Star Trek: Strange new Worlds | Ad Astra per Aspera (2×02)

„If a law is not just, then I ask, how are we to trust those who created that law to serve justice?“

Una Chin-Riley muss sich vor einem Gericht der Sternenflotte verantworten, weil sie über ihre Herkunft gelogen hat. Spoiler!

Twenty years for lying on an application?

Während die Enterprise auf Cajitar IV weilt, versucht Captain Pike im Volterran Nebula, einen Termin bei der illyrischen Anwältin Neera Ketoul zu bekommen. Seine Sturheit zahlt sich schließlich aus: Sie übernimmt die Verteidigung von Una Chin-Riley, die es lieber auf einen Prozess ankommen lassen will als unehrenhaft entlassen zu werden. Obwohl es Neera spürbar mehr um ihre eigene Abneigung gegen die Sternenflotte geht, legt sie vor Gericht dar, wie Una von Kindheit an Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt war. Als Charakterzeugen ruft sie La’an, Spock und M’Benga in den Zeugenstand – nicht jedoch Pike, der von Unas Geheimnis wusste und deshalb selbst angeklagt werden könnte.

Stolz und Vorurteil und Eugenik

Folgen, in denen ein Crewmitglied vor Gericht steht, haben bei „Star Trek“ eine lange Tradition. Nahezu jede Serie hat mindestens eine zu bieten, und so drängt sich die Frage auf: Brauchen wir wirklich eine weitere? Die Antwort lautet ja, ja, ja, denn „Ad Astra per Aspera“ ist genau keine jener müßigen Folgen, in denen jemand eines Mordes angeklagt wird, den er sowieso nicht begangen hat. Sie steht vielmehr in der Tradition von „The Measure of a Man“ („Wem gehört Data?“) und stellt fundamentale Grundsätze der Sternenflotte in Frage.

„Permanent genetic modification is illegal under Federation Law. Slavery was once legal. Apartheid was legal. Discrimination against people for how they worshiped, how they loved, their gender, the color of their skin. All legal at one time or another. A law does not make something just.“

Strukturelle Diskriminierung in der Sternenflotte

Wie ich schon letzte Woche schrieb, kann ich die Entscheidung nachvollziehen, die zweite Staffel von „Star Trek: Strange new Worlds“ nicht mit einem Gerichtsverfahren zu eröffnen. Folgen wie diesen fehlt die Action, der Reiz des Abenteuers, stattdessen wird nur viel geredet. Es ist aber auch schade, dass man glaubt, ausgerechnet uns „Star Trek“-Fans mit Klingonen und Raumschlachten ködern zu müssen. „Ad Astra per Aspera“ ist eine der besten Episoden, die ich je gesehen habe. Sie ist klug, nachdenklich, emotional und unfassbar spannend.

Der Trick gelingt, weil es niemals darum geht, dass Una über ihre Herkunft gelogen hat, das ist schließlich eine Tatsache. Stattdessen verlagert sich das Ganze auf die Frage, ob ein derart willkürliches Gesetz, geboren aus Furcht und Vorurteilen, überhaupt noch in eine Zeit passt, in der sich die Sternenflotte groß Toleranz auf die Fahnen schreibt. Ob Erfahrungen in der Vergangenheit wirklich rechtfertigen, dass eine Minderheit von Gesetzes wegen drangsaliert und ausgeschlossen wird.

Die Ideale der Föderation bleiben eine Utopie

Wir wissen alle, dass die Sternenflotte nicht perfekt ist, doch wie Una sagt: Sie strebt danach. Und dazu gehört auch, Gesetze regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Neera verweist auf die Sklaverei und die Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer Religion, Hautfarbe oder Geschlecht. All das war irgendwann im Laufe unserer Geschichte einmal legal, aber das heißt noch lange nicht, dass es auch gerecht war. Wir haben dazugelernt und dürfen niemals aufhören, uns zu hinterfragen.

