Star Trek: Strange new Worlds | The Elysian Kingdom (1×08)

„Maybe I can get us out of here with the help of some powerful magic called science.“

Die Crew der Enterprise sitzt in einem Nebel fest und spielt unwissentlich ein Kinderbuch nach. Spoiler!

What if we could change the ending?

Die Enterprise erforscht den Jonisian Nebel – eine Routinemission, die Dr. M’Benga Gelegenheit gibt, sich weiter der Suche nach einem Heilmittel für seine Tochter Rukiya zu widmen. Doch als er wegen einer Verletzung auf die Brücke gerufen wird, traut er seinen Augen nicht: Plötzlich steckt er mitten in der Geschichte, die er Rukiya vorgelesen hat, und niemand außer ihm scheint sich dessen bewusst zu sein, dass sie nur Rollen spielen. Während er nach einer Möglichkeit sucht, die Sache zu beenden, stellt sich heraus, dass auch Chefingenieur Hemmer noch er selbst ist. Offenbar hat der Nebel ein eigenes Bewusstsein, das er dank seiner telepathischen Fähigkeiten abwehren konnte.

Wenn Kinder Fanfiction schreiben …

Als M’Benga die Brücke betritt und plötzlich alle in königlichen Kostümen dastehen, war ich bereits genervt. Echt jetzt, ein „Star Trek: Strange new Worlds“-Äquivalent der unseligen Holodeck-Episoden früherer Zeiten? Danke, aber nein danke. Alles Vorurteile, sage ich euch. „The Elysian Kingdom“ ist vielleicht nicht die kohärenteste oder bedeutsamste Folge, aber sie ist ohne Zweifel die albernste. Eine liebevolle Hommage an „Die Brautprinzessin“ und sichtlich ein Riesenspaß für die Schauspieler.

M’Benga: „We’re going to try diplomacy. If that doesn’t work, then you can cut something in half.“
Ortegas/Adya: „Thank you, sire. Starfall is thirsty.“
Pike/Rauth: „Ridiculous name for a sword.“
Ortegas/Adya: „You’re ridiculous.“

Die gute alte Tradition der Nonsens-Folgen

Schaut man sich die Kritiken bei IMDb an, ist offenkundig, dass die Folge die Fans spaltet. Während die einen sie für den größten Mist halten, sind andere hellauf begeistert. Für mich persönlich ist sie vor allem ein Beleg dafür, dass die Rückkehr zum episodischen Erzählen die Kreativität der Autoren in ungeahnter Weise befeuert. „The Elysian Kingdom“ feiert die Nonsens-Geschichten des klassischen „Star Trek“ – deren Existenz die Fans, die hier vom Niedergang des Franchises fabulieren, offenbar geflissentlich ausblenden. „Star Trek“ will seit jeher vor allem Unterhaltung sein, und dazu gehören die nachdenklichen Episoden genauso wie die wilden Abenteuer in Fantasy-Welten.

„The Elysian Kingdom“ verlangt daher eigentlich nur eines von uns: dass wir uns drauf einlassen. Auf die peinlich überzogenen Stereotypen, das übertriebene Schauspiel und natürlich die dümmlichen Dialoge. Denn das ist genau der Punkt der Geschichte! Sie alle sind Teil einer Fantasy-Erzählung, die ein einsames Kind nach seinen eigenen Vorstellungen umschreibt. Inklusive Plotlöchern, nicht nachvollziehbaren Wendungen und unerwarteten Romanzen. Jeder, der William Goldmans Kultbuch „Die Brautprinzessin“ gelesen (oder die Verfilmung gesehen) hat, dürfte damit bestens vertraut sein.

Schauspieler, die zu Hochform auflaufen

Ein besonders großes Vergnügen ist es dabei, die Schauspieler in völlig anderen, teilweise gar gegensätzlichen Rollen zu erleben. Das beste Beispiel dafür ist Anson Mounts Captain Pike, der hier zum Kammerherrn Rauth wird, einem unvergleichlich kriecherischen Feigling. Oder Christina Chong, deren sonst so resolute La’an plötzlich zur überkandidelten Prinzessin Thalia mutiert – inklusive verwöhntem Handtaschenhund. Zweifellos die dankbarste Rolle hatte aber Melissa Navia alias Ortegas alias Sir Adya, einem von seinem Schwert geradezu besessenen Ritter. Die Schlagabtäusche zwischen Rauth und Adya sind das absolute Highlight.

Auch das Setting ist interessant, denn wir bleiben deutlich erkennbar auf der Enterprise, die jedoch um typische Fantasy-Elemente ergänzt wird. Für die vom Nebel übernommene Crew sind das das königliche Schloss, die Wälder oder geheimnisvolle Tunnel, die Konsolen scheinen sie einfach auszublenden. Nur M’Benga und Hemmer sind in der Lage, das Schiff noch als solches wahrzunehmen und vor allem auch zu nutzen. Was es eigentlich noch tausendmal lustiger macht, dass Hemmer in seiner Rolle als Zauberer Wissenschaft als „Magie“ tarnt.

M’Benga: „We must rescue him.“
La’an/Thalia: „Absolutely. Good plan. Fantastic.“

Eine einfallslose Auflösung

Der dramatische Part der Folge funktioniert für mich dagegen überhaupt nicht. Vielleicht liegt es am krassen Wechsel der Erzählstimme, vielleicht auch daran, dass wir eigentlich nie Gelegenheit hatten, Rukiya wirklich kennenzulernen. In jedem Fall bekommt ihre Story eine beispiellos billige Deus-ex-Machina-Lösung. Nachdem uns Hemmer eben noch mit viel Elan Wissenschaft als Magie verkauft hat, wird Rukiya nun statt mit Wissenschaft mit Magie geheilt. Ehrlich, ich hatte fest damit gerechnet, dass sie diese Handlung noch eine Weile fortführen und M’Benga schließlich selbst ein Heilmittel findet, dann würde sich das Ende wenigstens irgendwie verdient anfühlen.

Ich will auch nicht ausschließen, dass das alles auf Eltern ganz anders wirkt. M’Benga erkennt, dass es nur ihn selbst glücklich machen würde, sie bei sich zu behalten, während Rukiya nichts von ihrem Leben hat. Inwieweit Rukiya realistisch einschätzen kann, was sie aufgibt, sei mal dahingestellt. Dass sie aber sogleich als Erwachsene zurückkehrt, um ihrem Vater zu versichern, dass es die richtige Entscheidung war … nun, es wäre wohl politisch nicht ganz korrekt gewesen, ein Kind einfach einem fremden Nebel zu überlassen, wegzufliegen und das Beste zu hoffen.

The Elysian Notes

• Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir das entgangen ist: Das Buch „The Kingdom of Elysian“ wurde von Benny Russell geschrieben. Das war Siskos Alter Ego in seinen Visionen in der „Star Trek: Deep Space Nine“-Folge „Far beyond the Stars“.
• Entschuldigt, aber Ortegas steht am Anfang doch nur aus dem einen Grund auf, damit sie hinfallen und sich den Kopf stoßen kann, oder?
• Hemmer, der sich schier einen abbricht mit seiner mystischen Gestik, bevor er den Knopf an seinem Kommunikator drückt und ihre Gegner wegbeamt, ist einfach nur genial. Jetzt will ich auch mehr vom Chefingenieur sehen!

3 ½ von 5 Bananen, die jemandem den Kopf abschlagen wollen.

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