Star Trek: Picard | The impossible Box (1×06)

„After all these years, you’re showing what the Borg are, underneath. They’re victims. Not monsters.“

Picard besucht den Borg-Kubus der Romulaner. Soji kommt der Wahrheit über sich immer näher. Spoiler!

You’re not real, you never were

Die La Sirena erreicht den Beta-Quadranten, und Picard hält es für das Beste, sich mit der Wahrheit Zugang zum Artefakt zu verschaffen. Nachdem Raffi ihm einen Diplomatenstatus von der Sternenflotte besorgt hat, beamt er zum Borg-Kubus und trifft dort Hugh wieder. Der ist nicht wirklich überrascht, als ihm Picard eröffnet, dass Soji in Schwierigkeiten ist. Die wiederum versucht gerade unter Nareks Anleitung, einen wiederkehrenden Traum zu entschlüsseln. Narek hofft, auf diese Weise zu erfahren, wo ihre Heimatwelt ist.

Es kommt Bewegung in die Story

Gleich, nachdem ich die Folge gesehen hatte, schrieb ich meinem Vater, wie beeindruckend ich es fände, dass sich die Serie immer noch Folge um Folge zu steigern scheint. Und das muss man ihr trotz kleiner Schwächen wirklich zugestehen, die jeweils 45 Minuten vergehen wie im Flug, der Abspann kommt für mich meist völlig überraschend. „The impossible Box“ nun markiert endlich das Zusammentreffen von Picard und Soji. Zuvor allerdings widmen wir uns einem der spannendsten Themen überhaupt: Picards niemals ganz überwundenen Trauma seiner Zeit als Borg.

„A new name can be the first step to a new identity. I learned that on the Enterprise all those years ago. This is not a Borg cube anymore. It’s the Artifact. And you are Jean-Luc Picard, not Locutus. All that is long behind you.“

Ein unüberwindliches Trauma

Ich schrieb bereits, dass ich nie ein allzu großer Fan der Borg war. Für meinen Geschmack haben sie viel zu schnell den bedrohlichen Charakter verloren, den sie noch zu Zeiten von „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“ hatten. Die Hauptfigur einer Serie in einen der Feinde zu verwandeln, war damals jedenfalls ein bemerkenswerter Schritt. Immerhin konnten wir Zuschauer bis zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen, dass bei „Star Trek“ immer die Guten gewinnen. Auf einen Schlag aber war diese Gewissheit dahin. So gesehen waren „In den Händen der Borg“ und „Angriffsziel Erde“ wegweisend für „Star Trek“ und das Genre.

Das Trauma, das Picard dadurch erlitten hat, dass ihm seine Identität und Individualität geraubt wurde, war fortan unterschwellig immer da und tauchte nur gelegentlich an die Oberfläche. „The impossible Box“ aber macht deutlich, dass es auch künftig immer da sein wird. Die Widersprüchlichkeit in Picards Reaktionen ist in meinen Augen deshalb auch kein Versehen der Autoren, sondern bewusst so inszeniert. Für ihn ist letzten Endes nämlich beides wahr: dass die Borg ein Krebsgeschwür sind, wie er es Dr. Jurati gegenüber sagt – und Opfer, wie er nach Hughs Führung durch das „Reclamation Project“ bemerkt.

Die menschliche Natur

Das Spannende ist, dass sich Picard und Soji in dieser Hinsicht sehr ähnlich sind. Picard kämpft darum, sich von den Erinnerungen seiner Zeit als Borg zu lösen. Soji hingegen will die Wahrheit unter den offensichtlich falschen Erinnerungen zutage fördern. Gemeinsam ist beiden, dass sie um ihre Menschlichkeit bangen. Was in gewisser Weise sogar den Kreis schließt, denn Data, Sojis „Vater“, wollte immer nur eines: menschlich sein.

Dass Soji dabei ausgerechnet Narek in die Hände fallen musste, ist Glück und Unglück in einem. Denn er hilft ihr zwar, ihren wiederkehrenden Traum zu entschlüsseln und ihrer wahren Natur somit einen großen Schritt näherzukommen. Aber er tut das nicht ihr zuliebe, sondern um sie und ihresgleichen auszurotten. Bei all dem bleibt Narek auch weiterhin undurchschaubar. Liebt er Soji? Als er sie zu töten versucht, kann er seine Trauer jedenfalls nicht verbergen. Dennoch macht er weiter, ob aus Angst vor seiner Schwester oder weil er von der Sache trotz allem überzeugt ist, können wir bestenfalls spekulieren.

„Every piece of synthetic design serves a purpose. Why give her dreams? Why give her nightmares? It’s a malfunction, a bug.“

Die undurchschaubare Dr. Jurati

Eine der eingangs schon erwähnten Schwächen ist meiner Meinung nach der Umgang mit der Figur von Agnes Jurati. Es ist einfach nicht glaubwürdig, dass ihr Mord an Maddox unentdeckt bleibt, denn wenn schon nicht das Hologramm alles beobachtet hat, so müssen doch wenigstens die Instrumente aufgezeichnet haben, dass seine Lebenserhaltung abgeschaltet wurde. Ich würde es maximal noch akzeptieren, dass sie als Expertin für künstliche Intelligenz dazu in der Lage ist, die Aufzeichnungen zu manipulieren. Doch selbst dann verlangt erzählerische Konvention, dass uns das zumindest gezeigt wird.

Das zweite, womit ich nicht recht einverstanden bin, ist ihr Techtelmechtel mit Captain Rios. Hat das irgendeine tiefere Bewandtnis, die mir einfach entgeht? Oder haben die Autoren nur geguckt, wer so auf dem Schiff ist und miteinander schlafen könnte, weil es eben gerade passt? Ich hoffe sehr, dass das noch zu irgendetwas führt, weil es sonst ein ziemlich erschreckendes Beispiel für lahmes Schreiben ist. (Und das konnte man den Autoren dieser Serie bisher nun wirklich nicht vorwerfen.)

The impossible Notes

• Das mit den Namen der Romulaner fand ich extrem faszinierend: einer für draußen, einer für die Familie, und ein wahrer, den nur der oder die Liebste erfährt.
• Ich habe das Gefühl, dass Elnor der Einzige ist, der merkt, dass mit Jurati irgendwas nicht stimmt. „He can’t see you’re also haunted by something you’d like to forget“, sagt er zu ihr.
• Frage: Mit wem telefoniert Soji jeden Abend für 70 Sekunden, wenn doch ihre „Mutter“ eine KI ist, die in ihr selbst steckt?
Laut Jonathan Del Arco stand die Umarmung von Hugh und Picard nicht im Drehbuch. Ich muss gestehen, bei der Szene kamen mir die Tränen, weil die Begrüßung so bedingungslos herzlich ist.
• Okay, Elnor überlebt das alles, oder? Warum sonst den Aufwand betreiben, ihn an Bord zu kriegen, wenn er zwei Folgen später stirbt?

4 ½ von 5 Bananen mit PTSD.

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