Daredevil: Born again | Heaven’s half Hour (1×01)

„I made a promise to myself that I’d let the system handle it. All of it. Besides, I’m not him anymore. And I won’t let myself be.“

Matt Murdock hat Daredevil hinter sich gelassen und widmet sich ganz der Juristerei. Da kündigt Wilson Fisk an, als Bürgermeister zu kandidieren. Spoiler!

I’ll admit, it’s not entirely unpleasant to see you again

Foggy Nelson wird vor Josie’s Bar von Benjamin Poindexter alias Bullseye erschossen – ein Wendepunkt für Matt Murdock. Er hängt sein Daredevil-Kostüm an den Nagel und zieht sich so sehr zurück, dass selbst Karen aufgibt und geht. Ein Jahr später teilt sich Matt eine Kanzlei mit Kirsten McDuffie, die versucht, ihn mit ihrer besten Freundin Heather zu verkuppeln (übrigens nicht gänzlich erfolglos). Doch seine Vergangenheit holt ihn ein, als Wilson Fisk wortwörtlich von den Toten aufersteht und – vorgeblich geläutert – für das Amt des Bürgermeisters von New York kandidiert.

Ein fast nahtloser Übergang

Fast ist es, als wäre er nie weg gewesen. Es ist schwer, „Daredevil: Born again“ unvoreingenommen zu bewerten, denn wäre ich ohne die Altlast der Vorgänger-Serie genauso begeistert? Ist das einfach nur Nostalgie oder ist „Heaven’s half Hour“ wirklich genial? Die Frage werde ich wohl nie beantworten können, und ich erwähne das, weil ihr euch darauf einstellen müsst, dass ich die Serie nicht objektiv bewerten kann. Dazu fand ich Netflix’ „Daredevil“ viel zu großartig. Verdammt, das war mein Ticket ins Marvel-Universum! Und es tut mir kein bisschen leid, dass ich euch jetzt zutexte.

„My best friend was killed. A line was crossed. I felt like I lost the privilege. And despite the good that I was doing, I was causing damage.“

Neu und mit verbesserter Formel

Ist „Daredevil: Born again“ nun eine Fortsetzung, ein Remake, ein Reboot oder eine alternative Version? Ich will ehrlich sein, ich erinnere mich an praktisch nichts aus der dritten und letzten Staffel von „Daredevil“. (Außer an das Geheimzimmer hinter Wilson Fisks Schuhschrank. Das war so wild, darüber komm ich einfach nicht hinweg.) Spielte Poindexter da nicht auch schon eine Rolle? Also Fortsetzung? Einigen wir uns vorerst auf Fortsetzung, was bedeutet, dass alles davor auch weiterhin Kanon ist. (Zieht Disney hier gerade einen „Doctor Who“ ab und nennt es Staffel 1, obwohl es in Wirklichkeit Staffel 4 ist?)

Ich war einen Moment lang bitter, dass sie Foggy schon in der ersten Viertelstunde töten, aber wenn ich darüber nachdenke, ist es okay für mich, dass die Serie etwas eigenes sein möchte. Wegen mir muss auch Karen nicht zurückkommen, denn ich war damals zwar ein Shipper vor dem Herrn, aber das ging ja dann eh alles den Bach runter. Und es ist ja auch nicht so, als hätte Matt seither nicht mit She-Hulk geschlafen. (Das ist schon noch Kanon, oder? Oder?) Heather ist irgendwie eine lustige Vorstellung, denn Matt braucht eigentlich keine neue Freundin, aber definitiv eine Therapeutin.

Einspruch, Euer Ehren!

Dass Matt über kurz oder lang wieder Daredevil wird, ist keine Frage, das verrät uns bereits der Titel der Serie. (Obwohl ich es zum Brüllen fände, wenn das jetzt einfach eine klassische Anwaltsserie ist und alle total angepisst sind deswegen. Ich liebe Anwaltsserien und fand immer, dass Matt in der Hinsicht zu wenig zu tun hat.) Hoffentlich martert man ihn im Zuge dessen wieder mit seinem katholischen Schuldkomplex, denn ich gestehe, dafür hatte ich immer eine ausgeprägte Schwäche. Dieser innere Kampf Gut gegen Böse.

