Star Trek: Picard | Mercy (2×08)

„Dying stars burn brighter as they spin towards extinction. I, on the other hand, seem to be simply disappearing into nothing.“

Picard und Guinan befinden sich im Gewahrsam des FBI, während Seven und Raffi Jurati hinterherjagen. Spoiler!

They’re all trapped in the past

Agent Wells vom FBI, der als Kind einigen Vulkaniern begegnet ist, ist überzeugt davon, dass Picard und Guinan Aliens sind. Und er ist entschlossen, alles zu tun, um es auch zu beweisen. Raffi und Seven verfolgen unterdessen die Spur von Jurati, die offenbar Lithium aus Autobatterien konsumiert, um Nanosonden zu bilden. Die Zeit drängt, denn sobald sie genug hat, wird sie in der Lage sein, andere Menschen zu assimilieren. Derweil bemüht sich Rios, die La Sirena zu reparieren und den Borg-Code aus dem System zu entfernen.

Nicht erzählte Geschichten

Es ist fast ärgerlich, mit welcher Nonchalance „Mercy“ reihenweise gute Geschichten anreißt, nur um sie dann nicht zu erzählen. Vielleicht empfinde aber auch nur ich das so, weil ich in einem früheren Leben selbst Autorin war. Es ist eine Sache, etwas anzudeuten und der Fantasie des Zuschauers zu überlassen, aber eine gänzlich andere, eine komplette Staffel aus Andeutungen zu basteln. Ich jedenfalls bin immer ratloser, worum es hier eigentlich geht oder wie man aus diesem Chaos innerhalb von nur noch zwei Folgen wieder rauskommen will.

Guinan: „I knew you could kill each other, but otherwise, aren’t you …“
Q: „Immortal? So I believed. But now, for the first time as I look across the temporal horizon, it darkens. You think I’m dying. I prefer to believe that I am on the threshold of the unknowable.“

Die Wahrheit ist irgendwo da draußen

Beginnen wir mit dem, was ich mal ganz kühn als Hauptplot der Folge identifizieren möchte: Picards und Guinans Verhör beim FBI. Stellt sich raus, das Ganze ist nicht halb so offiziell, wie es letzte Woche noch den Anschein hatte, denn Agent Wells ist sozusagen das „Star Trek“-Pendant von Agent Mulder (ihr wisst schon, der aus „Akte X“). Inklusive persönlicher Motivation, weil er als kleiner Junge ein paar Vulkanier bei Forschungsarbeiten erwischt hat, die anschließend versucht haben, per Geistesverschmelzung seine Erinnerung zu löschen.

Ich meine, das ist eine reizvolle Geschichte. Ihr Problem ist, dass sie gar keine Chance hat, weil sie nur Mittel zum Zweck ist. Eigentlich noch nicht mal das, denn sofern Wells im Finale nicht noch eine Rolle spielt, wage ich die These, dass die Staffel auch ohne dieses Intermezzo funktioniert hätte. Abgesehen von der Information, dass Q „stirbt“, haben wir nicht daraus mitgenommen, und das hätte man gewiss auch anderswo unterbringen können.

Das Ende der Ewigkeit

Apropos Q, auch das ist eine potenzielle Geschichte, von der ich nicht mehr erwarte, dass sie uns noch erzählt wird. Ein Wesen, dessen ganze Existenz auf dem Glauben fußt, unsterblich zu sein, merkt, dass es stirbt? Shakespeare’sches Drama – hier allerdings auf eine Fußnote reduziert. Man hätte so viel aus dieser Figur machen können, aber bisher ist er doch eigentlich nur Stichwortgeber.

Ich las diese Theorie, dass wir tatsächlich zwei verschiedene Qs aus unterschiedlichen Zeitlinien sehen, die gegensätzliche Interessen verfolgen. Es ist allerdings vor allem der inkonsistenten Erzählung zu verdanken, dass ich das nicht mal ausschließen möchte. Zumindest wirken seine Handlungen teils widersprüchlich, und ich habe eigentlich von Anfang an nicht verstanden, warum er Picard daran hindern sollte, die Zeitlinie wieder gerade zu rücken.

