Schreibstube | KW42

Eine der wichtigsten Entscheidungen, die man als Autor treffen muss, bevor man eine Geschichte überhaupt anfängt, ist die Erzählperspektive. Sie ist nicht einfach nur ein Stilmittel, sondern legt bereits vom ersten Satz an fest, wie man den Leser binden will. Sie ist es, die Tonfall und Tiefe der Geschichte bestimmt, deshalb sollte man diese Entscheidung niemals überstürzen.

Ich gebe zu, ich bin eine glühende Anhängerin des auktorialen Erzählers. Da ich gerne umfassend über meine Figuren schreibe, bietet sich diese Perspektive meistens von selbst an. Sie erlaubt es mir, ganz nach Belieben den Schwerpunkt zu wechseln, mal den Fokus auf die eine Figur zu legen, mal auf eine andere, und in besonders intensiven Szenen beide Seiten aufeinanderprallen zu lassen.

Es ist allerdings nicht zu leugnen, dass ich damit den einfachsten Weg gehe. Wann immer ich eine Geschichte aus der Ich-Perspektive begonnen habe, habe ich sie nach ein paar Seiten doch umgeschrieben, weil ich merkte, dass mir diese eine Sichtweise einfach nicht ausreicht. Dass ich die Gedanken- und Gefühlswelt von mehr als nur einer Figur ergründen möchte.

Bei “Nocturnal” stehe ich vor genau dem entgegengesetzten Problem, denn Annas Geheimnis muss sowohl Christopher als auch dem Leser für eine Weile vorborgen bleiben. Die erste Fassung schrieb ich folglich in der Ich-Perspektive, die zweite mit einem personalen Erzähler, die dritte wieder als Ich-Erzähler. Ich bin hin und her gerissen, welches die beste Lösung ist, denn mit der Ich-Perspektive würde ich mich gleichzeitig auf Christophers Tonfall festlegen. Andererseits könnte genau auch das den Reiz ausmachen …