Liebeshandlungen | Eine Liebe (nur) für die Ewigkeit („Lucifer“, Staffel 6)

„Close your eyes. You can’t see me. But I’m right here. And it’ll be the same down there. No matter where you go. No matter where you are. I’ll be with you. I’ll be with you always.“

Die finale Staffel von „Lucifer“ ist in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall. Die kurzfristige Verlängerung macht sich an allen Ecken und Enden bemerkbar, vor allem aber in der Liebesgeschichte von Chloe und Lucifer. Hatten sich die Autoren in der fünften Staffel noch spürbar Mühe gegeben, alles zu einem für die Fans befriedigenden Abschluss zu bringen, standen sie nun reichlich ratlos da. Das überraschende Auftauchen einer Tochter ist dabei nur das offensichtlichste Symptom. Spoiler!

Ist Trennung spannender als Nähe?

Ich gestehe, es kommt auch für mich überraschend, dass ich nun ausgerechnet bei „Lucifer“ über das vielzitierte Klischee schreiben muss, dass der erzählerische Reiz verlorengeht, sobald sich ein Paar gefunden hat. Generationen von Serienautoren haben Jahre ihres Berufslebens damit verbracht, Hindernisse zu erfinden, mit denen Verliebte voneinander ferngehalten werden können, ohne den Zuschauer zu verprellen. Ich möchte behaupten, an diesem Punkt kann man das durchaus als eigene Kunstform bezeichnen.
Ganz aus der Luft gegriffen ist die Annahme nicht. Schon der Autor Sol Stein stellte in seinem Standardwerk „Über das Schreiben“ fest: „Die beiden wichtigsten Elemente einer Liebesgeschichte sind Spannung und Zärtlichkeit. Eine Beziehungskrise oder das lange Hinauszögern des Liebesakts, eine Trennung der Liebenden, so lange es die Glaubwürdigkeit nur zulässt, all das ist geeignet, Spannung entstehen zu lassen.“ Wenn Autoren jedoch einen Grund nach dem anderen auffahren, wird aus Spannung schnell Frustration.

Vom Liebespaar zur Familie in fünf Minuten

Meiner Ansicht nach hat man das Liebesglück bei „Lucifer“ zu lange hinausgezögert. Das ist aber nur meine persönliche Meinung, die eng damit verknüpft ist, dass Chloe auch viel zu lange darüber im Unklaren gelassen wurde, dass Lucifer wirklich und wahrhaftig der Teufel ist. Dass die sechste Staffel nun den Eindruck erweckt, man habe eigentlich nicht lange genug gewartet und die Spannung damit komplett zerstört, ist dagegen hausgemacht. Gefühlt hat das Paar nämlich gerade mal fünf Minuten Zeit, seine Zweisamkeit ungestört zu genießen, bevor es auch schon eine Familie ist. Und nicht auf die romantische Art mit Schwangerschaft und gemeinsamem Nestbau.
Auftritt Rory, kurz für Aurora. Die zukünftige Tochter von Lucifer und Chloe reist vierzig Jahre in die Vergangenheit, um ihren Vater zu töten, der sie offenbar schon vor ihrer Geburt verlassen hat. Was in drei Wochen ist. Was für ein Stimmungskiller. Nachfolgend geht es dann auch nicht mehr um das Paar Lucifer und Chloe, sondern nur noch um die Eltern Lucifer und Chloe, und das verändert die Dynamik völlig. Ich will den Plot nicht gänzlich schlechtreden, aber er beherrscht die Staffel und ist schließlich auch Auslöser für das Mostly Sad End. (Eine Erfindung von mir, weil es kein Happyend, aber auch nicht das totale Gegenteil ist. Es ist eben nur ein hauptsächlich trauriges Ende.)

Die krude Logik eines Prädestinationsparadoxons

Ich schrieb schon beim letzten Mal, dass es schwierig werden würde, ein klassisches „happily ever after“ für Lucifer und Chloe zu inszenieren. Im Grunde ziehen sich die Autoren mit ihrer Lösung geschickt aus der Verantwortung, denn die Problematik Untersterblichkeit vs. menschliches Altern wird einfach übersprungen. Lucifer kehrt in die Hölle zurück und lässt die schwangere Chloe auf der Erde zurück, weil er seine Bestimmung angeblich nur finden kann, weil Rory ihn töten will. Was sie wiederum nur will, weil er sie verlassen hat.
Sorry, aber dahinter steckt nicht die geringste Logik. Amenadiel kann also Gott werden und trotzdem den Großteil seiner Zeit auf der Erde bei Sohn Charlie verbringen, aber Lucifer muss, um all die gebrochenen Seelen zu therapieren, dauerhaft in der Hölle bleiben? Warum? Weil Rory das sagt? Das ergibt doch keinen Sinn! Was ist aus freiem Willen geworden? Und dann will man es uns allen Ernstes als Happyend verkaufen, dass Chloe vierzig Jahre und Lucifer ein paar Äonen warten muss, bis sie schließlich in der Hölle für alle Ewigkeit wiedervereint sind.

Ein Abschied auf Zeit

Ihr merkt schon, ich habe starke Gefühle für dieses Finale, nach sechs Staffeln war das aber irgendwie auch erwartbar. Und es ist nicht alles schlecht, im Gegenteil. Trotz Rory finden Lucifer und Chloe in den letzten zwei Folgen dann doch noch Gelegenheit, einfach nur ein verliebtes Paar zu sein. Über die Umarm/Tanz-Szene im Panikraum könnte man vermutlich streiten, mich hat da vor allem die generische Musikwahl abgetörnt. Keine Ahnung, was passiert ist, normalerweise ist die Musik bei „Lucifer“ immer eine Stärke.

Die letzte gemeinsame Szene am Piano jedenfalls ist hoffnungslos romantisch. Dieser Moment zeigt, warum ihre Liebe selbst das überstehen wird. Das wäre so in Staffel 1 oder auch Staffel 4 nicht denkbar gewesen. Nach allem, was Chloe und Lucifer durchgemacht haben, ist das Vertrauen ineinander und in die eigenen Gefühle unerschütterlich. Gleichzeitig ist die Trauer über den akuten Verlust greifbar, was Gerüchten zufolge auch daran liegen mag, dass nichts an dieser Szene gespielt ist. Es war eben auch ein Abschied für die Schauspieler.

Fortsetzung folgt?

Damit schließe ich diese kleine Miniserie innerhalb der „Liebeshandlungen“ – durchaus mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Obwohl ich seit vielen Jahren Serien reviewe, war es doch etwas ganz anderes, einmal ganz gezielt darauf zu achten, wie die zentrale Liebesgeschichte aufgebaut wird. Und das muss keineswegs das letzte Experiment dieser Art gewesen sein. Schreibt mir gerne in die Kommentare, wenn ihr eine Serie wisst, bei der sich eine solche Analyse ebenfalls lohnen würde. Idealerweise eine, die keine zehn Staffeln hat. 😉