„When I took this job, I thought things might take a different turn. Well, ironically, they did.“
Worum geht es?
Jan Dolski ist ein einfacher Konstrukteur bei AllyCorps, einer intergalaktischen Bergbaufirma. In dieser Funktion wird er mit einem Team auf einen Planeten geschickt, um dort ein mystisches Wundermineral namens „Rapidium“ abzubauen. Man sagt diesem nach, Wachstumsprozesse beschleunigen und unter anderem Ernten effizienter gestalten zu können, um so hoffentlich den immer größer werdenden Hunger auf der Erde zu besiegen.
Das Spiel setzt ein, als Jan aus dem Cryoschlaf erwacht und ihm bewusst wird, dass er gerade in einer Rettungskapsel auf die Planetenoberfläche stürzt. Dort wird er erst einmal damit konfrontiert, dass all seine Teamkameraden inklusive der Kapitänin den Absturz nicht überlebt haben. Alleine kämpft er sich zur Basis durch, die bereits auf dem Planeten stationiert ist – und allerdings nur von mehreren Personen gesteuert werden kann.
Bei seiner ersten Erkundung auf der Oberfläche sichert er erst einmal die Grundversorgung mit organischen Stoffen, Metall und Mineralien, aus denen er mit dem basiseigenen Bauprogramm Nahrung, Schutzvorrichtungen und Räumlichkeiten erstellen kann. Doch ihm wird schnell bewusst, dass er es alleine nicht schaffen kann, zumal in wenigen Tagen die Sonne aufgehen und dabei dann alles Leben auf der Oberfläche verbrennen wird. Schon jetzt hat er mit Gravitationsanomalien und hoher Strahlung zu kämpfen und muss jede Nacht in der Basis Schutz suchen.
Auf seiner ersten Erkundung jedoch entdeckt er besagtes Rapidium und nimmt eine Probe davon mit auf die Basis. Dort kontaktiert er einen hochrangigen Funktionär von AllyCorp, der ihm ein recht unmoralisches Angebot macht.
Die Basis verfügt über eine Maschine zum Klonen jeder DNA, die ihr eingegeben wird, und ebenjene kann mit Rapidium betrieben werden – so zumindest die Theorie. Jan macht eine Probe aufs Exempel, indem er ein Schaf klont, doch dann gibt es für seine Situation eigentlich nur eine Lösung: Er muss seine eigene DNA zur Verfügung stellen, um sich selbst zu klonen.
Allerdings keine identische Kopie. Die „Gebärmutter“, wie die Maschine genannt wird, kann über einen Quantencomputer auf den gespeicherten Lebensweg Jans zugreifen, um dort gezielte Entscheidungen der Vergangenheit abzweigen und eine andere Version von ihm zu erschaffen. Jan benötigt beispielsweise einen Mediziner, also sucht er im Quantencomputer entlang seines Lebenswegs einen Moment, in dem sich ein junger Jan hypothetisch in einer Schlägerei dazu entscheidet, zurückzuschlagen und nicht wegzulaufen (wie es damals der Original-Jan getan hatte). Ein Arzt findet den verletzten Jungen und pflegt ihn gesund, dabei entdeckt dieser bei ihm seine Liebe zur Medizin. Voilà, ein Klonprojekt später steht ein verwirrter Mediziner vor Jan und muss erst einmal verarbeiten, dass seine Zeitlinie nicht existiert und seine Erinnerungen hier nicht real sind. Nach und nach klont sich Jan weitere alternative Versionen von sich selbst, je nachdem, welche Fähigkeiten in der Basis gerade nötig sind. Nebenbei muss er seine Klone effektiv einsetzen, den Botaniker-Jan ins Gewächshaus, den Wissenschaftler-Jan ins Forschungslabor und den Techniker-Jan für Wartungsarbeiten abstellen. Und mit deren Trauma fertig werden, dass sie nicht das Original sind. Die gut gehende Ehe eines Klons hat der „echte“ vor langer Zeit in den Sand gesetzt. Die Mutter, die der Mediziner-Jan noch vom Krebs heilen konnte, ist im Leben des echten Jan bereits tot. Konflikte sind unausweichlich, und dann sind da noch die immer gesichtslos bleibenden Bürokraten von AllyCorp, die mehr daran interessiert sind, das Rapidium zu retten, als diejenigen, die es abbauen.
