The Handmaid’s Tale | Progress (4×09)

„Wow. You‘ve gone soft in Toronto. Must be all that maple syrup.“

June trifft sich mit Nick, damit er mehr über Hannah in Erfahrung bringt. Janine sorgt sich um Esther. Spoiler!

You need to stay alive so you can be here when things get better

Um mehr über Hannahs Verbleib zu erfahren, setzt sich June telefonisch mit Kommandant Lawrence in Verbindung. Der aber reagiert abweisend, woraufhin Luke vorschlägt, dass sie stattdessen Nick um Hilfe bitten soll. Um Abhörung vorzubeugen, treffen sich June und Nick persönlich an einem neutralen Ort, und tatsächlich hat er längst selbst alle Informationen gesammelt, derer er habhaft werden konnte. Unterdessen erhalten die Waterfords Besuch von den Putnams und erfahren so, dass man sich in Gilead nicht gerade überschlägt, ihnen zu helfen. Im Gegenteil, Mrs. Putnam deutet an, dass Seranas Sohn am Ende bei ihr landen könnte, sollten sie ins Gefängnis kommen.

Eine der spannendsten Folgen der Staffel

Sollte jemals jemand daran gezweifelt haben, dass „The Handmaid‘s Tale“ auch dann spannend bleiben kann, wenn June Gilead verlässt, werden wir spätestens jetzt eines Besseren belehrt. „Progress“ ist eine der besten Folgen der Staffel und konfrontiert uns mit so viel Subtext, dass es schwer wird, auf wirklich alles einzugehen. Vor allem aber habe ich zum ersten Mal das Gefühl, dass es tatsächlich sinnvoll war, mindestens eine weitere Staffel einzuplanen, denn es gibt noch so vieles aufzuarbeiten.

June: „You want me to meet with Nick?“
Luke: „No, no I don‘t want you to meet with Nick, but you said he‘d do anything for you. So this is our best chance to get Hannah, and so, I think you should take Nichole with you. How‘s he going to say no to you if you bring him his daughter.“

Nicht zurückblicken und glücklich werden

Fangen wir mit dem Wiedersehen mit Nick an. Es war nur logisch, dass Luke vorschlägt, diesen Kontakt zu nutzen, dennoch kam er mir dabei leicht passiv-aggressiv vor. Ich meine, das ist ohnehin so etwas, was unausgesprochen zwischen ihnen steht. Wenn ich mich recht erinnere, hat June Luke damals wissen lassen, dass Nichole aus Liebe gezeugt wurde. Es ist aufschlussreich, dass keiner von ihnen dieses Thema anspricht, aber es ist genauso entlarvend, wenn man anschließend die Nähe zwischen June und Nick sieht. Eine Nähe, die – wenn wir mal ehrlich sein wollen – bei Luke nicht vorhanden ist. Ihr Umgang miteinander wirkt bestenfalls ungelenk.

Das Drama ist, dass June und Nick nicht dazu bestimmt sind, zusammen zu sein. Beide wissen das, beide verstecken es. Und es ist fast lustig, wie sowohl Nick als auch Lawrence June raten, sich über das zu freuen, was sie hat, und glücklich zu werden. Manchmal glaube ich, dass Junes hartnäckige Suche nach Hannah nur zum Teil darin begründet liegt, dass sie sie tatsächlich retten will. Sie ist wohl genauso sehr eine willkommene Ausrede dafür, sich nicht mit ihren eigenen Lasten auseinandersetzen zu müssen. „Try to be grateful for that and move on“, rät Lawrence ihr und setzt nach dem Auflegen hinzu: „If you can.“

Die Männer in Junes Leben

Mindestens genauso spannend wie June sind in dem Zusammenhang aber auch die Männer um sie herum. Luke mit seiner unausgesprochenen Frage, ob sie ihn noch liebt, ist wie gesagt eine ganz eigene Geschichte. Ich frage mich, ob er zumindest teilweise geglaubt hat, dass sie nicht zurückkommt, sondern mit Nick einfach abhaut.

Der auf der anderen Seite hat sich anscheinend längst so tief in die Geschicke Gileads verstrickt, dass er diese Möglichkeit nicht mehr sieht. Ich bin freilich die Erste, die zugibt, dass sie Nick und seine Motivation noch nie recht verstanden hat. Ist er in der Hierarchie aufgestiegen, weil er wirklich an all das glaubt, oder weil es die einzige Richtung war, die er einschlagen konnte? Wie sieht sein Leben aus? Wir erfahren durch den Ehering, dass er wieder geheiratet hat, wahrscheinlich heiraten musste, weil das von einem Kommandanten erwartet wird.

