Aus dem Nähkästchen | Eine kleine Geschichte über Etamin

„Aber wie das so ist, ist man erst mal so weit, denkt man sich, ach, was soll’s, dann kann ich’s auch gleich nähen. Und das war der Fehler.“ (aus meinem Tagebuch)
Heute will ich diese Rubrik mal ein bisschen anders aufziehen. Das eigentliche Projekt, ein halber Tellerrock, ist im Grunde nämlich recht unspektakulär und das eigentlich Interessante daran der verwendete Stoff. Wie ich schon beim letzten Mal schrieb, habe ich mir spontan einen Baumwoll-Etamin gekauft, ein eher leichtes Gewebe (155 g/m²) mit griffiger Struktur, die selbst einfachen Kleidungsstücken eine interessante Optik verleiht.
Über den Stoff an sich kann ich euch nicht viel sagen, da ich selbst praktisch nichts dazu gefunden habe. Aber ein Lexikoneintrag ist im Grunde auch nicht Zweck dieser Übung. Ich will hier ganz subjektiv berichten, wie es mir mit dem Etamin ergangen ist, und auf ein paar Hürden hinweisen, falls ihr selbst einmal euer Glück damit versuchen wollt.

Leicht, griffig und locker gewebt

Zunächst einmal: Etamin ist ein Webstoff. Das heißt, er ist unelastisch und sollte an den Kanten immer versäubert werden, um Ausfransen vorzubeugen. Die gute Nachricht ist, dass die Leinwandbindung ziemlich stabil ist, es lösen sich also nicht sofort nach dem Zuschneiden Fäden und man hat Zeit, um beispielsweise in Ruhe einen Saum zu stecken.
Was man bei der Wahl des Projekts bedenken sollte, ist, dass die Webart nicht völlig blickdicht ist. Der Stoff ist nicht durchsichtig, im Licht kann er aber schon ein wenig durchscheinend sein. Für meinen Rock spielte das keine Rolle, weil ich grundsätzlich Unterröcke einnähe, aber bei einem Shirt würde ich das vorher besser in der Sonne testen.
Etamin Nahaufnahme

Elastisch oder nicht elastisch, das ist hier die Frage

Aber sprechen wir endlich über den Elefanten im Raum, denn ich würde diesen Artikel nicht schreiben, wenn ich nicht auch Probleme mit dem Etamin gehabt hätte. Ich schrieb oben, dass der Stoff unelastisch ist. Das war nur die halbe Wahrheit. Die Besonderheit des Tellerrocks ist sein Zuschnitt, der sämtliche Fadenläufe ignoriert. Man schneidet also zwangsläufig einen Teil des Stoffs in der Diagonale zu, weshalb die Formel für Tellerröcke auch einen Abzug beinhaltet, der die Dehnung berücksichtigt.
Vermutlich braucht man ein Paar Jahre Erfahrung, um einschätzen zu können, wie viel man bei verschiedenen Stoffarten jeweils abziehen muss. Ich hatte zuvor nur einen Tellerrock aus Flanell genäht, und dieser Stoff war so fest, dass da wirklich gar nichts elastisch war. Der Etamin ist wesentlich dünner und hing sich allein durch das Herumhantieren damit so sehr aus, dass ich später noch mal vier Zentimeter an der Taille wegnehmen musste, damit der Bund wieder passt.
Aufgefallen war mir das allerdings erst beim Einnähen des Reißverschlusses. Normalerweise bereitet mir das mittlerweile keine Probleme mehr, diesmal aber wellte er sich hinterher ganz fürchterlich, was ich mir erst gar nicht erklären konnte. Ein wenig Recherche brachte mich darauf, dass das bei elastischen Stoffen passieren kann, und da erst ging mir auf, dass der Fadenlauf hier kreuz und quer ist. Abhilfe schafft übrigens etwas Bügelvlies, das dem Stoff die nötige Stabilität gibt.
Etamin: Reißverschluss mit Bügelvlies

Mein Fazit

Kann ich mir vorstellen, noch einmal mit Baumwoll-Etamin zu arbeiten? Grundsätzlich ja, aber ich würde mir dafür ein Projekt suchen, das mit dem Fadenlauf arbeitet und nicht dagegen. Denn letztendlich ist der Stoff wirklich schön, er fällt locker, ist nicht zu schwer und im Sommer bestimmt angenehm zu tragen. Einen lockeren Cardigan könnte ich mir daraus echt gut vorstellen. Fürs erste werde ich die Stoffreste aber vermutlich erst mal bei einem Oberteil aufbrauchen.