Daneben droht die Sonne als ständige Gefahr am Horizont. Die Basis muss flottgemacht werden, und da sie aussieht wie ein aufrecht stehender, gewaltiger Fahrradreifen, kann sie potentiell in Sicherheit auf die sonnenabgewandte Seite des Planeten bewegt werden. Doch auch hier stellen sich den Jans zahlreiche unvorhersehbare Hindernisse in den Weg.
Wie ist es?
The Alters von 11 Bit Studios ist ein kleines, aber sehr feines Spiel, das einer genialen Idee folgend mit nur einer einzigen animierten Figur auskommt. Die verschiedenen Klone sehen nur leicht verändert aus, und der Synchronsprecher, Alex Jordan, gibt ihnen mehr oder weniger subtil variierte Stimmen. Jan hat zwar häufig Kontakt mit diversen Menschen auf der Erde, doch die Atmosphärenstrahlung verhindert, dass sie deutlicher zu sehen sind als verzerrte Schemen und Hintergrundrauschen. So wird allerdings auch Spannung aufgebaut, denn Jan weiß bis zuletzt nicht, wem er eigentlich vertrauen kann.
Die Lebenswege zu manipulieren, um die praktischen Fähigkeiten der Klone auszunutzen, hat wirklich Spaß gemacht. Ebenso die überlebensnotwendigen Bodenschätze des fremden Planeten abzubauen, währenddessen noch den seltsamen Anomalien nachzugehen und zu entdecken, dass sich nicht nur beim Klonen verschiedene Realitätsebenen überlagern …
11 Bit Studios hat ein kleines Meisterwerk erschaffen. Man ist zwischen Basisbau und langen Gesprächen mit seinen Alter Egos immer investiert, immer lauert die Sonne am Horizont, ein Magnetsturm oder ein emotionaler Zusammenbruch der Figuren. Original-Jan hat stets alle Hände voll zu tun, um alles zusammenzuhalten. Immer, wenn sich die riesenhafte Reifen-Basis zu einem neuen, liebevoll gestalteten Ort auf dem Planeten weiterbewegt, ist es spannend, alles zu erkunden und die Klone neu zu verteilen, um Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Mit einigen von ihnen versteht sich der echte Jan sehr gut, andere sind ihm zu fremd und akzeptieren ihn nicht als Original und Anführer, dass es auch oft zu Spannungen kommt. Zumal immer weniger sicher ist, ob AllyCorp die Klone nach ihrer Rettung vom Planeten überhaupt am Leben lassen kann/will. Immerhin war ihre Erschaffung zwar überlebensnotwendig, aber höchst illegal – und daher zumindest schlechte Publicity für den Konzern.
Am Ende belohnt einen des Spiel mit sechs verschiedenen Ausgängen, abhängig von den jeweiligen Entscheidungen des Spielers. Das garantiert einen hohen Wiederspielwert.
Was kommt danach?
The Alters ist gerade erst erschienen, daher ist noch nichts weiter bekannt. Allerdings wünschen sich Fans einen Endlos-Modus, in dem man immer Bodenschätze abbaut, Gelände erkundet und sich dann mit der Basis vor der Sonne in Sicherheit bringt. Ohne große Geschichte mit Ende dahinter, rein für den Spaß, zu Bauen und zu Entdecken.
Andere wünschen sich, dass die Geheimnisse des Planeten, die Jan aufgrund seiner prekären Situation nicht ausreichend genug erforschen kann, in einem neuen Teil näher beleuchtet werden. Das Spiel endet mit einem starken Hinweis, dass hinter Rapidium und den Anomalien mehr steckt, lässt aber das meiste darüber offen. Das Wissenschaftler-Alter Ego von Jan ist daran beispielsweise besonders interessiert. Stoff genug also für einen neuen Teil, ich würde mich freuen.
(P.S.: Das Zitat hinter dem Titel habe ich schon einmal für mein Hellblade-Review bemüht. Mea culpa, aber hier passt es einfach zu gut.)
Das klingt wahnsinnig spannend, eine clevere Abwandlung der Idee, dass jede Entscheidung eine neue Dimension schafft. Hier stecken all diese potenziellen Lebenswege in einer Welt, das könnte ich mir auch als Roman richtig, richtig gut vorstellen. 🙂