Star Trek: Picard | Seventeen Seconds (3×03)

„Anyone else want to throw more weird shit at me?“

Die Titan versucht, Vadic im Nebel abzuhängen. Raffi und Worf finden heraus, wer wirklich hinter dem Angriff steckt. Spoiler!

You’ve just killed us all

Während es im Nebel zu einem Versteckspiel zwischen der Titan und Vadics Shriek kommt, haben Picard und Crusher endlich Zeit, sich auszusprechen. Doch es bleibt nicht lange ruhig, denn Vadic kann sie aufspüren und greift an. Dabei wird Shaw verletzt und übergibt das Kommando an Riker, der sich entgegen Picards Rat für eine defensive Strategie entscheidet. Derweil verfolgen Worf und Raffi einen gewissen Titus Rikka, der Sneed offenbar dafür bezahlt hat, zu verbreiten, dass die Romulaner hinter dem Angriff auf das Recruitment Center stecken. Doch Rikka ist nicht, was er zu sein scheint: Er ist ein Formwandler und Teil einer Gruppe von Abtrünnigen, die sich vom Great Link losgesagt haben.

Das Thema, auf das wir jahrelang gewartet haben

Okay, die dritte Staffel „Star Trek: Picard“ ist für mich gerade tausendmal interessanter geworden. Formwandler? Nachdem das Franchise den Dominion-Krieg außerhalb von „Star Trek: Deep Space Nine“ jahrelang mit geradezu aggressiver Hartnäckigkeit ignoriert hat? Scheiße, ja, her damit! (Nie war ich trauriger, dass uns René Auberjonois so früh verlassen hat, so kann Worf seinen Informanten Odo in dieser Folge leider nur andeuten.) Darüber hinaus sägt „Seventeen Seconds“ weiter am Heldenmythos von Picard, und es ist glorios.

Beverly: „We both knew we were at the end.“
Picard: „I didn’t. I didn’t know I would never see you again. That I would wonder for years what it was that I had done. Having no idea that it was really all about what you had done.“

Mama Bear Beverly Crusher

Ich weiß gar nicht, wo ich diese Woche anfangen soll. Widmen wir uns vielleicht zuerst der einen Sache, die mich ein bisschen enttäuscht hat: die Aussprache zwischen Picard und Crusher. Es ist genau das passiert, was ich befürchtet hatte, Beverlys Erklärung für die Geheimhaltung ihrer Schwangerschaft ist schlicht lächerlich. Sie hatte also Angst, dass ihr Sohn eine Zielscheibe auf dem Rücken hat, sobald bekannt wird, dass Picard der Vater ist, zieht ihn dann aber in zwielichtige Waffengeschäfte hinein? Entschuldigt bitte, aber Jack war ziemlich erfolgreich darin, sich seine ganz persönliche Zielscheibe umzuschnallen.

Die Erklärung wird sogar noch dünner, wenn man sich anschaut, was Picard die letzten Jahre so getrieben hat, während Beverly und ihr ach so wertvoller Sohn durch die Galaxis gezogen sind und sich eine Menge Feinde angelacht haben. Er saß auf seinem verdammten Weingut in Frankreich! Wenn man uns nichts Wesentliches verschwiegen hat, hatte er den Großteil von Jacks Kindheit und Jugend ein ziemlich beschauliches Leben, das von niemandem groß bedroht wurde. Es nun darauf zu schieben, dass Jack ab einem gewissen Alter (natürlich) kein Interesse hatte, den schon immer abwesenden Vater kennenzulernen, ist reichlich verlogen.

Das andere Argument, dass Beverly vorbringt, ist, dass Picard deutlich gemacht hat, dass er Kinder nicht mag. Da hat man es sich sehr einfach gemacht, denn ja, es gab damals diese eine Folge, wo Picard Zeit mit ein paar Kindern verbringen muss und sich sehr ungelenk anstellt. Aber wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, endet die Geschichte damit, dass er seine Haltung überdenkt. Und selbst Beverly sollte bekannt sein, dass es noch mal was ganz anderes ist, sein eigenes Kind in den Armen zu halten. Picard hätte in die Rolle hineinwachsen können, aber sie hat ihm gar nicht erst die Chance dazu gegeben.

Zwei unterschiedliche Sichtweisen

Wesentlich besser funktioniert für mich der Bruch zwischen Picard und Riker, weil er erstens ordentlich vorbereitet und zweitens auf interessante Weise mit dem Thema Vaterschaft verknüpft wird. Nachdem Riker das Kommando übertragen wurde, erleben wir die Zwei zuerst so, wie wir uns das vorgestellt haben. Riker hat eine Idee, die er gar nicht groß erklären muss, da hat Picard sie schon umgesetzt. Sie haben lange genug miteinander gearbeitet, um ihre jeweiligen Denkprozesse nachvollziehen zu können.

