The Handmaid’s Tale | Heroic (3×09)

„Ofmatthew is just a vessel now, and the baby is all that matters. I suppose it’s all that ever mattered.“

June wird dazu gezwungen, bei der hirntoten Ofmatthew zu wachen, bis ihr Baby geboren wird. Spoiler!

Please, God, let them die

Obwohl sie längst hirntot ist, wird Ofmatthews Körper weiter am Leben gehalten, um das ungeborene Baby zu retten. Als Strafe für ihr Verhalten ihr gegenüber muss June Tag und Nacht vor ihrem Bett Wache halten, bis das Baby geboren ist. Durch die physische wie auch psychische Belastung verliert sie sich in immer absurderen Beobachtungen, spielt mit dem Gedanken, Ofmatthew zu töten, und greift schließlich mit einem Skalpell Serena an.

Eine introspektive Folge

Obwohl „Heroic“ formal keinen Unterschied zu den letzten zwei Folgen darstellt und den Plot nicht im geringsten Maße voranbringt, mochte ich diese Folge so viel mehr. Sie ist nicht nur kinematografisch ein absolutes Meisterwerk, das neben starken Farbkontrasten einmal mehr Junes Gesicht in den Mittelpunkt rückt, wodurch Elizabeth Moss ihr ganzes Können zeigen kann. Sie stellt gedanklich auch einen wichtigen Wendepunkt dar, nachdem sich June zuletzt im eigenen Selbstmitleid verloren hatte.

„The doctors and nurses and orderlies and technicians come and go. I stay. Thirty-two days so far. I will be here until there’s a baby. ‘This is your walking partner’, Aunt Lydia said. ‘Where else would you be?’“

Eine Form von Isolationshaft

Was macht es mit einem Menschen, wenn er gezwungen wird, Tage und Wochen an ein und demselben Ort zu verbringen? Stundenlang in einer körperlich anstrengenden Position zu verharren? Ohne irgendeine Stimulation des Verstands oder Austausch mit anderen Menschen? June fallen zunächst die Gerüche auf, die die verschiedenen Klassen voneinander trennen: Der Geruch von Puder und Seife, den die Ehefrauen verbreiten, erinnert sie an die Zeremonie, während die anderen Mägde nach Schweiß und Essen riechen – nach dem Leben. Irgendwann reicht aber auch das als Beschäftigung nicht mehr aus und sie beginnt, im Song „Heaven is a Place on Earth“ von Belinda Carlisle nach philosophischer Bedeutung zu suchen.

Man kann sich fragen, wie sie ausgerechnet auf diesen Song kommt. Oder man nimmt es einfach als das, was es ist: ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie langsam den Verstand verliert. Dass ihr Gehirn verzweifelt nach einem Halt sucht. June wird auf sich selbst zurückgeworfen, ohne Ablenkung durch den Alltag oder irgendwelche Aktivitäten des Widerstands. Und das geht zwar beinahe schief, führt am Ende aber dazu, dass sie ihren Kurs korrigiert.

June findet aus ihrem Loch

„When did you get to be so selfish?“ fragt Janine an einer Stelle. „Everything is always about you now … You’re different.“ In gewisser Weise hat sich June selbst auf ein Podest gestellt, als sie Emily im Finale der letzten Staffel ihr Baby überlassen hat. Es ist nicht so überraschend, dass sie sich in der Rolle der Kämpferin gefiel, der Märtyrerin, die zurückbleibt statt sich selbst zu retten. Das Problem ist, dass sie damit in eine Sackgasse geraten ist, weil Gilead nichts von Märtyrern hält und sie doch nur wieder Sklavin in einem anderen Haushalt geworden ist. Unter diesen Voraussetzungen entwickelt sie in der Isolation von Ofmatthews Krankenzimmer fast zwangsläufig Selbstmordgedanken.

Ist es Dr. Yates oder doch Janine, die schließlich zu ihr durchdringt? Yates sagt, er ehrt das Leben der Magd, indem er ihr Baby rettet. Aber auch Ofmatthew ist jemandes Tochter, was er im Einklang mit Gileads Ideologie praktischerweise ausblendet. Janine aber bringt es auf den Punkt: Ofmatthew oder Natalie, wie auch June sie zum Schluss endlich nennt, ist nicht der Feind. Sie ist eine von ihnen, und statt sich gegenseitig das Leben noch schwerer zu machen, sollten sie einander helfen. Dass June auch nach der Geburt des Kindes an ihrem Bett bleibt, ist kein Triumph Gileads, auch wenn Tante Lydia sich das einbildet. Es ist das ganze Gegenteil.

Yates: „I warned them. I said, you can’t leave that girl in here, praying for months on end. The brain atrophies in isolation and breeds despair. How long have you had suicidal thoughts?“
June: „Homicidal.“
Yates: „Doing any of the things that you said would put you on the wall, and you know it.“

Die nächste Generation von Sklaven

Ein ganz anderes und sehr ungemütliches Thema sind die jungen Mädchen, die das Krankenhaus für ihr „menarche exam“ besuchen. Mädchen, die sich nicht an die Zeit vor Gilead erinnern und ihr Leben lang indoktriniert wurden, dass ihr höchstes Glück darin besteht, für den Staat Kinder zu gebären. Mädchen, die viel zu jung sind, um sich über derlei Dinge schon Gedanken zu machen. (Roses Antwort auf Junes Frage, ob es das ist, was sie sich wünscht, sagt eigentlich alles: „Of course. So much.“) Es ist diese Generation, die entscheidend für den Erfolg oder Niedergang Gileads sein wird, weil sie nicht mehr weiß, dass das Leben auch anders sein könnte. Gerade deshalb ist es wichtig, dass so viele von ihnen wie nur möglich befreit werden. Wie June das anstellen will, ist zwar ein großes Rätsel, aber der Ansatz ist auf jeden Fall der einzig richtige.

Blessed be the fruit

• Behält es Serena für sich, dass June sie angegriffen hat, oder ist es Dr. Yates, der beschließt, sie deswegen nicht zu verraten? Bei Serena würde es mich eigentlich wundern, aber vermutlich darf sie June nicht loswerden, solange sie Nichole noch nicht wieder hat.
• Yates kannte übrigens auch Junes Mutter Holly, was ihm dabei hilft, zu ihr durchzudringen.
• Tante Lydia schenkt Janine eine rote Augenklappe. In fast zärtlichen Momenten wie diesen vergesse ich gern, dass sie ihr Auge überhaupt erst durch Lydia verloren hat. Der Piraten-Kommentar war dennoch süß.

4 ½ von 5 auf dem Boden hockenden Bananen.

Vorherige Folge
Nächste Folge
Zurück zur Staffelübersicht