„Was, wenn wir eine Welt heilen wollen, die gar nicht kaputt ist?“
(„Sweet Tooth“)
Während sich die Publikumslieblinge bei Netflix allzu oft als lieblos hingeschluderte Massenware erweisen, lohnt es sich manchmal, etwas tiefer zu graben und Serien eine Chance zu geben, die auf den ersten Blick nicht so spannend klingen. Spoiler!
Sweet Tooth (Staffel 3)
Gus macht sich zusammen mit Wendy, Bear und Jepperd auf den beschwerlichen Weg nach Kanada, um seine Mutter Birdie zu finden. Dabei treffen sie feindselige Rentner in einem Casino und eine Familie, die ihren Hybriden-Sohn versteckt. Ihnen ständig auf den Fersen: Mrs. Zhang und ihre Handlanger. Unterwegs schließt sich ihnen Dr. Singh an, der wie Birdie auf der Suche nach dem Ursprung der Seuche ist – auch wenn Jep und Bear ihm nicht trauen. Derweil stellt Birdie die Forschung nach einem Heilmittel ein, um selbst nach Gus zu suchen, da sie nun weiß, dass er noch am Leben ist.
Wahrscheinlich sollte man nicht allzu genau hingucken, der Plot dieser Staffel ist so löchrig, dass ein Schneemobil durchfahren könnte. Die Guten sind komplett naiv und viel zu vertrauensselig, während die Bösen ihren sprichwörtlichen Schnurrbart zwirbeln und von Weltherrschaft schwafeln, nun ja. Ich glaube, am ärgerlichsten ist, dass man sich am Ende von jeglicher Wissenschaft verabschiedet und die Seuche von einem blutenden Baum kam oder so, richtig verstanden hab ich das nicht. Sieht man darüber hinweg, kann man mit „Sweet Tooth“ aber immer noch Spaß haben. Mein Highlight war sowieso Cara Gee.
2 ½ von 5 Bananen in einer Höhle.
Ripley (Miniserie)
New York 1961. Der findige Thomas Ripley schlägt sich mehr schlecht als recht mit Scheckbetrug durch, als er ein verlockendes Angebot erhält. Er soll den Sohn eines reichen Unternehmers, der sich in Italien als Maler vergnügt, zurück nach Hause holen. Obwohl er nur aufgrund seiner falschen Angaben für einen Freund von Richard Greenleaf gehalten wird, nimmt Thomas an und fährt nach Atrani. Schnell baut er eine Freundschaft auf, doch als der Geldfluss versiegt und Richard ihn wieder loswerden will, erschlägt Thomas ihn bei einem Bootsausflug und nimmt seinen Platz ein.
Die vielerorts zu lesende Kritik an der Schwarz-Weiß-Optik kann ich nicht nachvollziehen, sie ist tatsächlich der größte Pluspunkt dieser Neuverfilmung. Wenn selbst Blut nur ein unbestimmter schwarzer Fleck auf weißem Grund ist, wird die seelische Leere von Thomas erst wirklich greifbar. „Ripley“ lebt von Hauptdarsteller Andrew Scott, der wie eine Leinwand alles aufsaugt und sich meisterhaft durch die Handlung schlängelt. Dass die Miniserie ihre Längen hat, ist nicht seine Schuld, es hätten wahrlich nicht acht Folgen sein müssen. Optisch allerdings hat man alles richtig gemacht.
3 ½ von 5 Bananen, die sich als Gurken ausgeben.
„Alles an Tom is vage. Mit Absicht, wenn du mich fragst.“
(„Ripley“)
Carol & the End of the World (Miniserie)
Die Menschheit bereitet sich auf die Apokalypse vor, denn ein mysteriöser Planet steuert auf die Erde zu und wird sie in gut sieben Monaten zerstören. Während sich die meisten in Abenteuer stürzen und ihre Träume verwirklichen, weiß Mittvierzigerin Carol Kohl nichts so recht mit sich anzufangen. Durch Zufall gerät sie an einen Job in der Buchhaltung, wo der Alltag einfach weitergeht, als wäre nichts. Obwohl Carol für die Ablenkung dankbar ist, kommt sie mit der Anonymität nicht klar. Doch als sie beginnt, Kontakte zu knüpfen, gerät das fragile Gleichgewicht im Büro zunehmend ins Wanken.
