Star Trek: Deep Space Nine | Chimera (7×14)

„So you deny your true nature in order to fit in.“

Odo lernt einen Formwandler kennen, der wie er ohne Wissen um seine Herkunft aufgewachsen ist. Spoiler!

He’s one of the hundred

Bei der Rückkehr von einer Konferenz gabeln Odo und Chief O’Brien einen Formwandler namens Laas auf. Da es sich bei ihm offenkundig nicht um einen Founder handelt, vermutet Odo, dass er wie er selbst einer der hundert Formwandler ist, die die Founder in die Galaxis hinausgeschickt haben. Laas ist Humanoiden gegenüber misstrauisch, vor allem aber glaubt er, dass Odo sich selbst limitiert, indem er unter ihnen lebt und sich anpasst. Selbst die Liebe für Kira hält Laas nur für Einbildung. Als er dann durch Odo eine Ahnung vom Great Link erhält, will er, dass sie gemeinsam nach den anderen suchen.

Die Wahrheit über Inter-Spezies-Beziehungen

„Chimera“ ist zweifellos eine der faszinierendsten Folgen der ganzen Serie, und im Grunde habe ich auf etwas in dieser Art gewartet, seit Odo und Kira ein Paar geworden sind. Denn wenn man schon eine echte Inter-Spezies-Beziehung zeigt, dann bitte auch mit allen Konsequenzen. (Und nein, ich meine nicht das, ich bin mir sicher, in den Weiten des Internets existiert genug versaute Fanfiction darüber.) Der Folge gelingt genau das auf wirklich einzigartige Weise und ohne in Kitsch abzudriften.

„They tolerate you, Odo, because you emulate them. What higher flattery is there – I, who can be anything, choose to be like you? But even when you make yourself in their image, they know you are not truly one of them. They know that what you appear to be does not reflect what you really are. It’s only a mask. What lies underneath is alien to them. And so they fear it, and that fear can turn to hate in the blink of an eye.“

Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?

Das erste, womit sich „Chimera“ beschäftigt, ist natürlich Odos Selbstbild. Und das ist ganz interessant, denn ich glaube tatsächlich, dass er seine humanoide Form inzwischen als zumindest gleichberechtigt neben seiner flüssigen Form ansieht. Dass es sich dabei um eine Maske handelt, wie Laas behauptet, muss nicht zwangsläufig der Fall sein. Sicher, als Formwandler ist er anders als Humanoide nicht dazu gezwungen, in seine „gottgegebene“ Gestalt hineinzuwachsen, er kann sie jederzeit ändern. Aber das ist nicht der Punkt, der humanoide Odo ist eine gewachsene Identität, die er eben nicht ändert, weil sie zu seiner Persönlichkeit gehört.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, fehlt es Laas an einer solch eindeutigen Identität. Er ist heute dies, morgen das. Obwohl er sich Odo überlegen fühlt, sitzt er eigentlich zwischen zwei Stühlen. Er hat weder ein festes Selbstbild noch ist er Teil eines Ganzen wie die Founder. Seine Einsamkeit muss viel tiefer sein als Odos, was vielleicht auch verständlicher macht, warum er ihn so drängt, mit ihm zu kommen. Doch es bleibt festzuhalten, dass sich Laas diese Einsamkeit selbst auferlegt hat. Übrigens eine interessante Parallele zu Odo, der seine Zurückgezogenheit jedoch irgendwann überwunden und auf diese Weise Freunde (und Liebe) unter den Humanoiden gefunden hat.

Angst führt zu Rassismus

Aber natürlich geht es hier bis zu einem gewissen Grad auch um Rassismus – auf beiden Seiten. Quark fasst es ganz gut zusammen, das ist eine über Jahrtausende verinnerlichte Angst vor allem, was grundlegend anders ist. Und da reden wir halt nicht über die geriffelte Nase oder die Höcker auf der Stirn. Formwandler basieren auf einem völlig anderen Konzept von Leben, sie atmen nicht, sie essen nicht, sie pflanzen sich nicht auf die übliche Weise fort. Also gehen wir automatisch davon aus, dass sie auch anders denken und fühlen.

Laas’ überhebliche Art sollte indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Ablehnung am Ende auch nichts anderes ist als Rassismus. Der noch dazu auf demselben Prinzip beruht: Angst vor etwas, was er nicht versteht. Er kann die humanoide Form nachahmen, aber er wird niemals wissen, wie es sich anfühlt, eine „Mono-form“ zu sein. Also überspielt er diese Angst, indem er sich über die anderen stellt und – übrigens im Gegensatz zu den Humanoiden – jeden Versuch einer Verständigung im Keim erstickt.

„If I ever made you feel that you couldn’t be yourself with me, I’m sorry. I want to know you – the way you really are.“

Du kratzt meinen Rücken, ich kratze deinen?

Doch wie schon eingangs bemerkt, steht in „Chimera“ auch Odos Beziehung mit Kira zur Debatte. Laas argumentiert, dass dauerhafte Beziehungen zwischen Formwandlern und Humanoiden nicht möglich sind, und rein rational hat er natürlich recht. Er berichtet, dass seine Beziehung zu einer humanoiden Frau daran zerbrach, dass sie Kinder wollte – ein Thema, das Odo bislang geschickt umschifft, obwohl es Kira durchaus schon angedeutet hat. Hinzu kommt, dass der Lebensspanne eines Formwandlers keine natürliche Grenze gesetzt ist, ganz im Gegensatz zu den Humanoiden, die alt werden und sterben.

Der wichtigste Punkt aber ist die Intimität, auch wenn das nie so eindeutig ausgesprochen wird. Es ist für Odo kein Problem, Kiras körperliche Bedürfnisse zu befriedigen (erneut, für detaillierte Infos bitte Fanfiction konsultieren), aber umgekehrt ist das schlicht nicht möglich. Auch wenn es Odo etwas halbherzig herunterzuspielen versucht, ist klar, dass jede Verbindung zwischen Formwandlern über den reinen Zweck des Gedankenaustauschs hinausgeht. Es ist eine für uns im Grunde unvorstellbare Form von Intimität, bei der nicht nur die Körper, sondern auch die Gedanken eins werden.

Die Genialität des Folgentitels darf in dem Zusammenhang übrigens nicht unerwähnt bleiben. Denn „Chimera“, zu Deutsch eine Chimäre, bezeichnet in der griechischen Mythologie ein Mischwesen aus Löwe, Ziege und Schlange. Ganz konkret kann man das auf die Fähigkeit von Formwandlern beziehen, jedes Wesen nachzubilden, aber niemals nur eines zu sein. Im übertragenden Sinne bezeichnet eine Chimäre aber auch ein Trugbild, eine Wahrnehmung, die man sich nur einbildet. Und das spiegelt perfekt Laas’ Meinung wider, dass die Liebe zwischen Odo und Kira nicht real ist.

Imaginary Notes

• Hut ab, wer es gemerkt hat: Laas wird von J.G. Hertzler gespielt, der sonst General Martok verkörpert. Und der hat seine Darstellung nach eigener Aussage an die überhebliche Attitüde von William Shatners Captain Kirk angelehnt.
• IMDb zufolge waren alle voll des Lobes für Nana Visitor und wie sie in jener letzten Szene reagiert, als Odo sich in eine Art bunten Nebel verwandelt. Inklusive René Auberjonois, der wohl meinte: „God, you make me look like such a great lover!“ 😂

5 von 5 Bananen, die Odo die Pralinen abkaufen wollen.

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