„You see, you’re the one who’s lying now, Major. It’s not the truth you’re interested in. All you want is vengeance.“
Ein vermeintlicher Kriegsverbrecher kommt nach Deep Space Nine, und Kira tut alles, um Sisko von dessen Schuld zu überzeugen. Spoiler!
Enough good people have already died … I won’t help kill another
Der an Kalla-Nohra erkrankte Cardassianer Aamin Marritza erreicht die Station, wo ihn Kira sofort festnehmen lässt, weil er sich diese Krankheit nur im Arbeitslager Gallitep zugezogen haben kann und somit ein Kriegsverbrecher ist. Die Ermittlungen ergeben jedoch bald, dass er in Wirklichkeit sogar Gul Darhe’el ist, der grausame Leiter von Gallitep, der sich sodann mit seinen Heldentaten brüstet. Doch irgendetwas ist falsch an seiner Geschichte, und Kira ist entschlossen, sein Geheimnis zu lüften.
Keine Kollektivschuld
„Duet“ gehört zweifellos zu den besten Folgen nicht nur der ersten Staffel, sondern der gesamten Serie. Kriege führen immer dazu, dass man den Gegner nur noch als gesichtslose Masse wahrnimmt, als Kollektiv, das an den begangenen Verbrechen als Ganzes Schuld trägt. Es gehört zum Heilungsprozess dazu, nicht nur intellektuell, sondern auch emotional zu akzeptieren, dass eben nicht alle gleich schuldig sind. Dass auch die Gegner Individuen sind, die ihre eigene Geschichte haben. Vielleicht findet dieses Thema gerade in mir als Deutscher so besonders viel Resonanz, weil ich immer noch mit einer Kollektivschuld aufgewachsen bin, obwohl noch nicht mal mehr meine Eltern den Zweiten Weltkrieg selbst erlebt haben.
Marritza: „War crimes? How can there be war crimes when there hasn’t been a war? Oh, I can understand your wish that there had been a war. Your need to indulge some pathetic fantasy about brave Bajoran soldiers marching to honorable defeat, but in fact, Major, you and I know there was no war. No glory. Bajor didn’t resist. It surrendered.“
Kira: „The Bajorans were a peaceful people before you came. We offered no threat to you. We could never understand why you had to be so brutal.“
Kiras Heilungsprozess
Der Titel der Folge macht aber auch deutlich, dass dies nicht einfach nur die Geschichte von Kiras Heilungsprozess ist, auch wenn sie uns Zuschauern natürlich näher ist als Marritza. Nach allem, was sie in dieser Staffel schon erlebt hat, befindet sie sich in einem Zwiespalt. Einerseits fühlt sie eine Verpflichtung, die Opfer Galliteps zu rächen. Andererseits weiß sie, dass die Hinrichtung Marritzas/Darhe’els am Ende niemandem irgendeine Genugtuung verschaffen wird, am wenigsten den Toten. So morbide es für die Überlebenden klingen mag, der Riss zwischen diesen beiden Völkern muss überwunden und nicht noch vertieft werden. Und dazu gehört eben auch, dass Kira erkennt, dass nicht jeder Cardassianer per se ein Verbrecher ist, sondern jede Person seine eigene Geschichte hat.
Überlebensinstinkt ist kein Verbrechen
Marritza wiederum steht für die andere Seite und für jene Leute, die während des Krieges nicht den Mut hatten, sich gegen das Unrecht zu stellen. Er wusste, dass das, was die Cardassianer tun, falsch ist. Aber wem hätte es genützt, sich aufzulehnen? Das hätte keinen einzigen Bajoraner gerettet und ihn am Ende nur selbst das Leben gekostet. Auch das ist ein beliebtes Märchen unserer Zeit – dass man sich bereits schuldig macht, weil man ein Mitläufer ist und sein eigenes Überleben über das anderer stellt.
Kira: „The Butcher of Gallitep died six years ago. You’re Aamin Marritza, his filing clerk.“
Marritza: „That’s not true, I am alive! I will always be alive! It’s Marritza who’s dead! Marritza, who was good for nothing but cowering under his bunk and weeping like a woman! Who would, every night, cover his ears, because he couldn’t bear to hear the screaming for mercy of the Bajorans …“
Ein langer Weg
Es ist nur passend für eine derart gespaltene Folge, dass sie auf ein Happyend verzichtet. Kira vergibt Marritza und findet auf diese Weise Seelenruhe. Marritza kann das zwar nicht, muss aber akzeptieren, dass er nicht für die Verbrechen eines ganzen Volkes bezahlen kann. Wie lang der Weg ist, der noch vor ihnen liegt, beweist der Anschlag von Kainon, der Marritza am Ende hinterrücks ersticht. Nicht, weil er Marritza oder Darhe’el ist. Sondern, weil er ein Cardassianer ist.
