The Handmaid’s Tale | Nightshade (4×02)

„Gilead has a way of bringing out the worst in people. But in June, it brought out the best.“

Für June eröffnet sich die Chance, etliche Kommandanten auf einmal zu erwischen. Spoiler!

Red Leader, standing by

Als erste Wächter kommen, um nach ihrem verschwundenen Kollegen zu suchen, beschließt June, dass es Zeit wird, weiterzuziehen. Ihr Kontakt bei den Jezebels verrät ihr ein sicheres Haus, wo sie unterkommen können, doch nachdem sie die vielen Kommandanten gesehen hat, schmiedet sie andere Pläne. Mit der Hilfe von Esther, die ihren Ehemann bereits seit einer Weile mit Schwarzem Nachtschatten vergiftet, will sie alle Kommandanten bei den Jezebels auf einmal töten.

Nicht mehr nachvollziehbar

Tja, das nenn ich dann mal einen Einbruch der Qualität. Aber eigentlich war es abzusehen, denn wie ich schon beim letzten Mal schrieb, wirkt Junes Verhalten von Mal zu Mal irrationaler. Statt sich bedeckt zu halten und sich und die anderen Mägde in Sicherheit zu bringen, muss sie sich wieder einmal als große Retterin aufspielen. Das Ende war so gesehen eigentlich erwartbar, ich habe lediglich die Hoffnung, dass die anderen Mägde (und Esther) vorher fliehen konnten.

Emily: „Why do you feel you have to clean up June‘s messes?“
Moira: „Fuck if I know. Making up for when I got out, and she didn‘t, I guess. I‘m tired of feeling guilty.“
Emily: „I get it. She gave me her baby and stayed behind. Who does that?“

Der Größenwahn der June Osborne

Das größte Problem, dass „The Handmaid‘s Tale“ nach drei Staffeln hat, ist nicht einmal so sehr die Tatsache, dass die Geschichte keinem ersichtlichen Ziel mehr folgt. Ich denke, das trägt sogar zum Realismus bei, denn Widerstand gegen Unterdrückung folgt niemals einem festen Drehbuch. Die Beteiligten improvisieren, passen sich an, suchen neue Wege. Es war auch nötig, das Netzwerk zu entwickeln, von dem June und die anderen jetzt profitieren.

Nein, das Problem ist, dass June nicht länger glaubwürdig ist. Zu Beginn der Serie lehnte sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf und wuchs im Angesicht nackter Angst über sich hinaus. Hat June noch Angst? Für den Zuschauer sieht es nicht so aus, vielmehr scheint sie auf einem Rachefeldzug zu sein, den die anderen Mägde nicht mittragen wollen. Jeder vernünftige Mensch wäre zum vereinbarten Zeitpunkt zum sicheren Haus aufgebrochen und fertig. Aber June kann das natürlich nicht, sie muss sie alle in Gefahr bringen, nur um (vielleicht) ein paar Kommandanten zu treffen. Was glaubt sie, damit zu erreichen?

Eine ungewöhnlich nachsichtige Diktatur

Das andere ist natürlich, dass Gilead zunehmend inkompetent wirkt. Die bloße Tatsache, dass June einen vermeintlich diktatorischen Staat seit Jahren (?) an der Nase herumführt und sich quasi alles erlauben kann, ohne je ernsthaft zur Verantwortung gezogen zu werden, ist nicht mehr glaubwürdig. Selbst in einer weniger repressiven Gesellschaft als dieser wäre sie längst tot – Fruchtbarkeit hin oder her. „Nightshade“ ist dafür ein hervorragendes Beispiel, denn obwohl am Ende gut ein halbes Dutzend Waffen auf sie gerichtet sind, wird sie nicht erschossen? Wieso nicht? Es wäre die einfachste Lösung für Gilead.

Aber ach, da ist ja die vage Hoffnung, dass Nick noch immer auf Junes Seite ist. Ich gebe zu, ihn konnte ich nie einschätzen und kann es inzwischen noch viel weniger. Letzte Woche hat er Kommandant Lawrence geholfen, diese Woche setzt er June fest. Ja, er flüstert ihr ein „I‘m trying to keep you alive“ zu, aber würde nicht genau das auch jemand sagen, der einfach nur verhindern will, dass sie sich wehrt? Inwiefern hilft es ihr, sie ins Herz Gileads zurückzubringen, wo man sie zweifellos foltern wird (denn töten wird man sie natürlich wieder nicht).

Esther: „Maybe there are no good men in Gilead.“
June: „I think there are good men everywhere. Even here. It‘s just complicated, you know? Gilead makes it really hard to be good.“

Die Konsequenzen müssen andere tragen

Einen ganz schönen Einblick in die Nachwirkungen der Befreiungsaktion der Kinder erhalten wir diesmal in Kanada. Denn wie Moira ganz treffend bemerkt, ist June zwar ein Freund großer Gesten, macht sich aber nur selten Gedanken über die Konsequenzen. Ja, die Kinder sind frei, aber einige von ihnen sehen das vielleicht nicht so. Wahrscheinlich werden gar nicht wenige der Eltern, denen man sie geraubt hat, noch immer in Gilead sein. Die Kinder landen nun also teilweise bei Verwandten, die sie nie zuvor gesehen haben.

Wie zum Beispiel der kleine Asher, der beim Umsturz sicher noch zu klein war, um sich an ein anderes Leben zu erinnern. Alles ist ihm nun fremd, sein Zimmer ebenso wie das Essen. Es ist clever von Moira, Rita um Hilfe zu bitten und Asher auf diese Weise einen sanften Übergang in sein neues Leben zu ermöglichen. (Während ich das schreibe, habe ich gerade einen ganz kruden Gedanken. Was, wenn June so handelt, weil sie sich genau davor fürchtet? Davor, dass sie in jedem anderen Leben nicht mehr zu Hause ist?)

Die inkonsequente Serena

Was ich über die Waterfords noch schreiben soll, weiß ich auch nicht. Während Fred wenigstens konsequent ist, scheint Serena ihre Meinung ganz nach Stimmung zu ändern. Einerseits steht sie angeblich hinter Gilead, andererseits wollte sie stets mehr Freiheiten. Einerseits hasst sie ihren Mann, andererseits will sie von ihm geliebt werden. Konsistent fand ich einzig, dass sie sich nicht als Opfer inszenieren will. Und jetzt ist sie schwanger (behauptet zumindest Tuello). Was ich davon halte, hab ich noch nicht entschieden.

Blessed be the fruit

• Fred scheint mit dem Thema Nichole endgültig abgeschlossen zu haben. Er sagt deutlich, dass sie genauso wenig Serenas Tochter ist, wie sie die seine ist.
• Ehrlich gesagt fand ich es unfassbar lustig, dass Esther ihren Mann schon seit einer Weile langsam vergiftet. Er war also vermutlich nicht von Anfang an so tüddelig.

2 ½ von 5 giftigen Bananen.

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