ZSSD/Interim | Ein Balkon ergrünt

Ich habe mich nie als einen Menschen angesehen, der mit Pflanzen viel am Hut hat. Kleiner Spoiler: Ich sehe mich immer noch nicht als solchen an, deshalb müssen meine Pflanzen vor allem eines sein: pflegeleicht.

(Disclaimer: Nein, ich bin nicht offiziell zu den Crazy Plant Ladys gewechselt. Corona hat aber auch vor den Spielestudios nicht Halt gemacht, und in den endlosen Wochen des Wartens auf die verschobenen Releases kommt man schon auf seltsame Gedanken. Einen Beitrag zu Pflanzen zu verfassen, zum Beispiel. Ich weiß wirklich nicht, wie ich darauf gekommen bin …)

Ich bin stolzer Besitzer eines circa zehn Quadratmeter großen Südwest-Balkons, also eigentlich beste Voraussetzungen für einen privaten Dschungel. Trotzdem hat es fast vier Jahre gedauert, bis ich überhaupt in Erwägung zog, diesen irgendwie zu begrünen. Und zu allererst waren das nur mit Kunstrasen beklebte Holzfliesen, sehr pflegeleicht und garantiert winterhart. ?
Alles andere kam mir irgendwie zu umständlich vor, das ständige Gießen, düngen, nach Unkraut und Ungeziefer suchen … alles nicht meins. Zumal ich davon überzeugt war, ohnehin einen schwarzen Daumen zu besitzen. Zwei Bonsai, Gott hab sie selig, haben in der Vergangenheit auch nicht dazu beigetragen, das Bild von mir zu verbessern.

Letzten Herbst wollte ich dem Ganzen dann doch eine Chance geben.
Meine erste Anschaffung, eher nur „mal so“ zur Probe, waren Besenheiden (Calluna vulgaris), einfache, mit fast allem zufriedene und winterharte Gesellen, die man rigoros runterschneiden kann, und bei denen man auch mal das Gießen vergessen darf. Immerhin informierte ich mich soweit, dass sie saure, sprich Rhododendronerde vorziehen und man eine Drainageschicht aus Blähton einziehen sollte.
Dazu kaufte ich mir – eher spontan – japanisches Blutgras (Imperata cylindrica ‚Red Baron‘), das aber eventuell die Erde nicht vertrug, trotz Pflege nach Vorschrift erst gelb, dann braun wurde und schließlich in sich zusammentrocknete. Ich verzeichnete es als Lehrgeld, wässerte es schließlich gar nicht mehr und nahm mir vor, es im Frühjahr durch etwas Lebensfähigeres zu ersetzen.

Zu meiner nicht unerheblichen Verwunderung überstanden die Heiden den Winter unter einem Abdeckvlies sehr gut, und nach Internetanleitung habe ich sie eingekürzt und sehe ihnen jetzt beim neuen Austreiben zu.
Wirklich überrascht hat mich allerdings das Blutgras, das ich eigentlich schon entsorgen wollte. Plötzlich waren da aber grüne Spitzen inmitten all des Strohs, und ein paar Wochen später wächst es wie nichts Gutes und sieht fantastisch aus. Was immer im Herbst schiefgelaufen ist, nachtragend ist es jedenfalls nicht. Hier der Zustand nach dem Winter, drei Wochen und sechs Wochen später:

Ermutigt von der frisch austreibenden Bande habe ich neuen Pflanzenzuwachs geplant. Voraussetzung wie üblich: Winterhart und pflegeleicht sollte es sein. Und da ich noch so viel von der Rhododendronerde hatte, sollte es die auch vertragen. Wie gesagt, ich bin Pragmatiker, wenn es um Pflanzen geht.
Meine Wahl, zumal ich japanische Gärten einfach wunderschön finde, fiel auf Bambus (Fargesia rufa) und japanische Zierahorne. Besonders der rote Fächerahorn (Acer palmatum atropurpureum) und der Goldahorn (Acer shirasawanum ‚Aureum‘, siehe Titelbild) haben es mir angetan. Dazu gesellte sich ein online bestellter Eukalyptus (Eucalyptus gunnii ‚Azura‘), weil mir die Idee gefiel, im Sommer leichten Eukalyptusduft riechen zu können, was nebenbei bemerkt auch Insekten abhalten soll. Noch duftet er nicht wirklich, aber er hat ja noch Zeit zu wachsen.
Alle mögen saureres Substrat, gute Drainage, Sonne bis Halbschatten (der Goldahorn gerne etwas schattiger) und regelmäßiges Gießen.
In den letzten verfügbaren Kübel wanderten noch eine Handvoll Semperviven, fragt mich jetzt bitte nicht nach den botanischen Namen. Es gibt mehr als 7000 Sorten, und ihr überzeugendes Argument ist ihre sprichwörtliche Unkaputtbarkeit. Sie mögen es sogar mager und trocken, auch wenn es mir immer wehtut, sie in ihrem staubigen und aufgesprungenen Substrat sitzen zu sehen und nicht gießen zu dürfen.
Noch sehen alle gut aus, wie sie sich während des Jahres und vor allem über Winter anstellen, wird sich zeigen. Ich muss bis dahin auf jeden Fall noch mehr Accessoires besorgen, um die Kübel einzupacken und auch den Pflanzen selbst Schutz zu bieten, denn einen Keller etc. habe ich nicht dafür zur Verfügung. Bei einigen von ihnen, gerade den Ahornen, würde ich es schon bedauern, wenn sie es nicht überstehen würden. Zumal mein Balkon in Sachen Licht gut bedient ist, allerdings auch in Sachen Windigkeit, und das mögen sie eigentlich nicht so gern.

Mein aus Kübeln zusammengestelltes „Beet“ aus Semperviven, Besenheide, Blutgras und Eukalyptus:

Fazit: Gärtnern ist eigentlich keine schlechte Sache. Manchmal kann man Pflanzen sogar ganz abschreiben und gar nicht mehr wässern, und sie kommen trotzdem noch durch. Es ist spannend, zu beobachten, ob etwas anwächst, austreibt, an Größe zunimmt, ob es den Standort und das Substrat mag und gedeiht. Wenn man sich nicht zu Anfang sofort eine „schwererziehbare“ Pflanze zulegt, sondern robustes, anspruchsloses Gewächs, und sich ein wenig über den bevorzugten Boden-pH-Wert, die Lichtverhältnisse und den Wasserbedarf schlau macht, ist das sicher kein Hexenwerk. Zur Pflanzenlady wie Jes werde ich aber nicht, ebenso wenig wie ich glaube, jemals Buch über die einzelnen Bedürfnisse der Balkon-Flora zu führen. (Umso praktischer, wenn die quasi alle fast dieselben Ansprüche stellen.) Was ich im Augenblick habe, mag ich, pflege ich und beobachte es gern. Aber sollte es dennoch eingehen, dann fehlt mir, glaube ich, der nötige Ehrgeiz, es besser zu machen.
Auch wenn ich am Ende dann vielleicht einen Balkon voller Semperviven oder Kunstgras habe.