Dual Notes
• Hat Kira denn gar nichts dazugelernt? Jetzt wendet sie sich schon wieder hinter Siskos Rücken an die bajoranische Regierung, um ihr Anliegen durchzusetzen …
• Hätten Jake und Nog mal nicht die ganze Yamoksoße verkauft – Marritza hätte gerne welche zu seinem Essen gehabt.
• Dukat sagt an einer Stelle, Bajors Besatzung zu beenden, war eine politische Entscheidung. Haben wir eigentlich je erfahren, was genau die Gründe waren? Das fände ich nämlich wirklich interessant.
• Ich bin von der modernen Fototechnik echt begeistert. Obwohl das Bild aus Gallitep ziemlich unscharf ist, kann man schließlich nicht nur einzelne Gesichter erkennen, sondern sogar hinter Personen gucken.
5 von 5 Bananen, die unschuldig sind.
Hach, ein Review meiner Lieblings-DS9-Episode (naja, eine von ca. 5? Lange nicht mehr DS9 geschaut)! Insbesondere das Ende hat mich damals ziemlich mitgerissen. Duet war wirklich wegweisend und vermutlich die erste Folge, die gezeigt hat, dass Star Trek ohne Gene Roddenberry nur besser werden konnte – zumindest rein dramaturgisch, nicht als politisches Statement. Ich weiß noch, dass ich als Teenie ich begeistert war Charakteren wie Kira, die nicht die arrogant-heile Idealvorstellung verkörpern, wie sie in TNG zelebriert wurde.
Insbesondere mochte ich aber die Atmosphäre in Duet, die melancholische Stimmung und das konstante Gefühl, dass diese Geschichte kein gutes Ende finden konnte. Schade, dass es so etwas Star-Trek-seitig nach DS9 nicht mehr geben sollte – insbesondere wenn man sich Discovery anschaut, wo ich mich bei 5 Sekunden ohne Hektik fast schon frage, ob Netflix gerade hängt. 🙂
PS: Schöner Blog übrigens mit einer Auswahl von Zeug, mit dem ich mich fast 100%ig anfreunden kann. Zufällig gefunden durch die Frage, ob ich ein Wissenslücke habe, wenn ich bei Magicians (S2-Spoiler!) nicht weiß, was ein Niffin ist…
Vielen Dank für die Blumen! Ich freu mich immer, andere DS9-Fans kennenzulernen, für mich ist das nämlich ebenfalls bis heute die beste ST-Serie. Aufgewachsen bin ich zwar mit TNG, aber mit DS9 konnte ich mich als Teenie dann auch eher identifizieren. Und da es damals in den 90ern die erste Serie war, die ich reviewte, scheint es mir nur angemessen, jetzt diesen großen Rewatch zu machen.
PS: Ich fürchte fast, du hast die Antwort auf deine Frage hier auch nicht gefunden, oder? Ich erinnere mich dunkel, dass ich mit dem ganzen Niffin-Kram nicht viel anfangen konnte. Ich hoffe trotzdem, hier noch öfter von dir zu lesen. 🙂
Eigentlich müsste ich, um immer was zu sagen zu haben, auch die jeweils reviewte Folge nochmal schauen. Verlockend, sollte es nicht zu schnell gehen … Andererseits denke ich mir manchmal, es wäre besser, TNG/DS9 als schöne Erinnerung zu behalten und nicht den bei einem Rewatch unvermeidlichen Vergleich mit neueren Serien zu bemühen. Nicht alles scheint mir gut gealtert zu sein, und damit meine ich nicht den verwaschenen 90er-Look und die Effekte. Oder ist es doch ganz gut gealtert? Ich muss wohl mal eine Folge schauen, vielleicht 2×01? 😉
Die Niffin-Frage ließ sich nur insofern beantworten, dass es wohl eine Magicians-Erfindung ist. Seltsam. Alles andere findet man in handelsüblichen Mythologien und Monster Manuals!
Zugegeben, gerade in der ersten Staffel haben viele Folgen beim Rewatch schlechter abgeschnitten, als ich sie in Erinnerung hatte. Und tatsächlich eher in erzählerischer Hinsicht, weil doch viele Storys 08/15 waren und die langen Staffeln generell dazu einluden, einige Füllepisoden zu produzieren. Aber von seinem Charme hat DS9 nichts eingebüßt, und ich sehe heute viele Details, die mir früher entgangen sind.
Mit Staffel 2 wird es allerdings leider noch etwas dauern hier. Zwar sind die Reviews schon geschrieben, doch im Sinne der Aktualität schiebe ich erst mal “The Orville” ein. Vielleicht im Sommer. 🙂