ZSSD | Review: Ghost of Tsushima – Jeder Screenshot ein Gemälde

“The strength we need is all around us. The mighty fall at last. To be no more than dust before the wind.“

Worum geht es?

Das eben erst im Juli 2020 rein für die Playstation 4 erschienene Third Person Spiel Ghost of Tsushima des Entwicklers Sucker Punch Productions folgt dem Samurai Jin Sakai durch das feudale Japan von 1274. Das mongolische Imperium versucht, über die Insel Tsushima nach Japan einzufallen, und, nach dem Ausgang der ersten Schlacht zu urteilen, kann dieses Vorhaben auch gelingen. Jin selbst ist einer der sehr wenigen Überlebenden dieses ersten Kampfes, und er hat am eigenen Leib die Übermacht der mongolischen Armee unter Khotun Khan erlebt. Nur knapp überlebt er und muss mitansehen, wie seine Freunde und Verwandten ermordet und verschleppt werden.
Seine Heimat leidet fortan unter den neuen Besetzern, die rauben, plündern und morden, während er selbst sich erst einmal verstecken und nach Verbündeten suchen muss. Denn natürlich kann er seine Insel nicht kampflos aufgeben.
Doch der traditionelle Kampfstil der Samurai, mit Ehre seinem Gegner gegenüberzutreten und ihn im offenen Kampf zu besiegen, bringt ihn diesem Ziel nicht näher. Auch wenn es ihm und allem, was er seit Kindheit an gelernt hat, zutiefst zuwider ist, er muss sich die Techniken der Diebe und Meuchelmörder aneignen, die sich in der Dunkelheit anschleichen und hinterrücks angreifen. Es setzt ihm zuerst ziemlich zu, sich derart ehrlos zu verhalten, auch wenn er nach und nach die Vorteile erkennt. Immerhin sieht er sich allein einer ganzen Armee gegenüber, die er besiegen soll. Und das ist eben nur möglich, wenn er zum Geist wird. Zum titelgebenden Geist von Tsushima.

Wie ist es?

Ghost of Tsushima bedient sich offen an einigen Spielen desselben Genres. Allen voran an der Assassin’s Creed-Reihe, in der ebenfalls ein Held sich gegen eine gegnerische Übermacht zur Wehr setzen muss, indem er aus dem Geheimen heraus meuchelt und die Reihen seiner Feinde lichtet. Tatsächlich haben sich Fans der Reihe schon lange einen Teil gewünscht, der in Japan spielt – der Entwickler Ubisoft versorgt sie stattdessen dieses Jahr noch mit einem recht gleichförmig wirkenden Ableger, der sich um Wikinger dreht. Sucker Punch springt da in eine Bresche, und es scheint, als würden es die Spieler ihnen danken.

Doch darüber hinaus ist Ghost of Tsushima auch so wunderschön anzuschauen, mit weiten Graslandschaften, wogenden Bambuswäldern und Ginkgo- und Ahornhainen in Safrangelb und leuchtendem Rot. Zusätzlich begeistert das Spiel grafisch durch grandiose Wetterdarstellungen, rotgoldene Sonnenuntergänge und Gewitterstürme, die stark an die Welt von The Witcher 3 erinnern. Auch die Samurairüstungen, die sich Jin Stück für Stück erarbeitet, strotzen vor Details.
Insgesamt behandelt Ghost of Tsushima die Welt des historischen Japans trotz einiger künstlerischer Freiheiten mit aller Liebe, die man diesem Thema angedeihen lassen kann. So gibt es eine japanische Tonspur mit namhaften Synchronsprechern, und auch das gesprochene Japanisch entspricht der damaligen Zeit und nutzt archaischere Vokabeln als das moderne. Jin besucht heiße Quellen, spielt Flöte und rezitiert Haiku, die der Spieler in einer Art Multiple-Choice-System selbst zusammenstellen kann. Er besucht Schreine und folgt japanischen Volkssagen auf der Spur nach mystischen Waffen.

Und wäre das noch nicht genug, lässt sich das Spiel auch in einem sogenannten Kurosawa-Modus spielen. Für alle Nicht-Fans des japanischen Kinos der Fünfziger und Sechziger sei erklärt, dass Akira Kurosawa ein beinahe legendärer Regisseur war, dem wir Samurai -Filmperlen wie „Die Sieben Samurai“ verdanken. Quasi ein Markenzeichen von diesen war das Filmen in Schwarz-Weiß, mit deutlicher Körnung, Kratzern und der dumpfen Tonspur des alten Filmmaterials. All das lässt sich im Kurosawa-Modus über das Spiel legen. In vielen Szenen wirkt es dann wie in den Originalen des Regisseurs – ein sehr liebevolles Gimmick für Fans.

Perfekt ist Ghost of Tsushima nicht, aber ziemlich nah dran. Die Stimmung ist wunderschön, die Geschichten sind anrührend und der Soundtrack atmosphärisch. Meines Wissens nach ist es eines der sehr wenigen Samurai-Spiele, das (fast komplett) ohne Fantasy-Elemente auskommt, und das nicht bei jedem Kampf das Bild mit grellbunten Blitzen und Grafiken und Schriftzügen aus der Popkultur-Retorte überlagert. Es ist kein sogenannter „Button-Smasher“, bei dem man minutenlang auf einen Gegner einhackt – im Gegenteil. Recht realistisch kann ein einziger perfekter Katana-Schlag einen Gegner töten. Umso präziser muss Jin seine Kämpfe choreografieren – auch das ist sehr schön anzuschauen.
Man merkt dem Spiel an, wie sehr die Entwickler es richtig machen wollten. Wie liebevoll und vielfältig sie ihr feudales Japan gestaltet haben, sodass es eine wahre Freude ist, sie zu erkunden – und das nicht nur für erklärte Japan-Fans wie ich einer bin.

Was kommt danach?

Das Spiel ist eben erst erschienen, daher gibt es keine Gerüchte über einen Nachfolger. Die wunderschöne, hingebungsvoll detailreich gestaltete Aufmachung und die mitreißend erzählte Geschichte lässt aber definitiv hoffen, dass uns Sucker Punch irgendwann einmal wieder ins feudale Japan entführen wird. Vielleicht mit einem neuen Hauptcharakter? Es gibt Nebenfiguren, die sich hervorragend als Titelhelden für ein Spin Off eignen würden.
Da Ende des Jahres die neue Konsolengeneration erscheint, gibt es Spekulationen, dass sich Ghost of Tsushima auch auf der Playstation 5 spielen lassen wird – vielleicht mit noch aufpolierterer Grafik und ein, zwei zusätzlichen Gimmicks oder gar Nebenmissionen? Doch bislang ist auch das nur Wunschdenken.