Star Trek: Strange new Worlds | Hegemony (2×10)

„Sometimes a monster’s just a monster.“

Die Gorn greifen eine Kolonie außerhalb des Föderationsraums an. Pike und seine Crew starten trotz Einmischungsverbot eine Rettungsmission. Spoiler!

You idiot

Bei einer Versorgungsmission auf Parnassus Beta wird Captain Batels Schiff, die Cayuga, von Gorn angegriffen. Die Enterprise, die zur Rettung eilt, trifft jedoch nur noch auf Trümmer, und da sowohl Sensoren als auch Kommunikation blockiert werden, ist unklar, ob jemand auf der Oberfläche des Planeten überlebt hat. Trotz Anweisung, hinter der Grenzlinie der Gorn zu bleiben, bricht Pike mit einem Außenteam zur Kolonie auf und findet dort schließlich Batel und weitere Überlebende. Doch um sie alle von Parnassus Beta wegzuschaffen, müssen sie die Maschine der Gorn zerstören, die den Transporter blockiert.

Spannend, aber nicht ganz unproblematisch

Zum Staffelfinale will es „Star Trek: Strange new Worlds“ noch einmal wissen. Auch wenn Action eigentlich nicht mein Fall ist, hat mich „Hegemony“ von der ersten bis zur letzten Minute gefesselt. Die Folge ist keinesfalls ohne Fehler, darauf komme ich noch zu sprechen, aber als spannender Actionthriller funktioniert sie einfach. Was schon fast mein Urteil über die gesamte Staffel vorwegnimmt, die rückblickend doch etwas unebener geraten ist als die erste.

Aber oh mein Gott feiere ich es, dass wir diesmal mit einem klassischen „to be continued“ in die Pause gehen! Ja, die Wartezeit wird verdammt lang und durch den aktuellen Streik der Autoren und Schauspieler auch nicht kürzer, aber was wäre „Star Trek“ ohne seine fiesen Cliffhanger? (Mir ist bewusst, dass ich erst kürzlich das Ende des Cliffhangers gefordert habe, aber hier ist die nächste Staffel bereits sicher, da drücke ich um der Tradition Willen beide Augen zu.)

Pike: „We can get you out of here.“
Batel: „Transporters don’t work.“
Pike: „Lucky me, I have a shuttle.“
Batel: „We can’t all fit in a shuttle.“
Pike: „We can get some people out.“
Batel: „It’s not enough. Besides, the second you try, they’ll shoot you down.“

Pike wird von persönlichen Gefühlen getrieben

Was mich an der ganzen Sache vielleicht am meisten gestört hat, ist, dass sich das zu keinem Zeitpunkt wie eine Sternenflotten-Mission anfühlt, sondern wie Pikes persönliche Rettungsaktion. Hier war nichts, aber auch wirklich gar nichts durchdacht, und das wird im oben zitierten Dialog mit Batel zwar mal kurz angesprochen, ansonsten aber konsequent ignoriert. Gab es jemals einen Plan oder wollte Pike nur seine Freundin retten? Das ist ein wichtiger Plotpunkt, den man durchaus zur Charakterentwicklung hätte nutzen können, stattdessen aber verschämt beiseite schiebt.

Wesentlich besser wird die Trennung der beiden Gruppen im Orbit und auf der Oberfläche thematisiert. Auch wenn die zu lösenden Probleme in erster Linie daher rühren, dass sich niemand im Vorfeld Gedanken gemacht hat, ergibt es Sinn, dass sie unabhängig voneinander herausfinden, was die Störung ihrer Systeme verursacht. Und dann eben, weil keine Kommunikation möglich ist, auch an beiden Fronten versuchen, dieses Hindernis zu beseitigen. Spock ist mit der Untertassensektion als Frisbee am Ende einfach nur schneller.

Der Mensch als Maß aller Dinge

Ernsthaft problematisch finde ich allerdings den Umgang mit den Gorn. Und das nicht nur im Kontext von „Star Trek“, wo man immer darauf bedacht war, selbst den Feind als fühlendes Individuum zu zeigen. Auch in unserer Selbstwahrnehmung als zivilisierte Gesellschaft ist das ein gewaltiger Rückschritt, und ich erinnere daran, dass das hier eine potenzielle Zukunft zeigt. „Sometimes a monster’s just a monster“, schnappt Pike, als Admiral April meint, dass sie die Gorn vielleicht einfach nicht verstehen, und diese Aussage bleibt dann so stehen.

Alles, was folgt, baut auf genau dieser Einstellung auf, die kollektive Begeisterung über die fancy neuen Waffen ebenso wie das völlig sinnlose Töten eines einfach nur vorbeilaufenden Gorn-Babys. Kurz wird mal was darüber gestottert, dass sie wohl doch nicht alles über die Spezies wissen, aber wenig später wird auch schon wieder wild herumgeballert. Ich möchte gerne glauben, dass das einen Umschwung in der dritten Staffel vorbereiten sollte, aber aus jetziger Sicht ist das alles erschreckend eindimensional.

Es muss kognitive Dissonanz sein, dass niemand in der Crew die Vorstellung der Gorn als „Tiere“ hinterfragt. Immerhin handelt es sich um eine raumfahrende Spezies, die ein gewisses Maß an technischer und daraus folgend auch kultureller Entwicklung erreicht haben muss. Ansatzweise sehen wir das, wenn wir im Wrack der Untertassensektion erstmals einem erwachsenen Gorn begegnen, der versucht, Zugang zu den Schiffssystemen zu erlangen. Als Spock seinen Helm einschlägt und er, nach Luft schnappend, qualvoll langsam stirbt, hat das eine ganz andere Wucht.

