Nur die Liebe zählt | Die Zukunft eines Gefühls

Die Zukunft sieht eigentlich recht vielversprechend aus. Vorausgesetzt, die Roboter wenden sich nicht vorher gegen uns oder Aliens löschen unseren Planeten aus. Und auch die Liebe ist so viel schöner. Vor allem aber endgültiger. Die erste Liebe ist grundsätzlich die, die gleich vor den Traualtar führt, und bis dass der Tod euch scheide, wird häufig allzu wörtlich genommen. Was Versklavung durch Roboter plötzlich doch wie eine nette Alternative erscheinen lässt.

Wer in Science-Fiction Realitätsnähe sucht, der bellt zweifellos den falschen Baum an. So sehen wir auch stillschweigend darüber hinweg, dass kein Raumschiff im Weltall knattern oder woooosh machen würde, oder Explosionen mit Feuerball im Vakuum physikalisch ein Ding der Unmöglichkeit sind. In Sachen Liebe übertrifft Science-Fiction aber noch so manche Soap, so dass man sich unweigerlich fragen muss, wollen uns die Autoren die Zukunft hier eigentlich schmackhaft machen oder im Gegenteil eine Heidenangst einjagen?

Wenn man sich über die Darstellung von Liebesbeziehungen in Science-Fiction Gedanken macht, muss man unweigerlich bei “Star Trek” beginnen, denn die Serien waren stets ein Abbild der Zeit, in der sie entstanden. Es war in gewisser Weise typisch, dass Captain Kirk in den Sechzigern jedem weiblichen Wesen die Zunge in den Hals steckte und sich ständig das Hemd vom Leib riss. Von Liebe war da selten die Rede, aber man drang dahin vor, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen war. Bei Captain Picard und seiner Crew war alles ein wenig komplizierter, eben genau so, wie auch die Neunziger waren. Riker und Troi eierten sieben Staffeln lang herum, bevor sie schließlich doch erkannten, dass sie vom ersten Tag an füreinander bestimmt waren. Dazwischen machte jeder mit jedem ein bisschen rum, nur um dann Selbstzweifeln zu erliegen oder heroisch zu verzichten. Kompliziert eben.

Dennoch zeigt sich hier bereits ein Trend, der sich bei “Deep Space Nine” noch viel ausgeprägter darstellte. Zum einen sind es meist die Paare, die man als Zuschauer mit gesundem Menschenverstand schon in der ersten Folge erkennt, die am Ende (jedoch erst nach vielen Irrungen und Wirrungen) auch zueinanderfinden. Bei Riker und Troi war es fast zu offensichtlich, und jeder Versuch seitens der Autoren, es zu leugnen, endete in schrecklich kitschigen und hochgradig unglaubwürdigen Geschichten. Bei “Deep Space Nine” waren Bashir und Dax so ein Paar, das sich von Anfang an süß kabbelte, ohne dass es jemals irgendwo hinführte. Dax musste erst sterben und der Symbiont in einen anderen Wirt übertragen werden, bevor eintrat, was Millionen Fans schon immer gewusst haben. Doch Dax ist ein gutes Stichwort für ein anderes Problem bei “Star Trek”: der Tod. Wenn man mal darüber nachdenkt, wie viele Paare sich in dieser perfekten Zukunftsvision jemals getrennt haben, merkt man erst, wie absurd diese Liebesgeschichten eigentlich sind. Scheidung? Gibt es nicht. Wenn es die Story verlangt, dass eine Person wieder frei ist, stirbt ihr Partner eben. Worf starb erst K’Ehleyr weg, dann Dax, das sollte ihm wirklich zu denken geben. Bareil starb, damit Kira für Odo frei ist. Kes starb, damit Tom sich endlich B’Elanna zuwendet. Amor dürfte das alles nicht so lustig gefunden haben, was da in seinem Namen passiert.

Im Grunde hatte man bei “Star Wars” dieselben Probleme, doch da die Saga von Haus aus nicht viel mit der Realität zu tun hat, konnte man alles ein bisschen märchenhaft überhöhen. Hier starb zwar keiner, damit der Partner sich wieder anderweitig umsehen kann, aber das ist auch gar nicht nötig, weil die erste Wahl sowieso immer die richtige ist. Prinzessin Leia hat vor Han Solo offenbar nie auch nur einen Mann angeguckt, und er ist zwar ein gewiefter Schmuggler und Schuft, aber interessiert er sich irgendwann in den drei Filmen für eine Frau abgesehen von Leia? Nope. Happyend, Hochzeit, Geburt von Zwillingen. Das setzt sich in der nächsten Generation übrigens fort, ihre Kinder verlieben sich bereits im Teenageralter und heiraten ohne Umschweife. Ironischerweise hatte Luke Skywalker in den Filmen immer ein bisschen die Aura eines Mönchs, was erst in den nachfolgenden Romanen relativiert wurde. Anakin und Amidala schießen allerdings den Vogel ab, denn wer glaubt denn allen Ernstes, dass eine erwachsene Frau wartet, bis ein kleiner Junge, der ihr im Alter von neun Jahren versprochen hat, sie eines Tages zu heiraten, alt genug ist, dass es nicht mehr strafbar ist? (Ganz zu schweigen davon, dass sie das tut, während so ein fescher junger Jedi wie Obi-Wan Kenobi danebensteht.) Und einem Jungen mit Anakins Temperament hätte ich durchaus auch die eine oder andere unstandesgemäße Affäre zugetraut.

Der Trend ist ungebrochen, seien es Adama und Roslin oder Apollo und Starbuck bei “Battlestar Galactica” (beide Paare mit einem Toten am Ende), Peter und Olivia bei “Fringe” (sie lernen sich schon als Kinder kennen!), Carter und Alison bei “Eureka” (wir wussten es von der ersten Folge an), oder Rose und “Doctor Who” (sie musste in eine andere Dimension verbannt werden). Was bringt Autoren dazu, die Liebe derart zu verklären? Die einleuchtendste Erklärung dürfte der Verlust gesunder Beziehungen im echten Leben sein. Die Menschen werden immer einsamer und isolierter, Internet, eMail und Twitter führen schon heute zu einer Verkümmerung der Kommunikationsfähigkeit und Bereitschaft, sich intensiv auf andere Menschen einzulassen. Da wirkt es beinahe ein wenig naiv, dass die Liebe zur letzten Bastion im Kampf gegen die Entmenschlichung erklärt wird. Liebe wird zum Allheilmittel, ein Gegenpart zur Technisierung, zu interstellaren Kriegen und immer unbesiegbareren Gegnern. Es mag sogar sein, dass viele Zuschauer gerade das ansprechend finden, weil es heute wie morgen utopisch ist und damit die eigentliche Science-Fiction bei “Star Trek”, “Star Wars” und Co.

Science-Fiction-Serien werden sich neben den typischen Problemen im Weltall immer auch mit den eigentlich normalen Dingen des Lebens befassen. Das heißt zwangsläufig, es wird auch immer um die Liebe gehen, mal episch breit, mal nonchalant. Das ist auch richtig so, denn ohne diese kleinen Brücken zur Jetztzeit würden solche Serien schnell an Beliebtheit verlieren, weil sie einfach zu abstrakt wären. Dennoch könnte ein wenig mehr Realitätssinn manchmal nicht schaden, denn nur weil etwas erfunden ist, heißt das nicht, dass es automatisch völlig von dem abweichen muss, was wir kennen. Und seien wir mal ehrlich: Gäbe es nicht wunderbaren Konfliktstoff, wenn zwei Ex-Partner auf demselben Raumschiff arbeiten müssten? Vor allem wäre es unglaublich realistisch.