Bücherstapel | Clifford D. Simak „Raumstation auf der Erde“

„Der Mensch war nicht bereit dazu. Er brauchte Sonne und Erde und Wind, um Mensch zu bleiben.“

Ein Weltraumbahnhof im Nirgendwo

Für die Dorfbewohner ist der zurückgezogen lebende Enoch Wallace nur ein komischer Kauz, der nicht altert. Tatsächlich aber ist er der vielleicht wichtigste Mensch auf Erden. Denn seit er vor hundertzehn Jahren von der Galaktischen Zentrale rekrutiert wurde, birgt sein altes Farmhaus eine Transitstation für Aliens auf der Durchreise. Tagein, tagaus beaufsichtigt er den Transport außerirdischer Besucher und führt gewissenhaft Tagebuch über alles, was er dabei lernt. Darüber sprechen darf er mit niemandem, doch er hofft, eines Tages als Vermittler bei der Aufnahme der Erde in die Gemeinschaft fungieren zu dürfen. Enochs langanhaltende Jugend aber spricht sich herum und zieht immer wieder Spione an. Zudem zweifeln Gegner der Galaktischen Zentrale, dass sich die Aufrechterhaltung einer so abgelegenen Station überhaupt lohnt.

„Es drängte ihn, der Menschheit alles mitzuteilen, was er gelernt hatte. Nicht so sehr die Einzelheiten, obwohl die Menschheit einiges davon sehr wohl gebrauchen konnte, sondern die allgemeinen Begriffe, die unspezifizierte, zentrale Tatsache, dass Intelligenz durch das ganze Universum verbreitet war, dass der Mensch nicht allein war, wenn er nur den Weg fand, dass er nie mehr allein zu sein brauchte.“

Eine Geschichte mit Auslassungen

„Raumstation auf der Erde“ von Clifford D. Simak ist für mich ein schwierig zu beurteilendes Buch. Einerseits hat es alles, was ich an Science-Fiction liebe, denn es geht um Verständigung über Völker hinweg, um Freundschaft, Wissensdurst und das Erwachsenwerden der Menschheit. Andererseits reißt Simak viele dieser Gedanken nur an und überspringt dabei wichtige Teile der Geschichte, die er wohl uninteressant fand.
Größe Stärke und zugleich Schwäche des Romans ist die Verengung auf Enoch als Erzähler. Wir erleben alles nur aus seiner Sicht, erhalten dadurch tiefe Einblicke in seine Erfahrungen, seine Hoffnungen und Ängste – aber eben nichts darüber hinaus. Was in der Galaktischen Zentrale vor sich geht, die politischen Ränkespiele, die am Ende auf dem Rücken der Erde ausgetragen werden sollen, erfahren wir nur mittelbar. Quasi vom Hörensagen durch Enochs ältesten außerirdischen Freund Ulysses. Zumindest für mich fehlte dadurch das „involvierende“ Element, ich fühlte mich nie als Teil der Erzählung, sondern ähnlich wie Enoch immer nur als Beobachter.
Am eindrücklichsten war das für mich bei der Frage, ob sich Enoch für die Erde einsetzen soll oder nicht. Simak schrieb „Raumstation auf der Erde“ in den 1960ern unter dem Eindruck des Kalten Krieges und der zunehmenden Aufrüstung, was sich hier in der Überlegung niederschlägt, dass die Erde einem neuen Weltkrieg entgegensieht. Dieser aber könnte das Ende der Beziehungen mit der Galaktischen Zentrale bedeuten, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. Enoch wird deshalb vor die Wahl gestellt, die Erde radikal zu „verdummen“, also quasi technologisch einige Jahrhunderte in die Vergangenheit zurückzuwerfen, um neu anfangen zu können. Er denkt zwar über diese Entscheidung nach, wägt ab und fragt sich, ob er sich wirklich anmaßen kann, für die gesamte Menschheit zu entscheiden. Zu einem Ergebnis kommt er jedoch nie, bis sich die Frage irgendwann von allein klärt.
Und das ist dann auch mein größter Kritikpunkt: Simak weicht konkreten Aussagen konsequent aus. Es kommt wegen eines Vorfalls zu einer Krise, die das Ende der Station noch beschleunigen könnte. Daraufhin nutzt Enoch einen der Spione als Kontaktmann zur Regierung und stellt Forderungen, die ohne jede Nachfrage erfüllt werden. Warum? Aufgrund der reichlich vagen Drohung, dass sonst dem ganzen Planeten Ungemach droht? Ein seit Jahren verschollener „Talisman“ der Aliens, der eine Verbindung zu einer kosmischen Spiritualkraft herstellen kann, taucht ausgerechnet auf der Erde wieder auf und findet dort ebenso zufällig wie passend einen „Sensitiven“, der damit interagieren kann. Die offenbar daraus folgende Aufnahme der Erde in die Galaktische Gemeinschaft wird von Enoch nur noch rückblickend und in wenigen Sätzen erwähnt. Das ist schwach, denn es ging ja praktisch das ganze Buch über nur darum, dass er sich genau das wünscht.
Die Bezeichnung „utopischer Roman“ wird Clifford D. Simaks „Raumstation auf der Erde“ vielleicht noch am ehesten gerecht. Typische Science-Fiction-Leser könnten enttäuscht sein, da die Existenz von Aliens und ihre fortschrittliche Technologie einfach vorausgesetzt werden und eben nicht zum zentralen Plot gehören. Tatsächlich hat das Buch sogar einen ausgeprägt kammerspielartigen Charakter und widmet sich vorwiegend Enochs Innenleben. Fraglich ist, ob die von Netflix geplante Verfilmung noch zustande kommt (die letzte Meldung stammt von 2019) und wie weit sich diese von der Vorlage entfernen wird. Eine Durchgangsstation für Außerirdische klingt jedenfalls auch ohne die philosophischen und politischen Themen des Buches nach einer erfolgversprechenden Abenteuergeschichte.
2 ½ von 5 Bananen, die Kaffee lieben.