Star Trek: Picard | The Star Gazer (2×01)

„You’ve been talking a lot about second chances. Well, my friend, welcome to the very end of the road not taken.“

Im All öffnet sich eine mysteriöse Anomalie, durch die eine Botschaft kommt, die sich explizit an Picard richtet. Spoiler!

The problem isn’t time, it’s you

Anderthalb Jahre sind seit den Geschehnissen in der Coppelius Station vergangen. Picard kümmert sich wieder um sein Weingut auf der Erde, während Soji und die anderen Androiden eine Kennenlern-Tour durch die Galaxis machen. Rios hat einen Posten bei der Sternenflotte bekommen und kommandiert die neue Stargazer, das erste Schiff, das Technologie aus dem Borg-Artefakt nutzt. Dabei stößt er auf eine gewaltige Anomalie, die nur eine Bitte überträgt: „Help us, Picard.“ Der Admiral wird zur Stargazer gebracht, woraufhin ein Schiff der Borg aus der Anomalie auftaucht und seine Königin für „Verhandlungen“ schickt.

Viele spannende Ansätze

Ist es seltsam, dass ich auch zum Start der zweiten Runde fürchtete, dass sich das Ganze als furchtbar herausstellen würde? Vielleicht, weil ich die erste Staffel „Star Trek: Picard“ trotz ihrer Fehler wirklich mochte, vielleicht, weil „Star Trek: Discovery“ gerade zum größten Schwachsinn mutiert. Doch „The Star Gazer“ ist zu großen Teilen sehr gelungen, die erste halbe Stunde vergeht wie im Flug und wirft viele interessante Fragen auf, die in dieser Staffel eine Rolle spielen werden. Nur könnte bitte, bitte endlich mal jemand den Serienmachern sagen, dass sie aufhören sollen, eine Szene vom Ende der Folge als „cold open“ zu nutzen?

„We often refer to space as the final frontier. But the older I get, the more I’ve come to believe that the true final frontier is time. In command, as in life, what we do in crisis often weighs upon us less heavily than what we wish we had done. What could have been. Time offers many opportunities but it rarely offers second chances.“

Alte Fehler und zweite Chancen

Das Wiedersehen mit Q war nach dem Trailer keine Überraschung mehr, und ich will ehrlich sein, er ist der einzige Grund, warum ich derzeit noch etwas verhalten bin. Q war niemals eine Lieblingsfigur von mir, tatsächlich fand ich ihn nach einer gewissen Zeit einfach nur noch nervig. Aber selbst ich will nicht das Potenzial seiner Rückkehr leugnen, zumal man sich hier offenbar auf zwei der besseren Storys stützen will. Das ist zum einen die Pilotfolge von „Star Trek: Das nächste Jahrhundert“, in der Picard damals stellvertretend für die Verbrechen der Menschheit vor Gericht gestellt wurde. Zum anderen scheint auch „Tapestry“ referenziert zu werden, eine Folge, in der Picard von Q die Chance bekam, einen vermeintlichen Fehler seiner Vergangenheit zu korrigieren, und dadurch erkennt, dass es gerade die Fehler sind, die ihn geformt haben.

Es geht um zweite Chancen, und das in mehr als einer Hinsicht. Denn nach der Zerstörung der Stargazer findet sich Picard am Ende der Folge offenbar in einem Paralleluniversum wieder, in dem einiges anders gelaufen ist. Nicht nur für ihn persönlich, sondern auch militärisch, wie die abweichenden Uniformen und Badges andeuten. Da Q erklärt, dass das eben erwähnte Gerichtsverfahren nie mit einem Urteil endete, vermute ich, dass es Picards Aufgabe sein wird, in die Vergangenheit dieses Universums zu springen. Womöglich soll er durch die Richtigstellung der Dinge beweisen, dass die Menschheit wirklich so lernfähig und gut ist, wie er damals behauptet hat.

Pflicht oder Liebe?

