Musikgeschichten #27 | Depeche Mode „Memento mori“ (2023)

„Don’t play with my world, don’t mess with my mind, don’t question my spacetime, my cosmos is mine.“

Die Beziehung zur Lieblingsband ist wohl bei den meisten Menschen eine Art Hassliebe. Jeder Fan meint besser zu wissen als die Musiker selbst, wie ihre Songs klingen müssen, wieso das Album nicht funktioniert oder welches Stück die bessere erste Single wäre. Ich nehme mich da nicht aus, doch interessanterweise lässt sich meine Begeisterung für Depeche Mode recht präzise in zwei Phasen unterteilen.

Die erste begann 2001 mit dem Album „Exciter“. Für die Band ein Comeback, für mich der Erstkontakt. In den Folgejahren arbeitete ich mich durch alle vorherigen Alben, sammelte wie eine Besessene Remixe und seltene B-Seiten, und las mir alles an, was es über die Band zu erfahren gab. Die zweite Phase begann grob um 2005 herum. „Playing the Angel“ war in seiner Beliebigkeit noch einigermaßen zu verkraften, doch die nachfolgenden Alben waren für mich persönlich eine Katastrophe. Und es lag gar nicht so sehr daran, dass die Musik schlechter wurde, sie hörte nur irgendwie auf, neu und originell zu sein.

Vorhang auf für „Memento mori“, ein Album, das im Vorfeld natürlich stark vom Tode Andy Fletchers überschattet wurde. Ich war indifferent, um es mal diplomatisch zu formulieren. Die erste Singleauskopplung war okay, riss mich aber nicht vom Hocker. Also entschloss ich mich erstmals in meiner Fangeschichte dafür, nicht die super duper exklusive Deluxe-Edition zu kaufen, sondern bestellte ganz banal die Standard-CD für 20 Euro. (Im billigen Pappschuber scheinen sie indes beide zu stecken, es macht also keinen großen Unterschied. Insgesamt bedaure ich als Musikliebhaber diese Entwicklung sehr.)

Das Überraschendste an dem Album: Es klingt gut. Also, so richtig. Plötzlich scheint jeder einzelne Song wieder seine Berechtigung zu haben, aufs erste, zweite und selbst dritte Hören gibt es diesmal kein lästiges Füllmaterial. Nicht jeder Song zündet sofort, aber auch das ist unerwartet normal, denn manchmal brauchen Depeche-Mode-Songs eben eine Weile. Eine gewisse Affinität zu 80er-Jahre-Klängen lässt sich „Memento mori“ übrigens nicht absprechen, vielleicht fühle ich mich auch deshalb so wohl darin, aber es wirkt nicht aufgewärmt, sondern eher wie eine organische Weiterentwicklung.

Einen klaren Lieblingssong kann ich nach so kurzer Zeit noch nicht benennen, zumal dieser erste Eindruck ohnehin allein auf dem Sound basiert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich mir andere Songs erst öffnen, wenn ich mich mit ihrer Aussage befasse. Immerhin gab es die letzten Jahre genug Krisen, an denen sich Martin Gore genüsslich abarbeiten konnte. Festzuhalten bleibt aber, dass gerade der Mittelteil von „My favourite Stranger“ über „Caroline’s Monkey“ bis zu „People are good“ extrem stark ist. Hier steckt viel Ohrwurm-Potenzial!

Übrigens, ich hab natürlich gelogen, mein erster Lieblingssong auf jedem Depeche-Mode-Album ist seit jeher zielsicher der, den Martin singt. Kann man es mir verdenken?