Liebeshandlungen | „Der Tag des Falken“ und die Idee einer Liebe

„Weißt du, dass Falken und Wölfe ein Leben lang zusammenbleiben können? Der Bischof hat uns nicht einmal das gegönnt. Nicht einmal das.“

„Der Tag des Falken“, im Original „Ladyhawke“, ist ein Fantasyfilm von Richard Donner aus dem Jahre 1985. Ich sah ihn irgendwann als Teenager das erste Mal und war absolut hingerissen von der – wie ich damals empfand – epischen Liebesgeschichte. Mehr als zwanzig Jahre später erkenne ich zwar, was mich zu meinem damaligen Urteil bewog, mag mich ihm heute aber nicht mehr anschließen. Denn „Der Tag des Falken“ ist mehr eine Geschichte über das Ideal ewiger Liebe als über eine tatsächliche Beziehung.

Ein Dieb, ein eifersüchtiger Bischof und ein Fluch

Wir befinden uns im Italien des 13. Jahrhunderts. Der kleinkriminelle Philippe Gaston flieht aus dem Kerker von Aquila und begegnet dem Ritter Etienne de Navarre. Der reist mit einem Falken, der, wie Philippe schon bald herausfindet, in Wirklichkeit eine Frau ist. Isabeau d’Anjou und Navarre waren ein Paar, doch der Bischof, der selbst in Isabeau verliebt war und sie keinem anderen gönnte, belegte beide mit einem Fluch. Nun ist Isabeau bei Tag ein Falke und Navarre bei Nacht ein Wolf – immer beieinander und doch ewig getrennt, wie Philippe es poetisch formuliert.

Navarre plant, den Bischof zu töten, doch der Mönch, der die beiden damals an ihn verraten hat und seine Schuld begleichen will, behauptet zu wissen, wie sie den Fluch brechen können: Wenn der Tag zugleich Nacht ist und die Nacht Tag, müssen sie beide in menschlicher Gestalt vor den Bischof treten. Nichts von der bevorstehenden Sonnenfinsternis ahnend, hält Navarre an seinem ursprünglichen Plan fest, schleicht sich nach Aquila und stellt sich dem Bischof entgegen.

So brav wie höfischer Minnesang

Natürlich kommt es schlussendlich zum Happyend. Isabeau taucht auf, kurz bevor Navarre den Bischof tötet, und da er sie nun beide in menschlicher Gestalt gesehen hat, ist der Fluch aufgehoben. Im Grunde ist die unspektakuläre Art und Weise, wie der Fluch gebrochen wird, symptomatisch für den Film, der in fast schon höfischer Tradition tugendhaft und sittsam bleibt. Denn zentrales Element in „Der Tag des Falken“ ist die Trennung der Liebenden. Die Vorgeschichte erfährt der Zuschauer ausschließlich aus den Erzählungen der Protagonisten, er erlebt diese Nähe niemals selbst.

Die zugrundeliegende Vorstellung von Romantik ist unverkennbar, und sie war es wahrscheinlich auch, die mich damals als Teenager ansprach. Wann immer Navarre von Isabeau spricht oder umgekehrt Isabeau von Navarre, sehen wir, wie sich ihre Gesichter aufhellen. Rutger Hauer und Michelle Pfeiffer lassen uns diese Liebe wirklich spüren, weil sie in diesen Momenten an wen auch immer denken. Doch nichts davon ist noch da, wenn sie sich am Ende in den Armen liegen und küssen.

Ein Liebespaar (wie) aus dem Lehrbuch

Moooment, werdet ihr jetzt (und nicht zu Unrecht) einwenden, hab ich nicht kürzlich noch bei „Midnight Mass“ davon geschwärmt, wie Liebe allein durch Worte und Gesten ausgedrückt wird? Warum funktioniert das bei „Der Tag des Falken“ so viel schlechter? Nun, Isabeau und Navarre entsprechen fast ohne Abwandlung zwei Archetypen der romantischen Erzählung. Navarre ist der „warrior“, ein Beschützer, der für die gerechte Sache kämpft, gnadenlos, aber auch ein bisschen obsessiv. Isabeau hingegen entspricht mit ihrer kindlichen Unschuld der „waif“, sie ist leicht zu beeinflussen und wartet darauf, gerettet zu werden. (Tami D. Cowdon, Autorin des „Complete Writer’s Guide to Heroes & Heroines“, ordnet Isabeau übrigens als „nurturer“ ein, worüber man meiner Meinung nach streiten kann.)

Das Problem ist, dass diese zwei Figuren viel zu gut zusammenpassen, weil es eben Prototypen sind. Sie haben keinerlei individuelle Persönlichkeit, sondern existieren nur für die Handlung des Films. Und da sie auch zu keinem Zeitpunkt miteinander interagieren, wird ein völlig überhöhtes Ideal geschaffen, das letztendlich niemals erfüllt werden kann. Die exakten Rahmenbedingungen des Fluchs werden zum Beispiel nie thematisiert: Gibt es bei Sonnenunter- bzw. Sonnenaufgang einen Moment, in dem sie einander begegnen können oder nicht? Eine Szene scheint das zwar anzudeuten, bleibt aber auffallend wage.

Die Geschichte nach der Geschichte

Ich halte „Der Tag des Falken“ nicht für einen schlechten Film, doch er macht es sich mit seiner Liebesgeschichte definitiv ein bisschen zu leicht. Am ehesten geht er damit noch als Kinderfilm durch, weil er gewissermaßen ein Lehrstück über Liebe und Treue ist. Für Erwachsene sind die Lücken in der Erzählung hingegen kaum zu übersehen. Man kann sich noch nicht einmal „verzaubern“ lassen, weil schlicht keine Beziehung da ist, bei der man mitfiebern könnte. Schlimmer noch, ich blieb mit dem Gefühl zurück, dass der spannende Teil der Geschichte erst nach dem Abspann kam. Also der Teil, wo die Liebenden merken, dass sie sich auseinandergelebt haben und erst wieder neu kennenlernen müssen. Das wäre der originellere Film geworden.