Lawrence ist die vielleicht spannendste Person in dieser Reihe, weil er zumindest in den Grundzügen nach wie vor an die Idee hinter Gilead glaubt. Er möchte womöglich aufräumen, aber er will nicht niederreißen. Und das ist interessant, denn er erkennt durchaus an, dass Frauen wie Emily und June Unrecht getan wurde. Dass er am Telefon so abweisend reagiert, ist viel eher darauf zurückzuführen, dass er davon ausgeht, dass man ihn abhört. Sein Gesicht spricht eine ganz andere Sprache.

June: „She needs to be with me and her father.“
Lawrence: „Does she? Honestly, does she, June? She has a lovely home.“
June: „That is not her home.“
Lawrence: „It‘s all she knows. You want to rip her out of there?“

Der unerwartete Sinneswandel der Waterfords

Im Grunde könnte ich noch Tuello und Fred Waterford in die Reihe jener Männer einreihen, denn auch sie spielen June übel mit. Bei Tuello bin ich mir ehrlicherweise nicht sicher, ob es von Anfang an sein Plan war, ihre Aussage nur dazu zu benutzen, um Druck auf Fred auszuüben. Genug Druck, um ihn dazu zu bewegen, die Seite zu wechseln. Ist ihm überhaupt bewusst, dass Freds Sinneswandel gänzlich andere Gründe hat? Die Frage, ob ihm klar ist, welch ein Schlag ins Gesicht das für June darstellt, spare ich mir an dieser Stelle. Das ist offensichtlich.

Fred allerdings, nun, das ist eine ganz andere Geschichte. Denn es ist der Besuch der Putnams, der ihm vor Augen führt, dass er wahrlich allein steht. Offenbar war er bislang davon ausgegangen, dass es irgendwelche diplomatischen Verhandlungen zu seinen Gunsten gibt. Mr. Putnams süffisantes „we will continue to send you our thoughts and prayers“ war jedenfalls ganz großes Kino. (Und nein, ich gehe nicht davon aus, dass das Schicksal, dem Serena entgegenblicken würde, sollte sie allein mit ihrem Sohn nach Gilead zurückkehren, viel mit seiner 180-Grad-Wende zu tun hat. Wenn wir eines gelernt haben, dann, dass er zuerst und ausschließlich an sich selbst denkt.)

Janine und Esther schmieden Pläne

Diese Woche erfahren wir außerdem, wie es Janine im Red Center ergangen ist, wo mittlerweile auch die arme Esther Keyes gelandet ist. Sie wurde von der Ehefrau zur Magd degradiert, stellt sich aber quer, indem sie in den Hungerstreik tritt. Dass sich Janine ihrer annimmt und auf Linie bringt, kann man freilich so und so deuten. Auf der einen Seite weiß sie sicherlich, dass ihr eigenes Schicksal daran hängt, als wie nützlich sie sich erweist. Andererseits erkennt sie in Esther viel von sich selbst wieder und möchte verhindern, dass sie genauso leiden muss wie sie.

Aber wohin soll das führen? Nach allem, was sie bereits durchgemacht hat, sollte Janine wissen, dass es für sie keine „guten“ Optionen gibt. Entweder sie werden einem Kommandanten zugeteilt oder sie landen in der „breeding colony“. An der Mauer zu enden, wäre da noch gnädig. Und ich traue Janine nicht zu, dass sie selbst eine Flucht organisiert. Dennoch bleibt nach der Folge das Gefühl, als wäre eine gewisse Absprache zwischen ihr und Esther nicht gezeigt worden. Oder geht das nur mir so?

Blessed be the fruit

• Bester Moment: Als Fred Serena eine Glückwunschkarte hinhält und sie auffordert, sie zu lesen. Serena nur so: „Am I allowed now?“
• Mittlerweile ist es fast unnötig, immer wieder Elisabeth Moss‘ unfassbares Schauspieltalent hervorzuheben, aber als sie von Nick wegfährt und sich auf ihrem Gesicht Freude und Traurigkeit vermischen, das ist einfach nur wow.
• Aber ist euch aufgefallen, dass June immer noch die rote Marke an ihrem Ohr trägt? Das ist bemerkenswert, denn bei ihrer ersten Flucht hat sie sie damals eigenhändig abgerissen, so sehr wollte sie sich von allen Zeichen der Unterdrückung befreien.
• Max Richters „On the Nature of Daylight“ wurde inzwischen in so vielen Filmen verwendet, aber das Stück ist einfach immer noch wahnsinnig effektiv.

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