„Can an immortal meet mortality?“
Bevor sie New Orleans verlassen wollen, schmeißen die Vampire eine Mardi Gras Party, bei der Claudia plant, Lestat zu töten. Spoiler!
Let the flesh instruct the mind
Als die Voodoopuppen von Briefen Todkranker abgelöst werden, die sie um Heilung anflehen, beschließt Lestat, dass es Zeit wird, New Orleans zu verlassen. Claudia, die seit längerem Pläne schmiedet, ihn zu töten, erkennt darin eine Gelegenheit und schlägt vor, dass sie mit einem Knall gehen. Also arrangieren sie eine opulente Mardi Gras Party, die Claudia Lestat als Tarnung für ein wahres Festgelage verkauft. Louis weiht sie erst kurz vorher in ihren Plan ein: Einer der auserwählten Gäste, die später zu einer Privatparty kommen, ist vergiftet. Doch hat sie Lestat am Ende unterschätzt?
Lestats Ende?
Und ein Knall ist die Folge in der Tat. Obwohl sie sich weit von der Buchvorlage entfernt, gelingt den Autoren eine schlüssige Alternative für diesen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte. Fast möchte ich sagen, diese Version passt besser, denn sie nutzt Lestats unbestreitbares Faible für Dramatik aus, während sie gleichzeitig zeigt, wie berechnend Claudia geworden ist. Und wenn man gerade denkt, dass man endlich wieder ausatmen kann, haut einem „The Thing lay still“ auch schon den nächsten Schocker um die Ohren. Gab es je einen unzuverlässigeren Erzähler als Louis?
„Murder? What murder? It was an act of mercy. You didn’t kill Lestat. You spared him, out of some fucked-up idea you had about love.“
Louis biegt sich die Geschichte zurecht
Wo fange ich nur an? Claudias Plan ist auf jede nur denkbare Weise genial und beweist beeindruckende strategische Weitsicht. Die vielen Schachspiele mit Lestat waren eine interessante Metapher, dienten am Ende aber nur dazu, sowohl ihn als auch uns zum Narren zu halten. Lestat ist viel zu sehr von sich eingenommen, das merkt er nie! Oh nein, er hat sie längst durchschaut und einen Gegenplan! Moment, Claudia war ihm die ganze Zeit einen Schritt voraus?!
Beide spielen unfair, denn wo Lestat heimlich Antoinette verwandelt, um einen Spion zu rekrutieren, nutzt Claudia Louis’ allzu berechenbare Schwäche für Lestat aus. Sie lässt ihn gerade genug wissen, damit er ihr in die Hände spielt, und lädt dann das ganze emotionale Gewicht dieser Tat auf ihm ab. Ich weiß zu wenig über gewalttätige Beziehungen, könnte mir aber vorstellen, dass es zuerst vielleicht befreiend, auf lange Sicht aber extrem traumatisch ist, dass sie den finalen Streich Louis überlässt.
Dann wiederum: Wie viel von dem Erzählten ist wirklich so passiert? Daniel spricht nur die offensichtlichste Lüge an, dass es in Wirklichkeit allein seine Entscheidung war, Lestats vermeintliche Leiche nicht zu verbrennen – und so eine Hintertür für ihn offen zu lassen. Ist das der Grund, wieso Claudia in der Gegenwart mutmaßlich nicht mehr lebt? Spinnt er sich deshalb eine Geschichte zurecht, die ihn von jeder Schuld freispricht? Kein Wunder, dass Daniel frustriert ist, er wird nur benutzt!
Ist Lestat wirklich der Bösewicht hier?
Es ist gut, dass man nicht auf die Idee verfiel, Lestat kurz vor seinem Ende plötzlich sympathischer zu machen. Claudia und wir Zuschauer zweifeln nie, dass sie das Richtige tut und Louis befreit. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Lestat dieses Ränkespiel irgendwie genossen hat, weil er davon ausging, dass er als Sieger daraus hervorgeht. Doch auch hier lässt „The Thing lay still“ Zweifel an Louis’ Erzählung aufkeimen, die Lestat als oberflächlich und dekadent charakterisieren.
