Es ist vergleichsweise selten der Fall, dass ich das Bedürfnis verspüre, mich lang und breit über Filme auszulassen. Das liegt nicht zwangsläufig daran, dass sie schlecht sind, viele davon sind vielleicht sogar richtig gut, sie berühren nur einfach nichts in mir. Weil es Action-Blockbuster sind oder Liebeskomödien oder Science-Fiction-Epen. Über “A Single Man” allerdings sollten wir sprechen.
Wenn man sich die den Spaß gönnen will, ein paar der Kritiken zu lesen, die damals dazu geschrieben wurden, so fällt vor allem auf, dass sich die meisten Leute daran aufhalten, dass Tom Ford eigentlich kein Regisseur ist. Was wiederum ziemlich lächerlich ist, denn ob man nun als Kameramann, Drehbuchautor oder Designer beginnt, spielt ja keine Rolle, solange man ein Auge fürs Visuelle hat. Genau genommen hat Ford sogar einen riesigen Vorteil. Er ist nicht dem klassischen Hollywood verpflichtet und traut sich, eine Bildsprache zu verwenden, die eher der Bildenden Kunst entspringt.
Die Geschichte von “A Single Man” basiert auf dem gleichnamigen autobiographisch inspirierten Roman von Christopher Isherwood. Die Erzählung des Films ist allerdings sehr minimalistisch, es wäre fast übertrieben, es Handlung zu nennen, denn wie die Hauptfigur George bleibt auch der Film sehr verschlossen. Wir erleben, wie ein Mann daran zerbricht, dass seine große Liebe gestorben ist, der Alltag rauscht nur noch unbemerkt an ihm vorbei, und so beschließt er, sich das Leben zu nehmen. Er bereitet alles minutiös vor, wobei die Szene, in der er mit dem wegrutschenden Kopfkissen kämpft und schließlich sogar den Schlafsack auspackt, nur um nicht so viel Dreck zu hinterlassen, auf eine unheimlich traurige Weise witzig ist. Dann blüht seine Welt plötzlich und völlig unverhofft noch einmal auf. Der Fokus liegt dabei vollständig auf George, andere Figuren bleiben blass, doch das stört in dem Fall nicht, es ist seine Wahrnehmung. Und Colin Firth ist einfach großartig.
Tom Ford zeigt uns Georges seelischen Zustand mithilfe einer speziellen Farbsprache. Nach Jims Tod scheint für ihn alles grau geworden zu sein, ganz so, als wäre alle Freude herausgewaschen. Aber dieser Zustand ist nicht permanent, immer wieder erblickt er Dinge oder Menschen, die ihn für einen Moment vergessen lassen, was er verloren hat. Dann beginnt die Umgebung plötzlich zu glühen, nimmt eine fast unwirkliche Färbung an. Und genauso schnell verfliegt das Leuchten auch wieder, als würde George mit einem Mal bewusst werden, dass er solche Momente gar nicht verdient. Sicher, wenn man so will, ist das eine oberflächliche Art, Filme zu erzählen, denn da wird in erster Linie unser emotionales Unterbewusstsein angesprochen. Der einzige Regisseur, den ich kenne, der ein ähnliches Faible für Farbstimmungen hat, ist Steven Soderbergh. Und welch eine Ironie, auch seinen Filmen hat man immer schon stylische Oberflächlichkeit vorgeworfen.
Wenn ich aber schon die Bedeutung der Farbe herausgehoben habe, muss ich genauso auf die Musik eingehen, denn ohne diese würde der Film ebenso wenig funktionieren. Beim ersten Sehen dachte ich sofort an Clint Mansell (hört euch mal “The Fountain” an), dafür klang aber doch alles einen Hauch zu klassisch. Erst beim Nachspann las ich den Namen Abel Korzeniowski, von dem ich ehrlicherweise nie zuvor gehört hatte. Der Komponist scheint gerade erst in die A-Liga aufzusteigen und hat noch nicht viel gemacht. Sein Soundtrack zu “A Single Man” ist melancholisch und setzt durchgängig auf Streicher, manchmal ganz unauffällig ruhig, dann wieder sich steigernd, bis es fast unerträglich wird. Damit spiegelt die Musik Georges Leben perfekt wider, denn auch da sind Leiden und Freude eng miteinander verknüpft.
Wie nur ganz wenige Filme trifft mich “A Single Man” bei jedem Ansehen aufs Neue tief im Herzen. Es ist eine Charakterstudie, ein fast meditativer Film, der sich nicht scheut, bittere Wahrheiten auszusprechen, auch wenn all das in eine bestechend schöne Ästhetik verpackt ist. Es wäre zu hoffen, dass Ford weitere Filme dreht und seine spezielle Handschrift weiterentwickelt, denn neben all den Action-Blockbustern und Sciencefiction-Epen tut so ein emotionales Drama eben auch mal richtig gut.