Schreibstube | Realistisch unrealistisch

Es ist ein paar Jahre her, da sagte einmal eine Freundin zu mir, ich müsse jetzt stark sein, denn sie wolle mir etwas sehr Schlimmes sagen. Ich nickte und erfuhr daraufhin (vorgetragen mit ernster Miene und bedächtiger Stimme), dass ich niemals Erfolg haben würde, wenn ich weiter Fantasy oder Science-Fiction schriebe, dass ich nur von einem Verlag genommen würde, wenn ich realistische Geschichten schriebe, mitten aus dem Leben. Das muss vor “Harry Potter” gewesen sein, sonst ergibt das alles keinen Sinn, damals aber nickte ich ergriffen und grübelte, worüber Realistisches ich denn wohl schreiben könne.

Nun, eine Anekdote aus meinem Leben, sicher nicht die spannendste. Mir fiel sie ein, als mir ein Freund einmal einige Thesen über Literatur schilderte. Um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, ihn hier falsch zu zitieren (es wäre nicht das erste Mal, dass ich was anderes lese als die Leute schreiben, das war schon in der Schule bei Gedichten immer mein Problem), möchte ich deshalb ganz allgemein fragen: Ist nicht-realistische Literatur weniger wert als realistische?

Meine instinktive Antwort lautet: Nein! Zunächst einmal müsste man eine Definition finden, denn viele Krimis sind nicht weniger unrealistisch als Fantasy, gleichzeitig gibt es Science-Fiction, die in ein paar Jahren realistisch sein könnte. Wo ziehen wir die Grenze? Man muss sich auch mal klar machen, dass Romane in futuristischem oder magischem Gewand meist dieselben Geschichten erzählen wie die angeblich realistischen, es geht um Liebe, Krieg, Mord, Freunde und Familie, alles ganz normale Themen, in denen sich jeder wiederfinden kann. Wieso also sollte “Harry Potter”, um ein konkretes Beispiel zu nennen, weniger wertvoll sein als diese unsäglichen Internatsromane meiner Jugend? Im Gegenteil, letztere waren klischeebeladene Schnulzen, wohingegen sich J.K. Rowling mit ernsten Themen wie Schuld, Loyalität und Beziehungen beschäftigt. Ja, versteht das ruhig als Versuch meinerseits, eine Lanze für die fantastische Literatur zu brechen, der umso glaubwürdiger ist, als ich die alten Klassiker, realistische Romane durch und durch, liebe.

Am Ende führt alles wieder zurück zu meiner eigenen Arbeit. Trotz des sicherlich gut gemeinten Rats besagter Freundin habe ich niemals aufgehört, Fantasy und Science-Fiction zu schreiben. Denn ich erzähle Geschichten, darum geht es, das ist der Kern, und ich erzähle sie in der Form, die am besten zu ihnen passt. Wenn ich die Geschichte eines Anwalts, der die Vormundschaft für ein Mädchen erkämpfen will, nur im Hier und Jetzt ansiedeln kann, dann sei es so. Aber wenn ich finde, dass eine Geschichte über Leute, die Wurmlöcher per Gedankenkraft öffnen können, am besten als Fantasy in einer Galaxis weit, weit entfernt umzusetzen ist, dann lasse ich mir das auch nicht ausreden. Und fangen wir gar nicht erst mit “Arwel” an …