Die Balkon-Chroniken | Teil 3: Aussaat

Der April war durchwachsen und im statistischen Mittel dieses Jahr zu kalt. Bei einigen meiner Pflanzen war das leider deutlich spürbar, denn sie wuchsen langsamer als erwartet. Nun lautet die große Frage: Wann kommen die Eisheiligen und wie schlimm werden sie?

Eigentlich habe ich mir über das Wetter nie allzu große Gedanken gemacht. Dieses Jahr ist das anders, denn jeden sonnigen Tag, jede frostige Nacht bewerte ich nun aus Sicht meiner Balkonpflanzen. Die gute Nachricht ist: Die Natur ist hart im Nehmen. Und wenn eine Pflanze im April ausgesät werden kann, kann man davon ausgehen, dass Minusgrade sie nicht sofort umbringen.

Aussaat im großen Stil

Die größte Überraschung war, für wie viele Pflanzen der Monat April den Startschuss bildet. Aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen mit einzelnen Sämereien war ich davon ausgegangen, dass der Großteil erst Mitte Mai, also nach den Eisheiligen fällig ist. Oh, welch Trugschluss! Fast alles, was ich mir vorgenommen hatte, konnte bereits im April ausgesät werden, und ich nutzte dafür das Osterwochenende, das ich dieses Jahr leider sowieso allein verbringen musste.

Konkret war das:
• Pflücksalat (Lollo bionda & Lollo rosso)
• Mangold (Mischung Bright Lights)
• Zuckererbse (Zuccola)
• Kohlrabi (Blusta)
• Salatrauke (Speedy)
• Asiasalat (Mischung mit Green Boy, Mizuna Early, Red Giant und Tatsoi)
• Radieschen (Korund)
• sowie die Kräuter Thymian, Dill, Kerbel, Majoran und Petersilie

Da es mir wichtig ist, über den gesamten Sommer und Herbst hinweg ernten zu können, werde ich einiges sicherlich mehrfach aussäen. Eine zweite Ladung Radieschen habe ich zum Beispiel schon zwei Wochen später ausgebracht und werde künftig vielleicht auch Lücken zwischen anderen Pflanzen dafür nutzen. (Radieschen sind Schwachzehrer und brauchen verhältnismäßig wenig Platz, daher sind sie generell ideal für die Balkonzucht.) Den Kohlrabi ziehe ich in Einzeltöpfen und habe bisher drei Stück im Abstand von jeweils zehn Tagen ausgesät. Auch Kräuter eignen sich hervorragend als Beipflanzen: Kerbel beispielsweise vertreibt durch seinen speziellen Duft Blattläuse, Minze hält den Kohlweißling fern, dessen Raupen sämtliche Kohlsorten angreifen.

Die unerreichte Kunst der Vorzucht

Ich schrieb eingangs, die Natur ist hart im Nehmen. Das trifft aber leider nicht auf Pflanzen in der Wohnung zu. (Und nein, ich spiele nicht auf das Meme mit den Zimmerpflanzen an, die eingehen, weil das Gießwasser ein halbes Grad zu kalt ist.) Die Vorzucht auf der Fensterbank ist bei weitem nicht so einfach, wie ich mir das vorgestellt habe. Eine Erklärung für meine Misserfolge habe ich nicht, vielleicht wäre es einfach besser gewesen, die entsprechenden Kandidaten ab Mai doch direkt im Freiland zu säen.

Von der Topfbaumwolle keimten jedenfalls nur die Hälfte der Samen. Die Keimblätter vertrockneten dann teilweise schon, bevor erst jetzt doch noch die ersten richtigen Blätter kommen. Von der Nachsaat sind erneut nur zwei Drittel gekeimt. Auch der Zimt-Basilikum kommt nur spärlich, einige Keimlinge kippen beim (zaghaften!) Gießen auch um und richten sich anschließend nicht mehr auf, sind also viel zu schwach. Die Zitronenmelisse habe ich zweimal (!) nachgesät, bis das Tütchen leer war, trotzdem habe ich nur lächerliche vier Pflänzchen. Und die Passionsblume werde ich wohl ganz abhaken, denn von der Erstsaat keimte gar nichts, und bei der Zweitsaat tut sich bislang auch nichts.

April kalt und nass füllt Scheuer und Fass

Zum Glück wachsen die Pflanzen draußen ganz solide, sonst wäre ich wohl enttäuschter. Trotzdem ist offensichtlich, dass es für die meisten von ihnen aktuell schlicht zu kalt ist. Am auffälligsten ist das für mich bei den Radieschen, die einen Monat nach der Aussaat bereits erntefertig sein sollten. Davon sind sie aber weit entfernt. Die Salatrauke ist ebenfalls etwas schwerfällig, und die Tatsache, dass ich den Winterportulak gerade zum ersten Mal geerntet habe, obwohl er ab April normalerweise schon Blüten bildet, sagt eigentlich alles. Meine Hoffnung ist, dass der Mai dafür jetzt so richtig aufdreht und auf meinem Balkon alles regelrecht explodiert.

Wie geht es weiter?

Das bringt mich zu meinen Plänen für den Wonnemonat. Es stehen nur noch drei Pflanzen aus, zwei davon sind aber mit die wichtigsten. Zum einen sind das die Einlegegurken, die realistisch betrachtet der Auslöser für das gesamte Projekt waren. Außerdem die Prunkbohnen, für die ich das Rankgitter schon aufgebaut habe. Möglicherweise werde ich schauen, dass ich noch Bohnenkraut kriege, das als Beipflanze angeblich den Geschmack verstärkt. Und schließlich die Nachzüglerin unter den Kräutern: die Pfefferminze.

Das größte Hindernis sind dabei die Eisheiligen. Sie sind eine der wenigen Konstanten im Bauernkalender, die ich schon kannte, bevor ich anfing, mich mit dem Selbstversorger-Balkon zu beschäftigen. Das Problem ist, dass sie selten genau auf die Tage fallen, die ihnen zugeschrieben werden, nämlich 11. bis 15. Mai. Das ist eher ein Richtwert, auch wenn die Wettervorhersage aktuell von drei Tagen mit einstelligen Temperaturen in diesem Zeitraum ausgeht. Letzten Endes muss man sich da auf sein Gefühl verlassen. Der Vorteil eines Balkons gegenüber einem Garden ist, dass man einen Kasten oder Kübel zur Not auch mal über Nacht in die Wohnung holen kann.

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