Der äußere Kampf scheint ja fürs erste auf Eis zu liegen. Auf einer Skala von eins bis Bullshit, wie ernst, glauben wir, meint es Fisk damit, seriös zu werden? Eigentlich ist das ein ziemlich raffinierter Zug, denn auch als Kingpin wollte er immer nur das Beste für New York (zumindest das, was er für das Beste hielt). Der Schritt ist nicht so radikal, wie er von außen aussieht, aber ob er wirklich dazu in der Lage ist, sauber zu spielen, da habe ich so meine Zweifel. (Und ich bin gespannt, wann der erste kostümierte Idiot auftaucht, der meint, er könne ihm auf der Nase herumtanzen.)

Und können wir kurz über Vanessa reden? (Nicht über den Liebhaber, der ist nur eine Fußnote.) Ich kann nicht recht den Finger drauf legen, hatte aber irgendwie den Eindruck, dass sie mit der Richtung, die Fisk einschlägt, nicht ganz glücklich ist. Aber liegt das einfach nur daran, dass sie so viel eigene Macht aufbauen konnte, als er fort war, oder am grundsätzlichen Wechsel von der Unterwelt in die Politik? (Manch einer würde einwenden, dass der Unterschied doch eher marginal ist.)

„I’m going to be mayor of this town, and when I am, I will not tolerate people running around in silly costumes. The rule of law will prevail. And should you go back to any of your old activities … there will be consequences.“

Viele richtige Entscheidungen

Um eines auch klar zu sagen: Es war die einzig richtige Entscheidung, „Daredevil: Born again“ nicht als harten Reboot zu versuchen. Niemand, wirklich niemand könnte an diesem Punkt noch Charlie Cox und Vincent D’Onofrio ersetzen. Sie sind Matt Murdock und Wilson Fisk. Es hat mich jedenfalls umgehauen, mit welcher Leichtigkeit sie wieder in ihre Rollen schlüpfen. Ist ja nicht so, als lägen sieben Jahre zwischen der letzten Staffel und dieser. (Ich weiß, ich weiß, die ganzen Cameos, aber zählen die? Wirklich?)

Was die Optik angeht, versucht man ebenfalls, Anschluss an die Netflix-Serie zu finden, ohne sie zu kopieren. Es ist alles ein bisschen heller und sauberer, aber das lässt sich gut damit erklären, dass sowohl Matt als auch Fisk Hell’s Kitchen hinter sich gelassen haben. Mir fehlte in der Folge ein bisschen die Ruhe, das Gespräch zwischen den Beiden im Diner war mir viel zu kurz, das hätte ich mir auch eine ganze Folge lang angesehen. Kämpfe gibt es bis auf den gegen Poindexter keine, und auch der war bestenfalls konventionell, im Dunkeln und mit Rauch. Das geht besser!

Ich mochte die Visualisierung von Matts Supergehör durch einen Lens Flare gleich zu Beginn. Aber da sich das später nicht wiederholt, wirkt es ein bisschen zufällig. Außerdem habe ich den Eindruck, dass sie das Spiel mit Farben wieder aufgreifen wollen, was ich sehr begrüße, denn Marvel-Serien haben generell die Tendenz, alle irgendwie gleich auszusehen. Für die Musik sind nun The Newton Brothers zuständig, die sich aber hörbar bei John Paesano bedienen, wodurch sich alles sehr vertraut anfühlt.

Heaven’s half Notes

• Auch wenn der Kampf selbst nicht bemerkenswert war, der Moment, als Matt vom Dach aus hört, wie Foggys Herz zu schlagen aufhört, oh Mann, der war stark.
• Ich hasse es, dass Marvel keine Serie mehr produzieren kann, die nicht Wissen aus anderen voraussetzt. Hier ist es „Hawkeye“, denn sonst ist man ziemlich ratlos, von welchen Verletzungen sich Fisk monatelang erholen musste.
• Jaaa, immer noch kein Fan vom Daredevil-Kostüm. Ich fand es passender, als Matt sich noch irgendein Tuch ums Gesicht gewickelt hat.
• Sehe ich das richtig, dass Matt Kaffee trinkt und Fisk Tee? Ich liebe solche Details!

5 von 5 mit einer Büroklammer aufgespießten Bananen.

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