ZSSD | Review: Control

„Fair warning: This is gonna be … weirder than usual. Can’t be helped.“

Worum geht es?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die ersten Szenen vom 2019 durch Remedy Entertainment entwickelten Spiel Control sind noch logisch nachvollziehbar: Jesse Faden, eine junge Frau, sucht ihren Bruder Dylan, der verschwand, als sie noch ein Kind war. Nach langer, erfolgloser Suche bringt sie eine innere Stimme nun zu einem gewaltigen, fensterlosen, bunkerartig gestalteten Wolkenkratzer, dem Bürogebäude des „Federal Bureau of Control“. Obgleich es kaum zu übersehen ist, hatte sie es zuvor nie bemerkt – ganz so, als würde es sich der allgemeinen Aufmerksamkeit entziehen. Ohne große Hoffnung, Dylan hier zu finden, betritt Jesse die Lobby, die menschenleer zu sein scheint. Auch die angrenzenden Räume und Flure sind verwaist, bis sie schließlich ins Büro des Direktors des FBC vordringt. Dort trifft sie auf den leblosen Mann, der offenbar gerade Selbstmord begangen hat, und, erneut ihrer Intuition folgend, nimmt sie die Waffe auf, die vor ihm liegt.

Und das war auch schon der ganz logische Plot des Spiels. Denn ab da wird es schräg und schräger. Mit der Berührung der Waffe wird Jesse auf eine Astralebene transloziert, wo körperlose – und für den Spieler nicht verständliche – Stimmen sie zur neuen Direktorin ernennen. Ein Fakt, der von ihr ohne weiteres Zögern akzeptiert wird, so, als hätte sie damit ihre Bestimmung gefunden. Zurück in der Realität begegnet sie ehemaligen Agenten des FBC, die wie leblose Körper über ihr in der Luft schweben, scheinbar eingefroren in der Zeit. Andere greifen sie an, besessen von etwas, das Jesse als „Hiss“, „Zischen“ identifiziert. Dieses Zischen ist eine Art Virus, und es hat nicht nur die Angestellten, sondern auch das Haus selbst infiziert.
Wie Jesse lernt, besitzt es ein eigenes Bewusstsein, das sich „Oldest House“ nennt, eine Art Vorstand des FBC bildet und in der Astralebene als umgedrehte Pyramide in Erscheinung tritt.
Die Behörde selbst ist eigentlich dafür gemacht, sogenannte „Altered World Events“ zu finden und einzudämmen. Die AWEs sind paranormale Kräfte, die Gegenstände, Gebäude, Lieder oder ähnliches besetzen und ihnen bizarre, oft destruktive Fähigkeiten verleihen. So kann zum Beispiel ein AWE eine Schreibmaschine dazu befähigen, die darauf geschriebenen Geschichten wahr werden zu lassen. Oder einen Kühlschrank dazu, seinen Besitzer zu fressen, wenn dieser es wagt, seine Augen von ihm abzuwenden (weswegen er dauerhaft angestarrt werden muss). Oder einen Dia-Projektor, Portale in andere Dimensionen zu öffnen.
Doch durch das „Hiss“ sind die Dinge im „Oldest House“ außer Kontrolle geraten. Jesse muss immer tiefer in das Gebäude vordringen, das außerhalb der normalen Dimensionen existiert und zum Beispiel einen kompletten Steinbruch, einen endlosen Gewölbekeller und ein Labyrinth im Stil eines 50er Jahre Hotels in sich beherbergt – durch das man übrigens nur findet, wenn man einen Walkman besitzt, der ein bestimmtes Lied spielt.
Als neue Direktorin des FBC ist es Jesses Aufgabe, das „Hiss“ einzudämmen – und ihren Bruder muss sie auch noch finden, und den Grund, wieso er verschwunden ist.

Wie ist es?

All das ist nur ein Bruchteil der Geschichte, die vor allem von den ständig neuen, immer bizarreren Szenen und Bildern vorangetrieben wird. Es sind ebenso skurrile Menschen, die FBC-Mitarbeiter, denen man begegnet, und auch die Dialoge sind anders, als man es gewohnt ist. Es geht um Astralreisen, besessene Objekte, paranormale Gestalten und Kräfte, und alles spielt in einem einzigen, sich immer verändernden und erweiternden Gebäude, das die Steifheit und Korrektheit einer Bundesbehörde mit traumhaften Sequenzen, körperlosen Stimmen und einem ständigen unverständlichen Murmeln und Zischen als Geräuschkulisse verbindet.
Control ist überbordend von Ideen, die ich zumindest so noch nie zuvor gesehen habe. Es nimmt auch Bezug zu einem anderen beliebten Spiel von Remedy Entertainment, Alan Wake, das von einem Schriftsteller handelt, der sich in seinen Geschichten verliert (und hier kommt die paranormal veränderte Schreibmaschine ins Spiel). Das alles ist so komplex und seltsam ineinander verwoben, dass es wirklich schwerfällt, es als Ganzes zu beschreiben. Häufig fragt man sich beim Spielen, was zur Hölle gerade passiert, oder worauf das hinauslaufen soll. Wenn Jesse mit einer Filmkamera kämpft, oder in einer Zeitschleife festhängt, in der sie immer und immer wieder als FBC-Praktikantin Kaffee und die Post verteilen muss, dann macht das Spaß, aber man sollte es um Gotteswillen nicht hinterfragen. Am besten, man lässt es in all seiner bunten, abgefahrenen Gesamtheit auf sich wirken und genießt die Kreativität der Macher. Und dass man nie weiß, was einen hinter der nächsten Ecke des gewaltigen, verwinkelten Betongebäudes als nächstes erwartet.
Auch wenn es dadurch wirklich schwerfällt, dazu ein inhaltlich nachvollziehbares Review zu schreiben.

Was kommt danach?

Noch ist keine Fortsetzung in Sicht, auch wenn Control keine in sich geschlossene Geschichte erzählt. Sie bietet dadurch, dass sie Dimensionen sprengt und sich deshalb beliebig erweitern lässt, auf jeden Fall genug Raum für eine Unmenge neue Geschichten, eine bizarrer als die andere. Auch Crossover mit den anderen Spielen von Remedy, Alan Wake und dem bereits von mir hier im Blog vorgestellten Quantum Break, sind vorstellbar.
Wie man während des Spielens schon feststellt, ist einfach alles möglich. Daher, abwarten. Wenn es kommt, wird es sicherlich grandios … auf eine wirklich schwer zu beschreibende Weise.