Das Remake als Chance zur Neuinterpretation | “Der Himmel über Berlin” und “Stadt der Engel”

Wenn Hollywood den Stoff eines ausländischen Films neu verfilmt, so ist das normalerweise kein Qualitätsmerkmal. Bei “Stadt der Engel” und dem deutschen Vorbild “Der Himmel über Berlin” ist das anders, es gelingt eine Neuinterpretation, die andere Schwerpunkte setzt und einen eigenen Stil entwickelt. Kann man da noch von einem Remake sprechen?

Ende der 1980er drehte Regisseur Wim Wenders den Film “Der Himmel über Berlin”, eine Geschichte über den Engel Damiel, dem seine Existenz nicht mehr ausreicht, dessen Sehnsucht nach dem Menschsein so groß wird, dass er sich dazu entschließt, sein altes Leben aufzugeben. Er verliebt sich in die Trapezkünstlerin Marion, die sich mit Leichtigkeit über die scheinbare Schwere der menschlichen Existenz hinwegsetzt.

Eine ganz ähnliche Geschichte erzählt gute zehn Jahre später Brad Silberling in “Stadt der Engel”. Darin ist es der Engel Seth, der über die Menschen wacht und die Sterbenden abholt, als er die Ärztin Maggie kennenlernt. Sie droht am Tod eines Patienten zu verzweifeln, und will ihr Seth anfangs nur helfen, damit fertig zu werden, verliebt er sich mehr und mehr in sie. Als er sich als Engel zu erkennen gibt, weist sie ihn zurück, deshalb wagt Seth den Sprung und wird zum Menschen. Doch sein Glück währt nur kurz, er verliert Maggie, kaum dass er sie gewonnen hat.

Kann man diese beiden Filme überhaupt miteinander vergleichen? Es ist interessant, dass sich ihre Handlung auf dem Papier frappierend zu gleichen scheint, beim Sehen jedoch ein gänzlich anderer Eindruck entsteht. Das liegt zum einen an verschiedenen Änderungen an der Geschichte – so verliebt sich Seth in eine Ärztin, wo es bei Damiel noch eine Akrobatin war – doch in erster Linie liegt es daran, dass beide Filme sehr unterschiedliche Töne anschlagen.

“Stadt der Engel” ist ein über weite Strecken sehr melancholischer Film, der sich mit Fragen um Tod und Nachwelt auseinandersetzt. Die Verzweiflung steht im Vordergrund, auf der einen Seite Maggies Selbstzweifel nach dem Tod eines Patienten, zum anderen Seths Sehnsucht nach menschlichen Gefühlen. Silberling spielt mit warmen Farben, einem ruhigen Soundtrack und vielen Nahaufnahmen, es wird gezielt auf die Tränendrüse gedrückt, und der Film endet ohne Happyend, was für Hollywood eher ungewöhnlich ist.

Wim Wenders’ “Der Himmel über Berlin” hat ein ganz anderes Anliegen, man könnte fast sagen, die Aussage ist das genaue Gegenteil von “Stadt der Engel”, denn das Leben wird als Wunder gefeiert. Damiels Sehnen ist viel positiver, ihn packt die Abenteuerlust, er möchte alles spüren. Interessanterweise sind die ersten 90 Minuten des Films in Schwarzweiß gehalten, um die Beschränktheit der Sinneswahrnehmung der Engel zu verdeutlichen. Erst mit Damiels Menschwerdung wird auch der Film farbig, und gerade hier sieht man den deutlichsten Unterschied zu “Stadt der Engel”, denn da gibt es keine weichgezeichnete Romantik, sondern pures buntes Leben. Und nicht zuletzt endet “Der Himmel über Berlin” zwar nachdenklich-philosophisch, aber eben auch positiv.

Es wird freilich immer Leute geben, denen “Der Himmel über Berlin” zu kopflastig ist, obwohl gerade die poetische Schwere der Sprache etwas typisch Deutsches ist, was man heute leider gar nicht mehr findet. Und natürlich wird es auch immer die geben, die Brad Silberling vorwerfen, mit “Stadt der Engel” ein uninspiriertes Remake geschaffen zu haben, das dem Original nicht gerecht wird. Fakt aber ist, wer beide Filme gesehen hat, wird zugeben müssen, dass die Parallelen minimal sind, dass maximal die Grundidee dieselbe ist, und ansonsten zwei sehr unterschiedliche Geschichten auf sehr unterschiedliche Weise erzählt werden. Dem einen mag der eine besser gefallen, dem anderen der andere, Konkurrenz machen sie einander jedenfalls nicht.