Die Metaphysik des Einkaufszettels

In Zeiten leerer Regale und Hamsterkäufe stellt sich immer häufiger die Frage: Ist der Einkaufszettel nun moderne Kunstform, tiefenpsychologischer Persönlichkeitstest oder ein Schrei nach Hilfe?

Der Einkaufszettel ist ein seltsames Ding. Ein Dokument des Wollens und Wünschens, das niemals endgültig ist, sondern sich immer weiter fortschreibt. Ich meine, denkt mal darüber nach. Irgendwann, als wir den Teil des Erwachsenseins betreten haben, wo wir für uns selbst sorgen müssen, haben wir diese Liste begonnen. Und wir mögen dafür immer wieder neue Zettel verwenden, aber im Grunde ist es doch stets die gleiche Liste. Würde man alle je geschriebenen Einkaufszettel aneinanderkleben, wer weiß, welch faszinierende Wiederholungen und Muster wir entdecken würden. Gewissermaßen die Formel unseres physischen Lebens.

Spannend ist dabei, dass die Form, sozusagen die innere Logik des Einkaufszettels im Laufe der Jahre immer wieder variieren kann. Zeitweise schrieb ich die Produkte zum Beispiel in der Reihenfolge auf, in der sie auch im Laden aufgebaut sind. Kennt man den Supermarkt gut, kann man so wirklich enorm viel Zeit sparen, doch wehe, man kommt dort eines Tages auf die Idee, alles umzuräumen! Dann wieder ging ich dazu über, in Wochen, in denen ich zweimal einkaufen ging und dabei unterschiedliche Märkte aufsuchte, Produkte farbig zu markieren, die in dem einen oder anderen gerade im Angebot sind. Gerne auch mit einer dritten Farbe für Dinge, die ich für das am Wochenende geplante Essen auf keinen Fall vergessen durfte. Aktuell sortiere ich meinen Einkaufszettel nach den drei Kategorien Wochenende, Allgemein und Haushalt. In meinen Augen alles rein praktische Entscheidungen, doch wer weiß, welche tieferen Bedürfnisse ein Psychologe daraus zu lesen vermag.

Am Ende bleibt der Einkaufszettel unfassbar und … nun ja, seltsam. Er ist so einzigartig wie der eigene Fingerabdruck, voller persönlicher Abkürzungen und den verschämt darin versteckten Sünden. In gewisser Weise ist er auch ein ungefilterter Ausschnitt aus unserem Alltag. Wahrscheinlich können wir deshalb oft nicht anders, als im Einkaufskorb vergessene Zettel neugierig zu lesen. Und wie sehen eure Einkaufszettel so aus?