Für die einen ist “The Fountain” ein unverständlicher Kunstfilm, der mit schönen Bildern zu verschleiern versucht, dass er keine Handlung hat. Für die anderen ist er eine universell verständliche Symbiose aus Bild und Musik, wie es sie so nur selten im Kino zu sehen gibt. Beides stimmt.
Film entstand einst als völlig eigenständige Kunstform; das bewegte Bild, das Schaulust und Sensationsgier befriedigte. Erst später übernahm er die Erzählformen des Theaters und legte so den Grundstein für unsere heutige Erwartungshaltung, wenn wir ins Kino gehen. Wir wollen eine nachvollziehbare Handlung, mitreißende Dialoge, schöne Bilder und einen guten Soundtrack. Und deshalb fällt es uns auch so schwer, einen Film unvoreingenommen und nach seinen eigenen Regeln zu bewerten, wenn er von diesem Schema abweicht.
“The Fountain” erzählt drei Geschichten, die doch zu einer einzigen verschmelzen. Der Neurologe Tom forscht mit dem Elan der Verzweiflung nach einem Heilmittel für den Hirntumor, an dem seine Frau Izzie erkrankt ist. Doch die Zeit läuft ihm davon, und während sie sich mit dem Unabwendbaren abgefunden hat und Kraft daraus schöpft, dass der Tod immer auch neues Leben bedeutet, sucht er nach dem ewigen Leben. In Izzies Roman nimmt Tom die Rolle des Konquistador ein, der der Königin von Spanien treu ergeben ist und sich in ihrem Namen auf die Suche nach dem Baum des Lebens macht. Er wird ihn am Ende finden und erleben, wie dicht Tod und Leben beieinander liegen. Und irgendwo in den fernen Weiten des Alls strebt ein dritter Tom zusammen mit dem Baum einem sterbenden Stern entgegen, der für die Maya die Wiedergeburt verkörperte. Es ist das Ende, das er für Izzies Roman schreiben soll.
Wenn man den Film nach den Gesichtspunkten des typischen Hollywood-Blockbusters bewertet, kann er eigentlich nur verlieren. Nach dem ersten Ansehen war ich mir selbst nicht ganz sicher, ob er mir wirklich gefallen hatte, oder ob ich nicht eigentlich nur völlig verwirrt war und deshalb annahm, gerade so etwas wie Kunst gesehen zu haben, die über jede Kritik erhaben ist. Auch heute würde ich nicht behaupten wollen, “The Fountain” verstanden zu haben, aber ich denke, darum geht es auch gar nicht. Autor und Regisseur Darren Aronofsky hat keine geheime Botschaft darin versteckt, die man entschlüsseln muss, um den Film zu knacken, er steht als Allegorie für das menschliche Leben und Sterben. Natürlich bietet er esoterische Ansätze, die als solche auch von vielen Kritikern angegriffen wurden, aber Aronofsky wahrt meines Erachtens eine gesunde Distanz dazu, er liefert keine Antworten, sondern nur die Fragen.
Man wird dem Film wohl am ehesten gerecht, wenn man ihn in der Summe seiner Einzelteile betrachtet. Die Handlung ist zweifellos dünn und frei interpretierbar, sie besteht aus einzelnen Szenen, die suggestiv, nicht inhaltlich miteinander verknüpft werden. Seine große Stärke ist das Zusammenspiel großartiger Bilder mit einem gewaltigen Soundtrack, der nicht nur untermalt, sondern gleichberechtigt neben der erzählten Geschichte steht, Teil davon ist, sie vielleicht sogar ersetzt. Clint Mansells Stil ist dabei jederzeit erkennbar, dennoch entwickelt er eine ganz eigene Sprache für “The Fountain”. Doch auch hier, für sich allein kann die Musik nicht wirken, die Höhepunkte seiner Kompositionen stehen und fallen mit den begleitenden Bildern, vor allem beim großen Finale im sterbenden Stern.
Vermutlich kann man “The Fountain” nur lieben oder hassen, unbeeindruckt bleibt man zumindest nicht. Wer versucht, aus dem Gesehenen schlau zu werden, kann nur scheitern, wer es aber schafft, jede Erwartungshaltung zu unterdrücken und sich dem meditativen Rausch aus Bild und Ton hinzugeben, könnte überrascht sein, einen Film zu erleben, der noch echtes Spektakel ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Hm, ich verstehe unter "dünner Handlung" eher so etwas, wie man es beim durchschnittlichen Teenie-Film findet, wenn es nur darum geht, wie ein hässliches Entlein zum schönen Schwan wird. Also etwas ohne jegliche Substanz, das man sich ohne Gehirnzelleneinsatz vorplätschern lassen kann.
Was man The Fountain ja wirklich nicht vorwerfen kann. 😉
Ich meinte tatsächlich Handlung im Sinne von erst passiert das, dann passiert das, und deswegen passiert dann das, ja. 🙂
Mein Problem ist irgendwie, dass viele Leute sagen, wenn ich nicht verstehe, worum es geht, und wenn es mir auch keiner erklären kann, dann ist der Film automatisch schlecht. Und das ist eben nicht der Fall, man muss keine Antworten finden. Dasselbe ist doch bei "Donnie Darko" passiert, die Leute sagen, es gibt gar keine Lösung, also scheiße.
Letztendlich sind wir uns ja in einem einig: Der Film ist großartig. Ich seh ihn mir immer wieder gerne an und finde auch jedes Mal wieder neue Aspekte.
>Die Handlung ist zweifellos dünn
Wirklich? Es passiert nicht viel im Sinne von Action oder ständig wechselnder Szenen. Aber den Kampf gegen den Tod eines geliebten Menschen, und der Friede, den man mit der Unausweichlichkeit der Sache finden kann oder auch nicht… das halte ich als Handlung für unheimlich dicht. Oder dick. Oder wie auch immer. 😉
Als hollywoodverwöhnter Zuschauer muss man unwillkürlich ständig gegen das "Hä, wat's Scheiß"-Gefühl ankämpfen, denn die Erzählweise ist eben nicht mal eben so leicht verdaulich mit Popcorn und Cola.
Aber – und da stimme ich dir wieder nicht zu ;P – wenn man versucht, aus dem Gesehenen schlau zu werden, MUSS man auf irgendeine Art gewinnen. Irgendetwas. Ich denke, der Sinn des Films besteht darin, dass jeder seine eigene Weisheit darin finden kann – aber suchen muss man sie schon. Für mich ist The Fountain eben nicht nur ein Videoclip, von dem man sich berauschen lassen kann, sondern bietet eine überbordende Fülle an Metaphern und Deutungsmöglichkeiten, dass man fast automatisch zum Suchenden wird (wie Tom).
Und das ist für mich persönlich das Geniale des Films zusammen mit der Emotionsweite von Verzweiflung, dem Nicht-Wahrhabenwollen, dem Kampf und am Ende dem Scheitern, woraus letztendlich ein schmerzlicher Friede wächst.
Toller Film!