Doctor Who | Heaven sent (9×11)

„It’s funny. The day you lose someone isn’t the worst. At least you have something to do. It’s all the days they stay dead.“ Der Doctor landet in einer scheinbar verlassenen Burg, wird aber schon bald von einer verhüllten Kreatur angegriffen. Warnung vor Spoilern und sehr umfangreichen Überlegungen zum Thema Trauerbewältigung und Zeit!

Der Doctor wird per Teleporter in eine verlassene Burg transportiert, in der er von einer Kreatur gejagt wird, die ihn nur in Ruhe lässt, wenn er Geheimnisse gesteht. Dann, und nur dann bewegen sich die verschiedenen Ringe, aus denen die Burg besteht, was ihm erlaubt, mehr und mehr Räume zu erforschen, bis er Raum 12 findet, wo ihn schließlich nur noch eine schier undurchdringliche Wand von der Freiheit trennt. Schließlich aber erkennt er, dass er sich in einer geschlossenen Energieschleife befindet und seine eigene Energie nutzen kann, um eine neue Kopie seiner selbst aus dem Teleporter zu holen, um so nach und nach die Wand mit bloßen Händen zu zerstören.

Es ist nachgerade unmöglich, die Handlung dieser Folge zusammenzufassen, denn sie basiert einmal mehr auf der Idee einer Zeitschleife, die hier ins Extreme geführt wird und gleichzeitig als Metapher für den Trauerprozess des Doctors dient. „Heaven sent“ genial zu nennen, ist glatt eine Untertreibung, es ist meines Erachtens die wohl beste Folge, die ich je gesehen habe. Vor allem, da so eine Erzählung nur in einer langlebigen Serie wie „Doctor Who“ machbar ist, wo die Zuschauer ein gewisses Grundvertrauen haben, so dass surreale Experimente wie dieses möglich sind.

Bevor ich nun aber auf die Natur der Zeitschleife als solche eingehe, möchte ich gerne erklären, was ich mit der Metapher meine. Da der Doctor in dieser Folge ohne Companion auskommen muss, war es nötig, seinen Denkprozess irgendwie anders zu zeigen, und wie passend ist es da, dass es in seinem Kopf genauso aussieht wie in der TARDIS. Auch Clara ist noch immer dort, kaum greifbar, aber sie stellt noch immer die richtigen Fragen. Vor allem erklärt sie dem Doctor, dass er nicht der Erste ist, der jemanden verloren hat, dass es sich dabei um ein universelles Gefühl handelt, das nahezu jeder schon erlebt hat. Das Wichtigste ist, nicht aufzugeben, sondern den Schmerz zu nutzen, um weiterzumachen. Wäre der Doctor nicht an diesen Ort verbannt worden, wer weiß, was er getan hätte, vielleicht hätte er wirklich Rache an Ashildr geübt. Dass er in diese Zeitschleife gesteckt wird, ist einerseits ein Segen für ihn, weil sie ihn zwingt, sich mit seinem Verlust auseinanderzusetzen und seinen Schmerz in sinnvolle Bahnen zu lenken. Andererseits ist sie auch ein sehr treffendes Bild für den Trauerprozess, während dem man sich manchmal tatsächlich wie in einem nicht enden wollenden Kreis sich wiederholender Routinen fühlt. Es ist die vielleicht beste Darstellung von Trauer, die ich im Fernsehen je erlebt habe.

Applaus übrigens für jeden, der noch vor dem Doctor gemerkt hat, dass es sich um eine Zeitschleife handelt. Die Ironie ist, ich habe mir zu dieser Folge so viele Notizen gemacht wie seit langem nicht mehr, und darin sogar Ungereimtheiten wie die Wechselkleidung am Feuer oder die Schädel am Grund des Meers festgehalten – jedoch, ohne die richtigen Schlüsse zu ziehen. So war meine Überraschung also komplett, als er die Idee erklärt, sich mit dem Teleporter quasi selbst zu erneuern, was zwar in dem Punkt clever ist, weil er so wieder frisch und erholt startet, auf der anderen Seite aber jedes Mal einen Reset herbeiführt, so dass er das Rätsel immer wieder von vorn lösen muss. Einige Leute haben sich beklagt, dass er die Kreatur nicht erst woanders hinlockt, bevor er in Raum 12 geht und versucht, die Wand zu durchstoßen, doch die haben offenbar nicht verstanden, dass er immer wieder bei null anfängt und gerade erst verstanden hat, wie die Sache funktioniert. Freilich mag man einwenden, wenn alle Räume wieder in ihren Ursprungszustand versetzt werden, wieso passiert das dann nicht auch mit Raum 12, warum wird die Wand nach und nach ausgehöhlt? Am Ende muss man das wohl einfach als die Logik Moffats hinnehmen, der Raum ist quasi die Verbindung zur Außenwelt und funktioniert offenbar nach anderen Regeln.

Was mich an der ganzen Geschichte vielleicht am allermeisten berührt hat, ist die unfassbare Menge an Zeit, die der Doctor in seinem Gefängnis verbringt. Sicher, durch den Reset spürt er ihr Vergehen nicht, aber zwei Milliarden Jahre sind eben doch zwei Milliarden Jahre. Es ist ein wirklich weiter Weg, um nach Gallifrey zu kommen, was am Ende so überraschend kommt, dass es auf mich nicht den Effekt hatte, den es vermutlich haben sollte. Leider wurde auf dieses Finale so gar nicht hingearbeitet, ich hatte nie das Gefühl, dass der Doctor wirklich nach seinem Heimatplaneten sucht, und insofern hat das nicht einmal den Beigeschmack von Belohnung. Schade, denn daraus hätte man bestimmt mehr machen können. Dasselbe trifft eigentlich auch auf den Hybrid zu, der im Laufe der Staffel immer wieder erwähnt wurde, ohne wahrhaftig eine Richtung vorzugeben. Als Zuschauer hatten wir praktisch keine Chance, uns eigene Gedanken dazu zu machen, weil die Informationen so spärlich waren. Und jetzt soll der Doctor selbst der Hybrid sein?! (Oder meinte er gar nicht „me“, sondern Me, also Ashildr? Fragen über Fragen.)

Ein letztes Wort des Lobes für Peter Capaldi. Ich denke, es wäre in jeder Serie ein gewaltiges Risiko, eine Folge komplett auf eine Figur zu konzentrieren, doch „Doctor Who“ hat hier das ganz große Glück, einen absolut großartigen Hauptdarsteller zu haben. Capaldi hat den Großteil der Folge kein Gegenüber, mit dem er arbeiten kann, er muss sein Innerstes nach außen tragen, und das gelingt ihm in einigen Szenen geradezu beängstigend gut.

Note sent. „It’s a killer puzzle box designed to scare me to death, and I’m trapped inside it. Must be Christmas.“ Wenngleich ich finde, dass die Logik der Zeitschleife herausragend funktioniert, finde ich den Hinweis mit dem BIRD sehr weit hergeholt, ich hab auch erst später verstanden, dass damit sein beharrliches Picken an der Wand gemeint ist. Interessant aber, dass an der Wand HOME steht und es sofort an die TARDIS denkt, nicht an Gallifrey. Großes Lob auch für den Soundtrack dieser Folge, er klang stellenweise geradezu klassisch und gar nicht typisch „Doctor Who“.

5 von 5 Bananen in der Zeitschleife.

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