Wie schon gesagt, zweite Chancen tauchen in dieser Folge an vielerlei Stellen auf. Da ist beispielsweise Picards Liebesleben, das faktisch nie existent war, weil er sich immer mit seiner Pflicht gegenüber der Sternenflotte herausgeredet hat. Ehrlicherweise weiß ich nicht, ob ich wirklich sehen will, wie sich Picard verliebt (auch wenn die Szene mit Laris vermuten lässt, dass es darauf hinauslaufen wird). Aber wir erhalten auch Einblicke in seine Kindheit, und vielleicht sind es ja gerade die Streitereien seiner Eltern, die ihn immer vor einer engen Bindung haben zurückschrecken lassen. Diese psychologische Komponente könnte wiederum ganz interessant sein.

Was den Rest der bekannten Figuren angeht, hängt der Haussegen wohl bei vielen schief. Raffi und Seven, zwischen denen sich im letzten Staffelfinale eine Beziehung schon andeutete, sind zwar zusammen, verbringen für Raffis Geschmack aber zu wenig Zeit miteinander. Ein anderer Reviewer formulierte so schön, sie stecken in der „Es ist kompliziert“-Phase. Jurati, die sich wider Erwarten doch für den Mord an Maddox verantworten musste, hat sich derweil von Rios getrennt. Ich wage aber die Prognose, dass das nicht von Dauer sein wird, zweite Chancen und so.

Rios: „What am I looking at?“
Lieutenant: „Spatial anomaly, captain. Minor tachyon levels but nothing critical. For the moment, it appears stable.“
Jurati: „The fabric of space-time rending does not really shout stability.“

Die neuen und verbesserten Borg

Bleiben noch die Borg, deren Part in der Story bisher am nebulösesten ist. Wo kam dieses Schiff her? Aus einer anderen Dimension? Aus derselben, in der Picard jetzt gelandet ist? Sie kannten ihn offensichtlich, und die Königin zitiert sogar das „look up“ seiner Mutter, was sich allerdings auch mit seiner früheren Assimilation erklären ließe. Wir wissen auch, dass die Borg in „unserer“ Dimension nur noch ein Schatten ihrer selbst sind, während diese Borg ausgesprochen mächtig wirken. Und darf ich sagen, wie genial ich das Aussehen der Königin finde? Diese komplett verhüllte Gestalt ist so viel einschüchternder als die zusammengestückelte Frau, die wir sonst immer hatten.

An dieser Stelle möchte ich kurz meine TheorieTM vorstellen. (Ich weiß, schon nach der ersten Folge der Staffel, ich bin selber schockiert!) Die schlaglichtartigen Szenen bei der Rückblende zu Picards Mutter waren so aus dem Zusammenhang gerissen, dass ich sie anfangs gar nicht für voll nehmen wollte. Doch was, wenn dieser Rückblick gar nicht in unserer Dimension spielte, sondern in der, in der Picard jetzt ist? Was, wenn wir da sehen, wie seine Mutter von den Borg entführt wird? Wahrscheinlich wird sich am Ende eine andere Erklärung finden, weil diese einfach zu offensichtlich ist, aber mein erster Gedanke beim „look up“ der Königin war, dass sie Picards assimilierte Mutter ist. Das würde auch erklären, warum sie ganz gezielt nach ihm fragt.

So aufregend all diese Spekulationen auch sind, empfand ich diesen Plot dennoch als den schwächsten der Folge. Alles, was auf der Stargazer passiert, bevor sie in die Luft fliegt, ist das reinste Chaos. Die eine Hälfte der Crew steht sprichwörtlich mit offenem Mund da, während die andere Hälfte wild um sich schießt. Und warum löst eigentlich Picard die Selbststörung aus? Soweit ich das verstanden habe, ist er in rein formeller Funktion dort, quasi als Botschafter. Müsste also nicht eigentlich Rios als Captain des Schiffes den Befehl geben?

The Notes Gazer

• Elnor ist jetzt Kadett an der Sternenflotten-Akademie, allerdings weiß ich nicht recht, wie das in seine Charakterentwicklung passt.
• Rios darf auf der Brücke Zigarre rauchen?! Was ist nur aus der Sternenflotte geworden?
• Seven ist weiterhin bei den Fenris-Rangern und fliegt jetzt die La Sirena. Rios’ Hologramme hat sie zu einem einzigen vereint (Emmet), das ausschließlich Spanisch spricht und sie therapieren will. Mein Highlight der Folge.

3 ½ von 5 Bananen, die zu den Sternen aufblicken.

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