Nachtappell | KI und die menschliche Komponente

„Ich bin kein Roboter.“
(rituelle Erkennungsformel, überliefert)

Kürzlich las ich einen Tweet, der sinngemäß lautete: So hab ich mir die Zukunft nicht vorgestellt, dass Menschen für wenig Geld die Drecksarbeit machen, während die KI Gedichte schreibt und malt. Als Texter und Content-Creator ist ChatGPT aktuell ein sensibles Thema für mich. Ich verstehe auf der einen Seite die Begeisterung für die Technik, bin andererseits aber auch entsetzt, wie unreflektiert viele dieser Entwicklung begegnen. Auch und vor allem im professionellen Umfeld. Glaubt mir, wenn Kreative davon schwärmen, wie bereichernd ChatGPT ist und wie sehr ihnen die KI die Arbeit erleichtert, ist das reiner Selbstschutz. Es ist der verzweifelte Versuch, fachfremden Chefs zu signalisieren, man sei aufgeschlossen für Neues, damit sie nicht auf die Idee kommen, einen sofort wegzurationalisieren.

Aber es ist mehr als die Angst vor dem Jobverlust oder dem nahenden Ende eines ganzen Berufsfelds. Es ist das fehlende Verständnis dafür, wie ChatGPT funktioniert, die mich ganz persönlich wütend macht. Vielleicht nimmt mir KI irgendwann in Zukunft die Arbeit weg, im Moment klaut sie aber vor allem meine Arbeit. Denn ChatGPT ist nicht kreativ oder denkt im klassischen Sinne. Die KI berechnet lediglich Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Wörter aufeinander folgen. Ganz konkret nimmt sie von Menschen verfasste Texte und würfelt sie neu zusammen. Ohne Quellenangabe und ohne die Urheber dafür zu bezahlen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Internet von Unmengen solcher remixten Texte überschwemmt wird, was nicht Sinn der Sache sein kann.

Und damit komme ich zu meinem eigentlichen Punkt: dem menschlichen Faktor. Für wen werden Texte im Internet geschrieben? Es spielt keine Rolle, ob wir uns Produkttexte anschauen, Artikel in einem Onlinemagazin oder diesen Blog. Obwohl im professionellen Bereich durchaus ein gewisser Prozentsatz nur für Google geschrieben wird, also de facto für eine Maschine, haben dennoch alle diese Formate in letzter Konsequenz einen menschlichen Leser vor Augen. Es steckt eine Absicht dahinter, die über das bloße Produzieren von Text hinausgeht. Genauso, wie Menschen Texte nicht einfach nur lesen, um einen Text zu lesen.

Ich ganz persönlich schreibe hier, weil ich meine Meinung kundtun möchte, sei es über Serien, Bücher oder die Existenzberechtigung von Chenille (nein, einfach nur nein). Obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass ChatGPT dank der Fülle an Vergleichsmaterial in der Lage wäre, einen Text in meinem Stil zu verfassen, wäre es doch nicht dasselbe. Denn die KI hat keine Meinung und auch nicht das Bedürfnis, diese kundzutun. Und ganz gewiss denkt sie nicht an Leser, die sie mit diesem Text unterhalten will.

Kurzum, ihr könnt sicher sein, dass ihr hier auch weiterhin zu hundert Prozent von Menschen geschriebene Texte lesen werdet. Und solltet ihr mich je schwärmen hören, wie sehr mir ChatGPT die Arbeit erleichtert: Ja, ich habe Angst um meinen Job.