Bücherstapel | David Wellington „Die letzte Astronautin“

2I verhielt sich nicht wie ein normaler Weltraumbrocken. Doch was hatte das zu bedeuten? Es hat uns die Frage selbst beantwortet. Es hat seinen Kurs gewechselt.

Erstkontakt mit Hindernissen

Vor zwanzig Jahren musste Astronautin Sally Jansen ein Crewmitglied opfern, um den Rest ihrer Mannschaft zu retten, und besiegelte damit das Ende der bemannten Raumfahrt. Während die NASA im Jahr 2055 nur noch ein Schatten ihrer selbst ist, ist die kommerzielle Raumfahrt aufgeblüht. Dann entdeckt ein Wissenschaftler bei KSpace plötzlich ein mysteriöses Objekt mit Kurs auf die Erde und wendet sich an die NASA. Offenbar ist 2I künstlichen Ursprungs, deshalb soll Sally Jansen erneut eine Mission leiten, um den Erstkontakt herzustellen. Doch KSpace kommt ihnen zuvor und schickt seine Leute ins Innere von 2I. Als sie nicht zurückkehren, startet Jansen eine Rettungsmission, die gehörig schief läuft.
Wenn eine Kultur auf eine andere trifft und die eine der anderen technologisch überlegen ist, dann gewinnt sie. Sie gewinnt, ob sie nun in friedfertiger oder kriegerischer Absicht ankommt.

Eine Wanderung auf außerirdischem Gebiet

David Wellingtons Roman „Die letzte Astronautin“ beginnt als „2001 – Odyssee im Weltraum“, schockt mit einem „Alien“-Intermezzo und pendelt sich dann irgendwo zwischen „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ und „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“ ein. Kurz: In puncto Genre-Zuordnung geht es hier drunter und drüber. Das funktioniert in Teilen recht gut, liest sich an einigen Stellen aber doch etwas zäh.
Der Erstkontakt gehört sicherlich zu den beliebtesten Themen der Science-Fiction-Literatur. Schließlich hat die Vorstellung, Wesen von einem anderen Planeten zu treffen, die Fantasie der Menschen schon immer beflügelt. Es ist zugleich aber auch eines der anspruchsvollsten Themenfelder, da wir meist in viel zu menschlichen Bahnen denken. Eine der interessantesten Interpretationen ist übrigens Andy Weir mit „Der Astronaut“ gelungen, und glaubt mir, nie habe ich es mehr bedauert, damals keine Kritik zu dem Buch geschrieben zu haben.
Wellingtons Ansatz ist ambitioniert, denn das Raumschiff, das auf die Erde zusteuert, hat nichts mit der Technologie unserer Welt gemein. Es ist ein 28 Kilometer langes, stachelbewehrtes Monstrum ohne erkennbaren Eingang – von seinem Innenleben gar nicht zu sprechen. Der Großteil des Romans ist also ein Abenteuer im klassischen Sinne, wenn die drei Astronauten in das Schiff eindringen, um nach den Aliens zu suchen. Was sie finden, sei an dieser Stelle nicht verraten, weil diese Forschungsreise den ganzen Reiz der Geschichte ausmacht. Ich könnte mir vorstellen, dass „Die letzte Astronautin“ als Film sogar besser funktioniert, weil der Autor zwar alles sehr detailliert beschreibt, es mir aber schwer fiel, mir das Schiffsinnere wirklich vorzustellen.
Mein großer Minuspunkt ist leider die Figurenzeichnung, die ich insgesamt als sehr stereotyp empfunden habe. Da ist Sally Jansen, die sich die Schuld am Tod eines Crewmitglieds gibt und bei jeder Gelegenheit gedanklich darauf herumkaut, bevor sie natürlich über sich hinauswächst. Oder Hawkins, der Soldat, der immer forsch voran will und eigentlich den ganzen Roman über nur daran denkt, wie er das Ding am besten in die Luft sprengen kann. Na gut, und darüber, dass Sally zu langsam läuft, weil die Frau verdammt noch mal Mitte fünfzig ist und ein kaputtes Knie hat! Und der Rest der Protagonisten ist leider auch nicht viel besser.
Alles in allem ist „Die letzte Astronautin“ ein durchschnittlicher Roman mit einigen originellen Einfällen, die über den Mangel an Figurenentwicklung nicht hinwegtäuschen können. Wer sich für Erstkontakte begeistern kann und gerne mal etwas lesen will, was aus allzu menschlichen Vorstellungen ausbricht, ist hier aber gut aufgehoben. Ich persönlich würde mir das Ganze lieber als Film wünschen.
2 ½ von 5 Bananen, die mit 26 km/s Richtung Erde fliegen.