Vieles von dem, was bei dem Fest passiert, kann man so lesen, dass zwei Pläne aufeinanderprallen. Lestat weiß, dass Claudia und Louis etwas planen, daher seine gesteigerte Aufmerksamkeit. Doch wenn man ihn aufmerksam beobachtet, umgibt ihn die ganze Zeit eine subtile Traurigkeit. Am offensichtlichsten ist das in der Szene auf dem Balkon, kurz vorm finalen Tanz. Lestat sagt zu Louis, dass er New Orleans vermissen wird, doch was er in Wirklichkeit sagt, ist, dass er Louis vermissen wird. Gefühlt ist das das erste Mal, dass Louis Lestat als menschlich beschreibt.
„I have loved you with all myself. I’m happy it was you, here with me.“
Louis hat kein Händchen für Beziehungen
Die Enthüllung, dass Rashid ein Vampir ist, kam nach letzter Woche nicht mehr allzu überraschend. Aber ich bin sicher nicht die Einzige, der das Popcorn aus dem Gesicht fiel, als er sich als Armand zu erkennen gab, oder? War es naheliegend? Vielleicht, aber da die Idee, dass er ein Vampir ist, so spät in mein Hirn gepflanzt wurde, hatte ich keine Zeit, länger darüber nachzudenken. In dem Punkt versucht die Serie eindeutig etwas Eigenes, und ich bin sehr, sehr gespannt, wohin das führt.
Einige Details sind schon jetzt äußerst interessant. Zum einen erfahren wir, dass Sonnenlicht für Vampire weniger gefährlich wird, je älter sie werden. Ich stehe dennoch zu meinem Eindruck, dass man Rashid/Armand in den Folgen zuvor niemals in der vollen Sonne hat stehen sehen, erst in dieser. Und über „why does a 200-pound bouncer pass out after he sucks him off, and you, a wet T-shirt away from 130, doesn’t even blink?“ habe ich so lachen müssen, denn wenn ihr euch erinnert, das hatte mich ebenfalls irritiert.
Dann kommt Louis mit seinem „Daniel Molloy, I’d like you to meet the vampire Armand, the love of my life“, und wir alle nur so: Whaaaat? So viel auch zum Thema unzuverlässiger Erzähler, sieben Folgen lang hat er uns erklärt, wie sehr er Lestat liebt. Geht es nur mir so oder zeigt Louis ein bedenkliches Beziehungsschema? Lestats Liebe war chaotisch im Vergleich, aber die Art, wie Armand erklärt, dass er Louis vor sich selbst schützt, strahlt dieselbe besitzergreifende Bevormundung aus.
Die beste Vampir-Serie seit Jahren
Ich glaube, ich muss nicht mehr extra betonen, wie sehr ich diese Staffel genossen habe. Das Vampir-Genre hat einige tiefe Abgründe gesehen, vor allem während jener Phase, als so ziemlich jedes phantastische Genre mit Teenie-Drama verquarkt wurde. „Interview with the Vampire“ rückt hier einiges gerade. Nicht nur ist das eine durch und durch erwachsene Geschichte, sie erlaubt den Figuren auch eine facettenreiche (und widersprüchliche) Persönlichkeit. Es gibt kein Gut oder Böse, sondern nur viele Abstufungen dazwischen.
Ganz abgesehen von den Schauspielern, zu denen mir langsam keine Superlative mehr einfallen, zeigt die ganze Produktion ein Niveau, wie es selten geworden ist. Die Ausstattung ist umwerfend, sie macht Zeit und Ort wirklich greifbar. Die Kostüme zeigen dazu eine beeindruckende Liebe zum Detail und führen uns fast unmerklich durch verschiedene Epochen. Hach, und die Musik von Daniel Hart! ♥️ Buchkenner sind immer schnell mit Vergleichen, doch ich habe die Abweichungen mittlerweile wirklich zu schätzen gelernt und bin gespannt, was sie sich für die nächste Staffel einfallen lassen.
Auch deshalb, weil ich ehrlich zugeben muss, dass ich den ganzen Part in Paris zumindest beim alten Kinofilm unfassbar öde fand. Wie eng man damals an der Romanvorlage war, kann ich nicht sagen, weil ich mich daran tatsächlich nicht erinnern kann und bei der aktuellen Lektüre lustigerweise auch erst am Punkt dieses Staffelfinales bin. Auf jeden Fall hoffe ich, dass wir nicht allzu lange ohne Lestat auskommen müssen und vielleicht sogar endlich seine Version der Ereignisse hören?
The Note lay still
• Die Zwillinge waren allerdings tatsächlich ein Wink an den Roman. Und da war Lestat wesentlich weniger misstrauisch.
5 von 5 vergifteten Bananen.
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