Netflix tut sich schwer damit, anspruchsvolle Animation zu bewerben, ich erfuhr nur durch einen persönlichen Tipp von „Carol & the End of the World“. Als Realserie wäre das melancholische Endzeit-Drama sicherlich ein Hit geworden. Hier geht es nicht um die großen Gesten, die Rettung in letzter Sekunde, sondern um die Frage, wie man dem unausweichlichen Ende begegnet. Und das ist eben nicht für jeden die Weltreise oder ein Fallschirmsprung; für manche ist Routine in dieser Situation der einzige Halt. Gegen Ende verliert sich die Serie ein bisschen, in ihrer Gesamtheit aber ist sie ein Kleinod.
4 von 5 Bananen, die neuen Toner für den Kopierer suchen.
The Decameron (Miniserie)
1348, die Pest hat Florenz fest im Griff. Um der Krankheit zu entkommen, folgen einige Adlige der Einladung von Visconte Leonardo auf seinen abgelegenen Landsitz. Was sie nicht ahnen: Leonardo ist in der Zwischenzeit selbst an der Pest gestorben. Unter den Gästen ist auch seine künftige Frau Pampinea, die sich zum Ärger des Verwalters sogleich als Hausherrin aufspielt. Dienerin Licisca gibt sich als ihre Herrin Filomena aus, die sie unterwegs von einer Brücke gestoßen hat. Und Neifile treibt mit ihrer Gläubigkeit alle in den Wahnsinn.
Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich den Witz der Serie nicht. Reiche Leute benehmen sich doch genau so, oder nicht? Nein, im Ernst, vielleicht braucht man eine bestimmte Art von Humor, um „The Decameron“ zu mögen, für mich zogen sich die acht Folgen teilweise zäh wie Kaugummi. Von wirklichen Ausschweifungen kann nicht die Rede sein (zählt Leonardos Penis-Salon?), stattdessen keifen sich alle die ganze Zeit wegen Nichtigkeiten an. Außerdem sterben für eine Comedy auch echt viele Leute, sei es nun an der Pest oder durch Schwerthiebe, das fand ich sehr, sehr irritierend.
2 von 5 Bananen im Hutzimmer.
Gabriel: „Sie hat mich betrogen.“
Emily: „Ach, es war doch nur eine Affäre.“
Gabriel: „Das ist das gleiche.“
Emily: „Aber Affäre klingt schöner.“
(„Emily in Paris“)
Emily in Paris (Staffel 4)
Nach dem Eklat bei der geplatzten Hochzeit von Gabriel und Camille hat Emily einen schweren Stand – selbst bei TikTok macht man sich über sie lustig. Und überhaupt hat Julien ja auch nur wegen ihr gekündigt! Nach der Trennung von Alfie turtelt Emily jedenfalls wieder mit Gabriel, muss sich aber damit abfinden, dass Camille wegen ihrer Schwangerschaft weiterhin zu ihrer Beziehung gehört. Mindy und ihre Band werden derweil für den Eurovision Songcontest ausgewählt, sollen die Bühnenshow aber vollständig selbst finanzieren. Freund Nicolas ist von ihren Methoden der Geldbeschaffung nicht begeistert.
Keine Ahnung, wer mir den Floh ins Ohr gesetzt hat, dass die vierte Staffel die letzte der Serie ist. Auf jeden Fall war ich deswegen in der zweiten Hälfte richtig sauer auf Gabriel, der es einfach nicht auf die Reihe kriegt, sich für Emily zu entscheiden. Doch selbst wenn es weitergehen sollte (als „Emily in Rome“?), bleibt festzuhalten, dass zu spät zu viele neue Variablen eingeführt werden. Ob Emilys Nemesis Genevieve oder ihr neuer Beau Marcello: Als Fan interessieren mich die bereits bekannten Figuren doch viel mehr. Also ja, kurzweilig wie immer, aber streckenweise auch arg frustrierend.
3 ½ von 5 auf der Skipiste zurückgelassenen Bananen.