Für einen Augenblick sieht es so aus, als erreiche Neera die Richter mit ihrer leidenschaftlichen Rede, bevor sich natürlich ein Vulkanier als Prinzipienreiter hervortut. Zum Glück hat sie zu diesem Zeitpunkt aber schon Plan B vorbereitet und Unas Aussage so gelenkt, dass sie alle Anforderungen für Asyl erfüllt. Es ist ein schaler Sieg. Vor allem ist es ein allzu einfacher Ausweg, da man Una freisprechen kann, ohne einen Präzedenzfall zu schaffen. Aber Veränderungen geschehen nicht über Nacht, und ein gutes Jahrhundert später wird sich Dr. Bashir in „Star Trek: Deep Space Nine“ immer noch mit diesem Gesetz herumschlagen müssen.

Batel: „Una broke the law.“
Pike: „And what if the law is wrong?“

Ein Leben voller Lügen und Geheimnisse

Ganz nebenbei erfahren wir viel über Una und die Kultur der Illyrians. Sie wuchs in einer Kolonie auf, die unter der Bedingung, dass keine genetischen Modifikationen mehr vorgenommen würden, in die Föderation aufgenommen wurde. Aber natürlich hielten sich nicht alle daran, weil das eben Teil ihrer Kultur ist, stattdessen wurde es im Geheimen gemacht, mit all den damit verbundenen Gefahren. Als die Stadt geteilt wurde, gab sich Unas Familie als Nicht-Illyrians aus, ein Versteckspiel, das sie ihr ganzes Leben lang fortgeführt hat.

Denn das ist die andere Seite eines Gesetzes, das keinen sinnvollen Zweck erfüllt und nur der Legitimation von Diskriminierung dient. Una musste immer verstecken, wer sie ist, vor Kollegen wie Freunden. Es ist kaum vorstellbar, was das mit der Psyche eines Menschen anstellt, deshalb ist es keine große Überraschung, wenn sie am Ende gesteht, dass sie sich selbst gestellt hat. Einfach, weil sie es nicht mehr ertragen konnte, anderen etwas vorzuspielen. Und wohl auch, weil sie hoffte, dass die Sternenflotte inzwischen die fortschrittliche Institution ist, von der sie schon als Kind ein Teil sein wollte.

La’ans persönliche Dämonen

„Ad Astra per Aspera“ liegt viel Wert darauf, seine Geschichte ohne allzu große Ablenkungen zu erzählen, und verzichtet deshalb auf den typischen B-Plot. Dass man sich dennoch Zeit nimmt, auch La’ans Perspektive zu zeigen, rechne ich ihnen hoch an. Immerhin liegt es irgendwie nahe, im Zuge dessen auf ihre Genetik einzugehen, stammt sie schließlich von dem Mann ab (Khan Noonien Singh), der ein Gesetz gegen genetische Veränderungen erst nötig machte.

Zwei Punkte stechen dabei besonders heraus. Zum einen La’ans Befürchtung, dass es ihr persönlicher, im Ärger verfasster Logbucheintrag war, der Una verraten hat. (Die gute Nachricht: So was wie Datenschutz scheint auch in ferner Zukunft noch zu existieren.) Zum anderen, als wir erfahren, dass sie insgeheim Angst davor hat, welche Modifikationen an sie vererbt wurden. Was nebenbei eine ganz interessante Frage aufwirft: Nach wie vielen Generationen fällt ein Nachkomme genetisch veränderter Personen nicht mehr unter das Eugenik-Gesetz?

To the Stars through Notes

• Der lateinische Titel beruht auf einer Redewendung von Seneca und bedeutet „durch Mühsal gelangt man zu den Sternen“. Der Satz war Motto der Sternenflotte, bevor die Föderation gegründet wurde.
• Es ist so subtil, dass es mir erst diese Woche aufgefallen ist, aber der Vorspann wurde tatsächlich um ein paar neue Szenen ergänzt. Gefällt mir gut.
• Ortegas, die aus der Ferne ein scheinbar friedliches Gespräch zwischen Spock und Vizeadmiral Pasalk synchronisiert, nur um von M’Benga auf die Spannungen zwischen den beiden hingewiesen zu werden, war herrlich. Und dann schlendert Spock vorbei und meint nur so: „I regret that you had to witness that … outburst.“
• Die Serie macht durchgängig einen so, so guten Job mit den Kostümen. Die Gala-Uniformen vor Gericht sind erkennbar den klassischen aus TOS nachempfunden, wurden aber auf elegante Weise modernisiert.

5 von 5 Bananen unter Eid.

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