La’an: „It doesn’t make sense. They shouldn’t be gathering like that, the younglings. They should be fighting for dominance, not working together.“
Pike: „If you don’t understand them, it means there’s something about the Gorn we’ve yet to discover. Maybe instead of finding a way to fight them, we find some way to … reach them.“

Chapels ultimative Plot Armour

Leider scheitert „Hegemony“ nicht nur an solchen grundlegenden Fragen, sondern stolpert auch über simpelste Plot-Details. Da wird, als die Sensoren ausfallen, zum Beispiel extra noch darauf hingewiesen, dass sie nicht wissen, ob in der Untertassensektion jemand überlebt hat. Und eine halbe Stunde später beschließt man dann trotzdem, sie zu zerstören – ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Das wird fast noch offensichtlicher, als Spock dort zufällig Chapel aufgabelt, und zwar ausschließlich Chapel. Falls sonst noch jemand verletzt unter einem Trümmerteil liegt und auf Rettung hofft … pffft. Ist ja niemand, der im Vorspann steht.

Liebe ist … Befehle ignorieren

Ich schrieb eingangs, dass Pike ganz offensichtlich emotional und nicht rational handelt, als er nach Parnassus Beta fliegt. Unabhängig davon, dass das eines Captains unwürdig ist (und nicht dem Pike entspricht, den wir kennengelernt haben), gefiel mir die Art und Weise, wie seine Beziehung mit Batel weiterentwickelt wird. Und ich bin so, so dankbar, dass man gar nicht erst versucht, künstlich Drama zu generieren, sondern Pike sofort durchschaut, dass Batel mit Gorn-Eiern infiziert ist.

Vor allem besteht nun die Chance, dass man gleich zwei ausgelutschte Serien-Tropen umschifft. Erstens, sobald eine wiederkehrende Figur einen Vornamen kriegt, ist ihr Tod besiegelt. Und zweitens, Beziehungen enden niemals mit einer Trennung, sondern immer mit dem Tod des Partners. Das hat Batel nicht verdient, also hoffe ich, dass man eine Möglichkeit findet, sie zu retten, damit sie später wegen irgendeiner Kleinigkeit mit Pike Schluss machen kann. Ach, ich bin so ein Romantiker.

Batel: „How you holding up?“
Pike: „I mean, I’m not bursting into song every ten minutes, so that’s a minor victory.“

Eine durchwachsene zweite Staffel

Erinnert ihr euch noch an meine Begeisterung am Ende der ersten Staffel von „Star Trek: Strange new Worlds“? Hach, gute alte Zeiten. Ich will ehrlich sein, mich hat die zweite Staffel nicht abgeholt. Obwohl auch diesmal keine wirklich schlechte Folge dabei war und ich bei „Ad Astra per Aspera“ und „Subspace Rhapsody“ sogar zweimal die volle Punktzahl vergeben habe, fühlt sich die Gesamtheit der Folgen nicht kohärent an.

Ich bin auch weiterhin ein glühender Verfechter der episodischen Struktur, doch damit das funktioniert, braucht es zwingend eine innere Dramaturgie. Die zweite Staffel ist ein Sammelsurium verschiedener Themen und Stile, die in teils fragwürdiger Reihenfolge angeordnet sind. Im Ernst, wer kommt auf die Idee und klemmt eine Kriegsfolge zwischen ein albernes Crossover und ein Musical? Da kann jede Folge für sich genommen noch so großartig sein, es bleibt ein fader Beigeschmack.

Vielleicht waren es die Umstände. Anson Mount stand wegen Elternzeit nur begrenzt zur Verfügung, weshalb mir in einigen Folgen die ruhige und besonnene Autorität von Pike fehlte. Melissa Navia hatte kurz vor den Dreharbeiten ihren langjährigen Partner verloren, was eine Erklärung dafür sein mag, warum eine Standalone-Folge von Ortegas permanent angeteasert wurde, aber dann nie kam. Manches wiederum war ganz wunderbar, ich bin zum Beispiel froh, dass Ethan Peck und Jess Bush so viel mehr Raum bekommen haben.

Am Ende bleibt wie immer nur der Stoßseufzer, dass zehn Folgen einfach nicht ausreichen. Vier, fünf Folgen mehr pro Staffel würden der Serie so gut tun. Bei aller Kritik muss auch gesagt werden: „Star Trek: Strange new Worlds“ agiert auf einem extrem hohen Niveau und ist mit Abstand die beste „Star Trek“-Serie seit Jahren. Als Fan muss ich deshalb nicht alles großartig finden, so lange ich insgesamt weiterhin Spaß habe. Und wer weiß, was die dritte Staffel bringen wird …

Hegemonic Notes

• Eins ist mal sicher: Ortegas wird nie wieder darum betteln, an einer Außenmission teilnehmen zu dürfen.
• Wer hat noch laut aufgeschrien, als Spock bezüglich der vermissten Chapel meinte: „I wish to apologize to her.“ Sich entschuldigen?! Er?!
• Lt. Montgomery Scott, kurz Scotty. Exzellent besetzt, aber ich hatte ganz vergessen, wie schwer der schottische Akzent zu verstehen ist. 🙈 Das wird noch lustig.
• Apropos Cliffhanger, findet ihr wirklich, dass es einer ist? Ist doch eigentlich klar, dass Pike die Befehle ignorieren wird, um seine Leute zu retten, oder?

3 von 5 Bananen, die mit dem Phaser „forschen“.

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