Dann aber findet eine Verschiebung statt, als Riker erkennt, dass sie dem Feind in jeder Hinsicht unterlegen sind. Also konzentriert er seine Energie darauf, Schiff und Crew zu retten, die sie immerhin selbst in diese Lage gebracht haben. Picard macht diesen Sprung nicht, er beharrt auf einer offensiven Strategie. Man könnte argumentieren, dass Riker sich nicht darauf hätte einlassen müssen, aber seine Wut auf den Mann, zu dem er immer aufgesehen hat, ist dennoch nachvollziehbar und absolut verständlich.

Und hier kommt auch der Flashback vom Anfang der Folge ins Spiel, denn der dient keineswegs nur der Nostalgie. Vielmehr eröffnet uns Rikers Erzählung von den „längsten siebzehn Sekunden“ seines Lebens die Möglichkeit, das Verhalten beider Männer besser einzuordnen. Riker ist Vater, er hat einen Beschützerinstinkt entwickelt, aber auch eine gewisse Vorsicht, die ihn keine unnötigen Risiken mehr eingehen lässt. Wenn man so will, sieht er sich als Vaterfigur für die gesamte Crew. Picard kennt dieses Gefühl nicht (dank Beverly, ergänzte sie ärgerlich in Gedanken) und versteigt sich wohl auch in die Vorstellung, dass es seine Pflicht ist, Jack zu beschützen, indem er dessen Feinde vernichtet.

„It’s too late, Klingon. Human. Solids. Your worlds are on the verge of destruction. Soon your Federation will crumble.“

Das Erbe von „Star Trek: Deep Space Nine“

Puh, wir arbeiten uns hier wirklich durch harte Psychologie, also noch was Leichtes zum Schluss: der Dominion-Krieg. Da dürft ihr mich getrost als Expertin betrachten, auch dank meines kürzlichen Rewatchs von „Star Trek: Deep Space Nine“. Der Krieg endete damals damit, dass Odo in den Great Link zurückkehrte, um sein Volk von einer tödlichen Krankheit zu heilen, mit der es von Section 31 infiziert wurde. (Ja, meine Lieben, die Föderation hat inoffiziell versucht, Genozid zu begehen. Und niemand hat je wieder darüber gesprochen.) Er wollte die Founder aber auch all das lehren, was er durch sein Leben unter Solids von ihnen gelernt hat – für ein künftig friedliches Miteinander.

Wie schon angemerkt, hat „Star Trek“ das Thema bisher sehr erfolgreich ausgeblendet. Nicht nur, während der Krieg noch tobte (zur selben Zeit liefen zwei oder drei Kinofilme mit Picard und Co.), sondern auch danach. Wie sich der Gamma-Quadrant nach dem Zusammenbruch des Dominion weiter entwickelte, schien einfach niemanden der Verantwortlichen zu interessieren. Meine Genugtuung, dass wir nach so vielen Jahren nun endlich darauf zu sprechen kommen, könnt ihr euch gar nicht vorstellen. Es ist spät, und ich ahne, dass es nur wenig sein wird, aber immerhin bringen sie die Formwandler zurück.

Was wurde gestohlen, und was hat Vadic damit zu tun?

Was fast noch wichtiger ist: Wir haben zur Abwechslung einmal einen Antagonisten mit echtem Motiv (siehe versuchter Genozid). Aber es gibt noch jede Menge offener Fragen. Worf und Raffi finden heraus, dass der ganze Bohei mit der Portalwaffe nur Ablenkung war, damit niemand merkt, was noch aus dem Daystrome Institute gestohlen wurde. Das Einzige, was ich damit in Verbindung bringe, ist die Abteilung für größenwahnsinnige KIs, wo „Star Trek: Lower Decks“-Baddies wie Agimus und Peanut Hamper eingesperrt sind. Hey, ein Teil von mir fände es äußerst amüsant, wenn man die in einer Art gigantischem Crossover auch noch irgendwie in die Story pfriemeln würde. Wahrscheinlicher sind angesichts bereits angekündigter Gastauftritte aber Lore und/oder Moriarty.

Auf einer Skala von null bis offensichtlich, wie wenig meint ihr, interessiert mich Vadic aktuell? In irgendeiner Form wird sie in den Plot schon hineinpassen, immerhin scheint ihre Waffe dieselbe Portaltechnologie zu nutzen (und diese Waffe ist auch so ziemlich das Interessanteste an ihr). Aber wenn sie am Ende nur eine Marionette von Lore ist oder so, dann wäre das echt einfallslos. Gebt ihr wenigstens eine eigene Motivation, immerhin ist sie ziemlich hartnäckig, was Jack angeht.

(Not quite) Seventeen Notes

• La Forge jr. sagt „Commander Seven“, was meine Theorie von Vor- und Nachnamen bei den Borg irgendwie zerschießt. Ich fand, das sollte ich noch mal ansprechen.
• Diese Kritik ist schon viel zu lang, aber ich könnte gut noch einen ganzen Absatz über Worf schreiben. Wie er seinen ellenlangen Titel aufsagt und Raffi dann Kamillentee anbietet. Oder sein trockenes „beheadings are on wednesdays“. Ge-ni-al!
• Finden wir es wichtig, dass es an einer Stelle heißt, dies sei kein Nebel, sondern eine unbekannte Anomalie?

4 ½ von 5 Bananen mit Daddy-Issues.

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