„Tell the men to keep looking. I want this Dick in my hands as soon as possible!“
(„The completely made-up Adventures of Dick Turpin“)
Nicht der beste aller Serienmonate, aber dieses Sommerloch habe ich mir natürlich auch selbst zusammengestellt. So habe ich die letzten Reste bei Apple TV+ zusammengekehrt und fange nun an, meine Liste bei Netflix abzuarbeiten. Erste Erkenntnisse gibt es im Schnelldurchlauf. Spoiler!
Hello Tomorrow! (Staffel 1)
Im retro-futuristischen Vistaville verkaufen Außendienstler Jack Billings und sein Team für die Firma Brightside Lunar Residences exklusive Wohnungen auf dem Mond. Was Jacks Kollegen nicht wissen: Weder die Firma noch die Wohnungen existieren, er verkauft den Menschen nichts als Träume, die ihnen neuen Lebensmut geben sollen. Um wieder eine Beziehung zu seinem Sohn Joey aufzubauen, den er schon als Kind verlassen hat, stellt Jack ihn als Verkäufer ein – ohne ihm zu sagen, dass er sein Vater ist. Als dann der Start der Rakete verschoben wird, gehen die ersten Kunden auf die Barrikaden.
Bah, das war gar nicht meins. Mich lockte vor allem das Design der Serie, dieser Mix aus moderner Technik im Retro-Look der 1950er, aber das rettet die krude Geschichte leider auch nicht. Die Prämisse ist ja durchaus interessant, ein Scam, bei dem Leuten Wohnungen auf dem Mond verkauft werden, die (noch) gar nicht existieren. Aber „Hello Tomorrow!“ will vor allem eine Wohlfühlserie sein, und deshalb ist Jack auch kein Hochstapler, sondern ein Träumer, und diese kognitive Dissonanz funktioniert einfach gar nicht. Ich bezweifle, dass die Serie fortsetzt wird, die Staffel endet indes offen.
1 von 5 Bananen, die auf den Mond wollen.
WeCrashed (Staffel 1)
2010 gründet Möchtegern-Unternehmer Adam Neumann das Start-up WeWork – mit jeder Menge Versprechungen und dem Geld anderer Leute. Er will mit Coworking-Spaces den Markt revolutionieren und expandiert in Städte auf der ganzen Welt. Die eigenen, miserabel bezahlten Mitarbeiter hält er mit Partys bei Laune, aber die Firma macht trotzdem nur Verlust. Adams Ehefrau Rebekah, gescheiterte Schauspielerin und Yoga-Lehrerin, gründet schließlich sogar eine Schule auf Basis der „We“-Philosophie. Kurz vorm Börsengang zieht der Vorstand die Reißleine.
Ganz zu Beginn sagt jemand zu Adam: „Ich denke, Sie werden entweder Millionär oder Sie werden verhaftet.“ Im Grunde fasst das die Geschichte bereits perfekt zusammen, denn Neumann bewegt sich stets an der Grenze des Legalen, er spielt mit Geld, das ihm nicht einmal gehört, und erzählt seinen Investoren irgendwas von der Rettung der Welt. Mit Büroräumen! Dass all das wirklich passiert ist, ist unfassbar, zeigt aber deutlich, wie abgehoben die Geldelite ist. „WeCrashed“ ist streckenweise schwer zu ertragen, zieht einen in seiner Absurdität aber dennoch unweigerlich in seinen Bann.
3 von 5 f***ing goldenen Bananen, die f***ing goldene Eier legen.
Dick Turpin: „Wow. Secret passage, though. Check you out. Wish I had a secret passage.“
Little Karen: „That sounds weird.“
(„The completely made-up Adventures of Dick Turpin“)
The completely made-up Adventures of Dick Turpin (Staffel 1)
England 1735. Dick Turpin verlässt sein Elternhaus, weil er als Veganer partout kein Metzger wie sein Vater werden will. Unterwegs gerät er an eine Bande von Straßenräubern, deren Anführer er durch einen dummen Zufall tötet, worauf die verbliebenen Mitglieder ihn zum neuen Anführer machen. Die „Essex Gang“ ist zwar nicht sonderlich erfolgreich, doch Dicks eigenwilliger Stil bringt ihm dennoch eine gewisse Berühmtheit ein. Genug, dass sich das „Syndikat“ bedroht fühlt und mit Tommy Silverside einen charismatischen Kontrahenten mit wehendem Haar gegen Dick ins Rennen schickt.
Vorab: Es lohnt sich, die Serie im britischen Original zu gucken, und sei es nur wegen all der albernen Dick-Jokes. Wie der Titel im Grunde schon verrät, handelt es sich hier um eine Parodie klassischer Räubergeschichten – mit einem Helden, der lieber strickt und sich in Achtsamkeit übt als tatsächlich Kutschen auszurauben. Manches ist arg überzeichnet, mancher Gag wird zu sehr ausgetreten, aber die Schauspieler haben so viel Spaß in ihren Rollen, dass es eine helle Freude ist. Und wir dürfen uns auf weitere Abenteuer freuen, denn Apple hat inzwischen auch grünes Licht für eine zweite Staffel gegeben!
