Bücherstapel | Brandon Q. Morris „Die Störung“

„Universen haben die unangenehme Tendenz, sich übermäßig aufzublähen. Ihrem eigenen Universum ist das kurz nach dem Urknall passiert. Was, wenn die Dunkle Energie in dieser Störung plötzlich durchdreht und binnen Sekunden einen vielleicht fußballgroßen Raum auf die Dimensionen des Sonnensystems aufbläst?“

Blick in die Vergangenheit mit Folgen

Das Jahr 2094. Die drei Astronauten Aaron, Benjamin, Christine und David sind seit zwanzig Jahren im All unterwegs. Mithilfe spezieller Sonden und einer Solaren Gravitationslinse wollen sie Bilder vom Ursprung des Universums machen und so den Urknall selbst beobachten. Doch als die Männer mit ihren Kapseln von einem Einsatz zum Mutterschiff zurückkehren, ist Christines Kapsel und auch ein Teil des Mutterschiffs zerstört. Während sie herauszufinden versuchen, was Christines verdächtig nach einem Selbstmord aussehenden Tod verursacht hat, entdecken sie in ihrer Kapsel eine seltsame „Störung“. Offenbar löst sich die Materie zusehends in ihre Atome auf. Und wer ist eigentlich Eric, der anstelle von David plötzlich an ihrer Seite arbeitet?

Was das Universum im Innersten zusammenhält

„Die Störung“ beginnt subtil. Anfangs klingt alles nach einem geradlinigen Weltraumabenteuer, bei dem einige Forscher Dinge tun, die Forscher eben so tun, während sie kluge Gespräche über den Ursprung des Universums führen. Als Leser wundert man sich höchstens milde darüber, warum die zwei offensichtlich parallel laufenden Handlungen einmal im Jahre 2079 und einmal im Jahre 2094 spielen. Keine Sorge, auch den Protagonisten fällt das irgendwann auf. Dann kommt Christine um und die ganze Sache scheint sich in Richtung eines klassischen Weltraumunglücks zu entwickeln.

Aber eigentlich ist alles ganz anders, und ehe man sich versieht, geht es um nichts Geringeres als die Zusammensetzung des Universums, die sich direkt vor unseren Augen zu verändern scheint. Das ist streckenweise so spannend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen mag. Es kommt zu immer neuen Wendungen und Erkenntnissen, die vor allem deshalb so faszinierend sind, weil Morris Physiker ist und sich ganz dem zumindest theoretisch Möglichen verschrieben hat. Dabei legt er viel Wert darauf, die Zusammenhänge auch für Laien verständlich zu erklären. (Und wer sich für Quantenmechanik interessiert, wird sich über das Essay freuen, das den Roman abschließt. Mich persönlich hat das nach etwa der Hälfte leider verloren, die Thematik ist mir doch zu hoch.)

Dass mich „Die Störung“ nicht restlos überzeugen konnte, liegt vor allem an meinem Eindruck, dass der Autor nur einen gewissen Teil der Geschichte erzählen wollte, einen Auszug quasi. Das Ende kam für mich jedenfalls völlig überraschend, als ich noch mit mindestens fünf Kapiteln rechnete. (Das lag auch daran, dass ich nichts von dem nachfolgenden Essay wusste.) Die Gottesfrage und ihre möglichen Konsequenzen werden vollmundig in den Raum geworfen, spielen als Auslöser sogar eine recht wichtige Rolle, werden letztendlich aber nur ausweichend beantwortet. Ob es nötig war, sie überhaupt ins Spiel zu bringen, könnte man diskutieren. Auch den Figuren fehlt eine gewisse Tiefe, was man allerdings auch einem gewissen Plotelement zuschreiben könnte, das ich hier nicht spoilern will.

Allen, die mit Hard Science-Fiction etwas anfangen können und keine galaktischen Bösewichter oder Weltraumschlachten brauchen, um sich unterhalten zu fühlen, sei „Die Störung“ wärmstens ans Herz gelegt. Auch für mich wird es sicher nicht das letzte Buch von Morris gewesen sein, eines habe ich sogar schon auf meiner Liste. Dass einige Ideen kaum oder gar nicht genutzt werden, ist dennoch schade und gibt leider einen Punkt Abzug.

4 von 5 Bananen, die schon gegessen sind, bevor sie überhaupt geschält wurden.