Ein Jahr in Fragmenten

Als ich vergangenes Silvester beschloss, wieder mit dem Tagebuchschreiben anzufangen, ahnte niemand, was dieses Jahr auf uns zukommt. Statt über persönliche Dramen zu schreiben, dokumentierte ich am Ende eine Pandemie samt sozialer und wirtschaftlicher Konsequenzen. Der Kleinkram kam natürlich trotzdem nicht zu kurz, stolze 397 Seiten umfasst das epische Werk (Stand heute).

In Ermangelung eines echten Jahresrückblicks veröffentliche ich deshalb für jeden Monat einen Satz aus meinem Tagebuch – ohne jeden Kontext. Gewissermaßen die Poesie des Alltäglichen. Oder ein Zeugnis von Schwachsinn, das bleibt euch überlassen. Und … Fortsetzung folgt?

Januar

Ich hatte keine Lust auf die anderen, dringenderen Sachen – die Story meines Lebens.

Februar

Kurz gesagt Weltuntergang.

März

Nudeln, Reis, Mehl, und davor ratlose Menschen, die sich die letzten Reste schnappen.

April

Haben die denn wirklich alle nichts Besseres zu tun als sich das gesamte Wurstsortiment bei Edeka anzugucken?!

Mai

Zur Zeit fehlt mir für alles die Motivation, ich existiere eigentlich nur noch und bringe die Tage hinter mich.

Juni

Es ging um Paranoia und den Verlust von Freiheit für eine fragwürdige Sicherheit, und irgendwie ist es spannend, dass ich die beiden Folgen als Teenager richtig schlecht bewertet habe, weil ich sie einfach noch nicht verstehen konnte.

Juli

Vielleicht wäre es einfacher, wenn ich hoffen könnte, dass sich in den nächsten Wochen und Monaten etwas tut, aber dieses Jahr warten wir alle nur.

August

Langsam gewinne ich wirklich den Eindruck, dass das Universum einen ganz kranken Sinn für Humor hat, indem es Erfolge sogleich mit Niederlagen ausgleicht.

September

Ganz ehrlich, langsam fühle ich mich wie in einem dystopischen Polizeistaat, und das macht mir schon ein bisschen Angst.

Oktober

Aber ja, schreiben wir einen Text über Balkontüren, ohne das Wort Balkontüren zu erwähnen, früher nannte man dieses Spiel „Tabu“.

November

Wenn man den Kontext nicht kennt, muss das echt komisch wirken: Frohe Weihnachten, hier hast du Schmerzmittel.

Dezember

Vor allem, weil seit bald einem Jahr der Tenor quasi lautet: Arbeiten gehen, konsumieren, aber um Himmels Willen nichts machen, was Spaß machen könnte!