Zwei Filme zum Preis von einem | Prometheus

Manche Regisseure scheinen zu glauben, dass mehr von allem automatisch gut ist. Das ist freilich noch der harmloseste Grund, warum Ridley Scotts “Prometheus” nicht an sein Meisterwerk “Alien” heranreicht, doch ich wollte es wenigstens mal erwähnt haben. Während alle Welt Trilogien macht, wurden hier zwei Filme einfach mal zu einem verwurstet. Warum, das weiß der Metzger.

“Alien” war 1979 eine Offenbarung. In einer Zeit, in der Science-Fiction gleichbedeutend war mit “Star Wars” und einer ziemlich naiven Sichtweise auf die unendlichen Weiten des Alls, schuf Ridley Scott einen beklemmenden Horrorthriller, der uns Menschen im Verhältnis wieder ganz klein aussehen ließ. Ich sah den Film erst Anfang der 1990er und war mit elf oder zwölf Jahren entschieden zu jung dafür. Was mich naturgemäß am tiefsten beeindruckte, war die Heldin Ripley, die keine übermenschlichen Kräfte besaß oder irgendwie auserwählt war, sondern einfach nur ums Überleben kämpfte. Klar gruselte mich auch das Alien, doch warum ich so ein großer Fan der Filmreihe wurde und meine Eltern sogar bequatschte, mich beim dritten Teil mit ins Kino zu nehmen, das war immer die Geschichte von Ripley. Der vierte Teil war vor allem deshalb überflüssig, weil es nur noch um die Aliens ging.

Nun muss “Prometheus” ebenfalls ohne Ripley auskommen, doch man schuf Abhilfe in Gestalt der Archäologin Elizabeth Shaw. Die geht mit Freund und Kollege Charlie Holloway einer Höhlenmalerei nach, die in der Kunst der unterschiedlichsten Kulturen und zu den unterschiedlichsten Zeiten der Menschheitsgeschichte immer wieder auftaucht. Sie stellt eine Sternkonstellation dar und ist ihrer festen Überzeugung nach eine Einladung zu ihren Schöpfern. Mit finanzieller Unterstützung der Weyland Corporation (die mit der Mission ganz eigene Ziele verfolgt) reisen sie und ein Team von Wissenschaftlern zum Planeten LV-223. Dort finden sie tatsächlich ihre Schöpfer, riesenhafte Wesen, die aber offenbar sämtlich einer Katastrophe zum Opfer gefallen sind. Doch es gibt auch noch Leben auf dem Planeten, und das durchläuft mit Ankunft der Besucher eine rasante Evolution und minimiert das Team zusehends.

Natürlich ist nachvollziehbar, dass Regisseur Ridley Scott gerne die Vorgeschichte zu einem seiner größten Hits erzählen wollte. Dann aber hätte er das auch tun sollen, statt zuerst Jon Spaihts und anschließend Damon Lindelof ein Drehbuch schreiben zu lassen, das sich nicht entscheiden kann oder will, worum es in dem Film eigentlich geht. Vor allem angesichts seiner vehementen Behauptung vor Kinostart, dass es sich eben nicht um ein “Alien”-Prequel handelt, hätte es dem Film gut getan, sich auf subtile Hinweise zu beschränken und auf den Monster-Plot komplett zu verzichten.

Denn auffällig ist, dass vor allem die erste halbe bis Dreiviertelstunde von “Prometheus” als ausnahmslos gelungen bezeichnet werden kann. Sie beschäftigt sich mit der philosophischen Frage: Woher kommt der Mensch? Und wollen wir unserem Schöpfer wirklich begegnen? Immer dann, wenn das Drehbuch wieder darauf zurückkommt, blitzt tatsächlich so etwas wie Originalität durch. Vor allem, da man mit dem Androiden David eine Figur hat, die das Verhältnis von Schöpfer und Schöpfung unter einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet. Es ist eigentlich schade um die Idee, dass sich die Schöpfer oder Konstrukteure, wie Shaw sie nennt, als solch tumbe Wesen entpuppen, die am Ende auch nur draufhauen können. Da bleibt zu hoffen, dass man sich für die unausweichliche Fortsetzung was Besseres einfallen lässt.

Die Nebenhandlung um das sich kontinuierlich weiterentwickelnde Alien ist dagegen unnötig und fällt zum Teil sogar richtiggehend negativ auf. Sie drängt sich immer weiter in den Vordergrund und stempelt den Film damit als drittklassiges Splatter-Movie ab. In dem Zusammenhang sollte übrigens auch die miserable Charakterzeichnung nicht unerwähnt bleiben. Auch hier zeigt sich die Unentschlossenheit des Drehbuchs, denn für einen Ensemble-Film werden die Figuren zu stereotyp gezeichnet. Ein eindeutiger Held ist jedoch ebenfalls nicht auszumachen, weil die Perspektive von Shaw zu David, von David zu Vickers, und von da wieder zu Shaw schwankt, ohne je emotionale Tiefe oder eine Bindung zum Zuschauer zu erzeugen. Der Versuch, Shaw zu einer zweiten Ripley zu machen, ist sogar spektakulär misslungen, wenn man bedenkt, dass Ripley eine ziemlich normale Person war, die nur durch die Umstände zur Heldin wurde. Aber wenn Shaw dann in Eigenregie eine Operation an sich selbst durchführt und hinterher noch munter Actionszenen absolviert, dann kann man nur noch den Kopf schütteln über so viel Unsinn.

Den größten Pluspunkt hat “Prometheus” meines Erachtens mit David, der kongenial von Michael Fassbender verkörpert wird. Die Androiden waren in bisher jedem “Alien”-Film ganz besonders interessante Charaktere. Als Prototyp vereint David auf spannende Weise die naive Neugier von Call, die vertrauenswürdige Zuverlässigkeit von Bishop, aber auch die Hinterhältigkeit von Ash. Die Figur bleibt bis zum Schluss undurchschaubar, da man ihm auch keinerlei böse Absicht unterstellen kann, weil er der Wissenschaftler in Reinkultur ist.

Was von “Prometheus” nach zwei Stunden bleibt, ist die Erkenntnis, dass auch große Meister nicht nur Meisterwerke schaffen, und das bittere Gefühl verpasster Chancen. Den Space Jockey aus “Alien” umgab immer ein gewisses Mysterium, das nun plump entzaubert wurde. Für einen Film, der angeblich kein Prequel zu “Alien” ist, enthält “Prometheus” außerdem entschieden zu viele Querverweise, verwickelt sich gleichzeitig aber in hanebüchen simple Widersprüche. (Beispielsweise die Tatsache, dass die “Nostromo” damals auf LV-426 landete, das dort abgestürzte Raumschiff aber haargenau so daliegt wie das in “Prometheus”, mit Ausnahme des Piloten, der blöderweise aussteigt.) Der Film ist technisch perfektes Popcorn-Kino, aber man sollte eindeutig nicht zu viel drüber nachdenken.