Vom schwarzen Daumen zur Crazy Plant Lady

Noch vor einem Jahr dachte ich, dass ich einen schwarzen Daumen habe. Inzwischen bezeichne ich mich selbst als „Crazy Plant Lady“ und bringe sogar Exoten zum Blühen. Was ist passiert?

Räumen wir eines gleich zu Beginn aus dem Weg: Ja, ich habe als Teenager einen Kaktus umgebracht. Einen Kaktus! Als ich zu Hause auszog und mir ein paar Pflanzen für meine erste Wohnung kaufen wollte, fragte mein Vater daher gleich, ob ich nicht lieber künstliche wolle. Ein Jahr später schmiss ich einen toten Bonsai weg. Zu dem Zeitpunkt hatte ich mich damit abgefunden, dass ich offenbar mit einem schwarzen Daumen geboren wurde.

Die Wahrheit ist, ich interessierte mich damals nicht sonderlich für Pflanzen. In meinem Elternhaus gab es immer viele davon, das war irgendwie normal, aber ihre Pflege ging mich nichts an. Ich gewann den Eindruck, dass sie sich mehr oder weniger um sich selbst kümmern, und so hielt ich es dann auch mit meinen eigenen Pflanzen. Einmal die Woche Wasser drauf, fertig. Waren sie damit nicht zufrieden, fühlte ich mich überfordert.

Die Wüstenfraktion auf dem Fensterbrett: Sukkulenten.
Die Wüstenfraktion auf dem Fensterbrett: Crassula ovata, Mammilaria gracilis und Kalanchoe thyrsiflora.

Die Erkenntnis, was ich falsch mache, kam freilich nicht über Nacht. Vielmehr schlich sie sich irgendwie in mein Leben ein, als ich begann, alljährlich auch meinen Balkon zu begrünen. Zunächst mit bunten Blumenmischungen und Kräutern, dann testweise mit Erdbeeren und schließlich sogar mit Radieschen. Trotz unschöner Begegnungen mit Schnecken, Raupen und Läusen war ich mit meinen Balkonpflanzen fast immer erfolgreich. Und mir fiel auch auf, wieso: Ich interessierte mich dafür. Ich wollte, dass diese Pflanzen gedeihen.

Der klassische Selbstversorgerbalkon war meine Einstiegsdroge und half, meinen Ruf wiederherzustellen. Von Kunstblumen sprach von da an jedenfalls keiner mehr. Mit Zimmerpflanzen hielt ich mich trotzdem noch eine Weile zurück. Ich besaß eine Strahlenaralie (Schefflera arboricola), die sogar einen Umzug überstand, später kamen eine Aloe (Aloe aristata) und eine Glückskastanie (Pachira aquatica) hinzu, die allesamt vergleichsweise pflegeleicht sind. Am Ende war dann wohl doch Instagram schuld, wo plötzlich die Ufopflanze (Pilea peperomioides) zum Statussymbol der Urban Gardener aufstieg. Wenn du zum ersten Mal Gartencenter um Gartencenter abklapperst, um eine ganz bestimmte Pflanze zu kriegen, weißt du, dass du nicht mehr einfach nur ein Pflanzenfreund bist.

Oxalis triangularis, aus Rizomen gezogen.
Oxalis triangularis, aus Rhizomen gezogen.

Mittlerweile bin ich mit meinem Indoor-Garten im zweistelligen Bereich angekommen, ziehe regelmäßig Ableger und nenne Pflanzen bei ihrem lateinischen Namen. Vielleicht werde ich in nächster Zeit ein paar meiner Schätze hier vorstellen, für den Anfang aber hier erst mal eine Liste von Dingen, die ich im letzten Jahr gelernt habe:

  • Plant Zeit für die Pflege ein. Ich mache täglich nach der Arbeit meine Runde und schaue mir jede einzelne Pflanze an, ob sie irgendetwas braucht.
  • Kennt eure Pflanzen. Jeden Neuzugang schlage ich erst einmal in meinen Büchern nach, um den besten Standort zu finden und mich über Wasserbedarf, typische Krankheiten und spezielle Marotten zu informieren.
  • Kauft nur Pflanzen, für die ihr auch sorgen könnt. Das betrifft sowohl die Selbsteinschätzung (Sukkulenten tun’s für den Anfang vielleicht auch) als auch die Standortbedingungen. Sonnenhungrige Pflanzen haben in einer dunklen Wohnung ein schweres Los.
  • Macht Ableger von euren Lieblingspflanzen. Die Natur kommt uns hier entgegen, deshalb Rhizome, Stecklinge und Kindel unbedingt nutzen und einpflanzen. Sollte die Mutterpflanze doch einmal eingehen, habt ihr immer noch die Nachkommen. Außerdem sind Ableger eine anerkannte Währung unter Pflanzenliebhabern und auch schöne Geschenke!
  • Habt keine Angst vor Fehlern. Man macht immer mal etwas falsch, aber Pflanzen sind Überlebenskünstler, die einem vieles verzeihen, wenn man rechtzeitig gegensteuert. Manchmal genügt ein neuer Platz, manchmal muss man vielleicht umtopfen oder radikal Triebe und Wurzeln schneiden. Meiner Erfahrung nach ist Anpacken besser als übervorsichtiges Abwarten.