„In her shoes, I’d want nothing except a connection. If you’ve felt it, it’s hard to think of anything except getting it back.“

Denke wie ein Borg

Wenn ihr übrigens wissen wollt, was der Auslöser war, warum ich überhaupt angefangen habe, über nicht erzählte Geschichten nachzudenken: Es war der Streit zwischen Seven und Raffi. Und nicht der Part, wo Seven ihr vorwirft, manipulativ zu sein, obwohl der den größten Raum einnimmt (inklusive random Flashback mit Elnor). Nein, es war dieser kleine Moment, wo Raffi sie drängt, sich in die Borg-Königin hineinzuversetzen, um zu erfahren, was Jurati als nächstes vorhat.

Nun hat „Star Trek“ nicht die allerbeste Reputation, was gleichgeschlechtliche Beziehungen angeht, insofern waren die Erwartungen bei dieser „Beziehung“ vielleicht ohnehin niedrig. Ich akzeptiere sogar, dass beide nicht der Typ sind, in der Öffentlichkeit herumzuknutschen, obwohl es schon Bände spricht, dass Rios von Teresa nach gefühlt fünf Minuten Bekanntschaft ein Küsschen kriegt. (Oder dass dieses seltsame „Date“ auf der La Sirena so unnötig viel Raum in der Folge einnimmt.)

Die Geschichte, die spannend gewesen wäre, ist genau dieser eine kleine Moment, der zeigt, dass Raffi nicht versteht, welch schwere Last das Borg-Erbe für Seven ist. Oder welch eine Befreiung es ist, keine Implantate zu haben, die sie jeden Tag, jede Minute an diese Zeit erinnern. Ich fand es auch äußerst interessant, dass sie bezüglich Jurati meint, dass sie mit „nur einer Person“ nichts gefühlt hat. Will denn wirklich niemand außer mir wissen, ob es Seven genauso geht? Ob sie sich vielleicht deshalb von allen abkapselt, weil sie fürchtet, dass sie in einer Beziehung nur einen Ersatz fürs Kollektiv sucht?

Weichenstellung für die Zukunft

Ironischerweise ist genau der Plot, der die wenigste Sendezeit beansprucht, der einzige, der die Story zumindest ein bisschen voranbewegt. Jurati nascht also von Autobatterien und macht sich dann auf den Weg zu Adam Soong, der als Einziger die Ressourcen hat, die sie benötigt. Dass sie gerade eintrifft, nachdem sich seine von Q aufgehetzte „Tochter“ Kore davongemacht hat, kommt ihr dabei sehr gelegen. Wenn man einen Soong irgendwo treffen kann, dann bei seinem Ego.

Wir können davon ausgehen, dass die Königin Soong nur als Mittel zum Zweck betrachtet. Andernfalls ergibt es wenig Sinn, dass sie aktiv dabei helfen sollte, exakt die Zeitlinie zu schaffen, die sie überhaupt erst in diese Lage gebracht hat. Erinnern wir uns, in der faschistischen Zukunft, die Soong mitgestaltet, war sie die letzte Überlebende der Borg und kurz davor, hingerichtet zu werden. Die Königin hat gewiss eigene Pläne, in denen Soong keine Rolle mehr spielt.

Merciful Notes

• Immerhin beweist „Star Trek: Picard“ Konsequenz, denn nach und nach beißen unseren Helden nun all ihre Unvorsichtigkeiten in den Arsch. Der Wachmann zum Beispiel, dem Rios in „Watcher“ seine Story erzählt hat, hat den Unsinn tatsächlich im Bericht notiert. Und der Kommunikator lag auch immer noch in der Klinik rum.
• Noch jemand, der erwartet hätte, dass auf dem Zettel an der Phiole wenigstens „drink me“ steht?
• Ich hätte nie gedacht, dass ein Vulkanier so nachlässig sein kann und einfach das Beste hofft, wenn er mitten in einer Geistesverschmelzung weggebeamt wird.
• Langsam kriege ich so das Gefühl, dass sie darauf hinarbeiten, dass Rios am Ende in der Vergangenheit bleibt – bei Teresa.

3 von 5 Bananen, die an Autobatterien lutschen.

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