5 von 5 Bananen, die morden und rauben, nicht stricken.
The Crown (Staffel 6)
Während Prinz Charles versucht, seine Mutter dafür zu gewinnen, Camilla offiziell anzuerkennen, verbringt Diana den Sommer mit ihren Söhnen in Saint-Tropez. Als die Presse sie turtelnd mit Dodi Al-Fayed erwischt, gibt es für die Paparazzi kein Halten mehr, bis es deswegen in Paris zu einem tödlichen Autounfall kommt. In der Folgezeit leidet vor allem William unter dem zunehmenden Presserummel. Als er an die Universität kommt, lernt er dort Kate Middleton kennen. Die Queen bereitet sich derweil auf ihr Goldenes Thronjubiläum vor, fürchtet jedoch um den Rückhalt in der Bevölkerung.
Die finale Staffel von „The Crown“ eröffnet mit dem berühmten Unfall in Paris, bevor sie zunächst noch mal einen Schritt zurücktritt und von Dianas Affäre mit Dodi erzählt. Erst in Folge 3 kehren wir zu den letzten Tagen und Stunden vor dem Unglück zurück. Es ergibt Sinn, dass Dianas Tod Dreh- und Angelpunkt dieser Staffel ist, dadurch fehlt ihr jedoch der rote Faden, es wird nur ein Ereignis ans nächste gereiht, was streckenweise sehr öde ist. Alles in allem bleiben die ersten beiden Staffeln für mich die besten, von allen Darstellerinnen war Claire Foy mit Abstand die überzeugendste.
2 von 5 Bananen, die säckeweise Fanpost kriegen.
„Und der Rabe rührt sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer auf der blassen Pallasbüste, die er sich zum Thron erkor.“
(„Der Untergang des Hauses Usher“)
Der Untergang des Hauses Usher (Miniserie)
Nach dem Tod seiner sechs Kinder erzählt der Pharmaunternehmer Roderick Usher dem Ermittler Auguste Dupin seine Lebensgeschichte. Kurz zuvor hat Dupin während des Prozesses gegen Rodericks Firma angedeutet, dass er einen Informanten innerhalb der Familie hat. In der darauffolgenden Phase der Verdächtigungen kommt es bei den Ushers im Abstand weniger Tage zu äußerst seltsamen und gewaltsamen Todesfällen. Offenbar haben Roderick und seine Schwester Madeline 1980 einen Handel geschlossen, dessen Bezahlung nun fällig ist.
Hand aufs Herz: Ich habe Edgar Allan Poe nie gelesen. Die Feinheiten der Erzählung und vor allem die Anspielungen auf seine Geschichten sind somit komplett an mir vorbeigegangen. (Bis auf das Pendel. Wer kennt nicht das Pendel?) Es zeugt sicherlich vom Können Mike Flannagans, dass ich trotzdem nie das Gefühl hatte, mir entginge etwas – „Der Untergang des Hauses Usher“ funktioniert auch ohne jedes Vorwissen hervorragend. Einzig die blutige Brutalität der Serie hat mich etwas überrascht, da Flannagan sonst eigentlich eher für subtilen Psychohorror bekannt ist.
4 von 5 Bananen Zitronen.
Sex Education (Staffel 4)
Da die Moordale High geschlossen wurde, beginnen einige der Schüler das neue Schuljahr am Cavendish Sixth Form College. Die Schule ist komplett anders, hier wird niemand gemobbt oder ausgegrenzt, stattdessen setzt man auf Diversität und Wokeness. Otis sieht sich dort mit unerwarteter Konkurrenz bei seinen Sex-Sprechstunden konfrontiert. Auch seine frische Beziehung mit Maeve köchelt auf Sparflamme, seit sie in Amerika studiert. Eric findet neue Freunde, die seinen Lebensstil besser verstehen als Otis. Und Adam beginnt eine Ausbildung auf einem Reithof.
Und Netflix wundert sich ernsthaft, dass man ihnen Wokismus vorwirft? Ja, auch die Jugendlichen an der Moordale High hatten alle eine kleine Macke, aber das war stets liebenswert erzählt. An der Cavendish jedoch haben alle so dermaßen selbstbewusst eine Macke, dass es einfach nur nervt. Ehrlich, ich bin froh, dass ich in den 1990ern Teenie war, das hier wäre die Hölle für mich. Kurzum, mit der Neuausrichtung ausgerechnet in der finalen Staffel hat sich „Sex Education“ keinen Gefallen getan, ich hätte mir gewünscht, dass der Fokus ganz auf den bekannten (und liebgewonnenen) Figuren liegt.
2 von 5 Bananen (m/w/d).