

Gleichzeitig dient das Schicksal der Mägde als effektive Drohung, um die Ökonofrauen ruhig zu halten. Wir erfahren auch hier nicht viel über ihr Leben, immerhin aber waren diese Menschen klug genug, sich rechtzeitig als gläubige Anhänger der Söhne Jakobs zu inszenieren, um so verhältnismäßig unbehelligt weiterleben zu können. (Obwohl Heather offensichtlich fruchtbar ist und deshalb eine ideale Magd wäre.) Und mehr als eine Inszenierung ist es bei Omar und Heather tatsächlich nicht, denn als sich June unter dem Bett versteckt, findet sie dort einen Koran und einen Gebetsteppich.

Das abrupte Ende der Flucht

Wir erfahren nie, warum Omar, Heather und ihr Sohn nicht von der Kirche zurückkommen, June aber hat gelernt, dass es sie nur in Schwierigkeiten bringt, wenn sie auf ihr Schicksal wartet. Also bricht sich in der Verkleidung einer Ökonofrau auf eigene Faust auf und schafft es sogar bis zum Flugfeld, von wo aus der Schmuggler sie und einen flüchtenden Fahrer nach Kanada bringen soll. Die Rettung ist zum Greifen nah, und obwohl wir wohl alle insgeheim wussten, dass es nicht klappen wird, hat mich das gewaltsame Ende der Flucht doch kalt erwischt. Was geschieht nun mit June? Ist die Kommunikation innerhalb Gileads so gut, dass sie trotz ihrer Verkleidung als Magd identifiziert und ins Zentrum zurückgeschickt wird, wo sie die nächsten Monate zweifellos wie Ofwyatt angekettet in einem dunklen Raum versauern wird? Oder wird man sie einfach nur für eine abtrünnige Ökonofrau halten und in die Kolonien schicken?

„So this is where the econopeople live. It’s where I’d live if I weren’t an adultress. If I’d gone to the right kind of church. If I’d played my cards right. If I’d known I was supposed to be playing cards.“

Ein Leben in der Warteschleife

In Kanada haben Luke, Moira und Erin unterdessen eine etwas seltsame WG gegründet und versuchen noch immer, mit dem Leben nach Gilead klarzukommen. Am ehesten gelingt das wohl noch Luke, während Moira eindeutig mit posttraumatischen Symptomen zu kämpfen hat. Sicher spielen dabei auch Schuldgefühle eine Rolle, das Wissen, June zurückgelassen zu haben, ohne die sie selbst gar nicht die Kraft gefunden hätte, zu fliehen. Es muss frustrierend sein, dass sie so gar nichts unternehmen können.

Blessed be the fruit

• Geschichte wird ja bekanntlich von den Siegern geschrieben, deshalb versucht June, anhand alter Zeitungen den Wandel nachzuvollziehen.
• Selbst wenn Holly in den Kolonien gelandet ist, ist sie längst tot, oder?

4 ½ von 5 feministischen Bananen.

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