Denis Villeneuves „Dune: Part One“

„A mind … powerful enough to bridge space and time. Past and future. Who can help us into a better future.“
Vor gut zwei Jahren veröffentlichte Denis Villeneuve „Dune: Part One“, die lang erwartete Neuinterpretation des Romans von Frank Herbert. Nachdem ich den Film das erste Mal gesehen hatte, war ich überfordert und entschied mich damals ganz bewusst dagegen, eine Kritik zu schreiben. Erst nach dem zweiten Schauen wusste ich, dass ich doch etwas dazu zu sagen habe, auch wenn anschließend nochmals einige Monate ins Land zogen und ich mir den Film ein drittes Mal ansah.
Das hier ist daher auch weniger eine klassische Rezension oder Kritik, denn ich glaube, über die Stärken und Schwächen der Neuverfilmung wurde bereits genug geschrieben. Es geht mir mehr darum, wie sich der Film in meine ganz persönliche Geschichte mit „Dune“ einreiht, denn schließlich begleitet mich dieses Universum schon fast mein ganzes Leben lang.
(Pro forma steht hier eine Spoilerwarnung, denn eigentlich halte ich sie bei einem derart alten Stoff für unnötig. Wer bisher weder das Buch gelesen noch eine der Verfilmungen gesehen hat, dürfte sich für diesen Text ohnehin nicht interessieren.)

Ein Wüstenplanet als Zentrum der Macht

Die Geschichte ist hinreichend bekannt. Der Imperator des bekannten Universums entzieht dem Haus Harkonnen die Lehnsherrschaft über den Planeten Arrakis und überträgt sie dem Haus Atreides. Ein politischer Schachzug, denn die beliebten Atreides stellen mittlerweile eine ernstzunehmende Gefahr für den Imperator dar. Arrakis ist der wertvollste Planet des Reichs, denn nur dort gibt es das sogenannte Spice, eine bewusstseinsverändernde Droge, die es den Navigatoren erlaubt, den Raum zu falten und sicher durchs Weltall zu reisen. Aber Arrakis ist auch ein wahrer Höllenplanet, in dessen Wüsten nur die Fremen überleben können.

David Lynchs recht eigene Interpretation

Meine Begeisterung für den Stoff geht im Wesentlichen auf die Verfilmung von David Lynch aus dem Jahre 1984 zurück. Als ich sie das erste Mal im Fernsehen sah, steckte ich bereits tief in meiner „Star Wars“-Phase, und eigentlich ist es nicht überraschend, dass sie mich sofort fesselte. Obwohl „Dune“ oder „Der Wüstenplanet“ durch und durch Science-Fiction ist, nutzte Lynch viele märchenhafte Elemente und traf damit einen Nerv. Dennoch, trotz einer Länge von über zwei Stunden gelang es dem Regisseur nicht, die politischen Hintergründe zu vermitteln, und so blieb ich einigermaßen ratlos zurück.
Aber ich war interessiert und das war eigentlich das Wichtigste. Direkt im Anschluss las ich die Buchvorlage von Frank Herbert, die mir ein völlig neues Universum eröffnete und ganz nebenbei meine tiefe Liebe für Wüsten (und Filme darüber) begründete. „Der Wüstenplanet“ ist bis heute das einzige Buch geblieben, das ich deutlich mehr als zweimal gelesen habe, weil ich immer wieder Neues darin entdecke, und Verbindungen herstelle, die mir vorher entgangen sind.
„Our warriors couldn’t free Arrakis from the Harkonnens, but one day, by Imperial decree, they were gone. Why did the Emperor choose this path? And who will our next oppressors be?“

An Versuchen mangelte es nicht

Wie fast immer, wenn ich von etwas besessen bin, sog ich in der Folgezeit alles in mich auf, was auch nur entfernt mit „Dune“ zu tun hatte. Sei es, dass ich die Karriere der Schauspieler weiter verfolgte oder den Soundtrack von Toto hoch und runter hörte. Und ja, ich war mir durchaus dessen bewusst, dass Lynchs Verfilmung nicht wirklich gut ist. Da sie aber mein erster Kontakt war, musste sie immer wieder als Prüfstein herhalten. Ganz besonders, als der SciFi-Channel im Jahr 2000 eine dreiteilige Miniserie veröffentlichte.
Es ist lange her, seit ich die Filme das letzte Mal gesehen habe, aber ich erinnere mich gut, wie enttäuscht ich von der Besetzung war. Und auch Regisseur John Harrison gelang es schlussendlich nicht, die Politik der Bücher verständlich auf den Bildschirm zu bringen. Es wurde zwar viel geredet, aber wenig gesagt. Einzig die Fortsetzung „Children of Dune“, erneut ein Fernseh-Dreiteiler, möchte ich in Schutz nehmen, denn sie fing die Atmosphäre der Buchreihe wesentlich besser ein. Und konnte darüber hinaus mit dem damals noch unbekannten James McAvoy als Leto Atreides II punkten.

Villeneuve war für mich eine sichere Bank

An dem Punkt war mehr oder weniger unbestritten, dass Frank Herberts „Dune“ einfach unverfilmbar ist. So viele hatten es versucht, so viele waren grandios gescheitert. (Jodorowsky habe ich da noch nicht mal erwähnt, aber von ihm erfuhr ich auch erst sehr, sehr viel später.) Und dann fiel plötzlich der Name Denis Villeneuve. Ich weiß nicht, hat jeder Mensch Lieblingsregisseure oder ist das nur eine Eigenart von mir? Villeneuves „Arrival“ jedenfalls war für mich eine Offenbarung, eine Kontemplation über den Erstkontakt und den menschlichen Geist. Wenn einer der Komplexität von Herberts Roman gerecht werden konnte, dann er.
Vielleicht ist das der wahre Grund, warum ich mich so lange geziert habe, eine Kritik zu schreiben: Sie kann nur subjektiv ausfallen. Ich liebe Villeneuves visuellen Stil, seine ruhige Erzählart und wie er Musik einsetzt – solange er diesem Rezept treu blieb, war die Gefahr einer Enttäuschung für mich relativ gering. Meine Wahrnehmung ist eine gänzlich andere als die von „Dune“-Fans, die Villeneuve nicht kennen oder mit seiner Handschrift nichts anfangen können. Auf der anderen Seite fällt es mir naturgemäß schwer, mich in die Situation eines Newbies hineinzuversetzen. Versteht jemand ohne Kenntnis der Buchvorlage, was da vor sich geht?

Eine Adaption mit viel Herzblut

In jedem Fall merkt man, dass „Dune“ ein absolutes Herzensprojekt für Villeneuve ist. Ganze Dialoge wurden eins zu eins aus dem Roman übernommen, und selbst die Optik orientiert sich klarer als bei vorherigen Verfilmungen an den Beschreibungen im Buch. Ein gutes Beispiel dafür sind die Ornithopter, die fast wie Libellen aussehen und eben nicht wie Hubschrauber, die ein bisschen auf Sci-Fi getrimmt wurden. Das wahre Highlight sind für mich aber die neuen Sandwürmer, von denen wir im nächsten Film hoffentlich noch viel mehr sehen werden. Hier ging es nicht nur um ein bedrohliches Aussehen, sondern auch um eine in sich schlüssige Biologie.
Viel faszinierender fand ich, wie kontrovers die Wahl von Timothée Chalamet als Paul Atreides aufgenommen wurde. Zugegeben, ich bin mit Kyle MacLachlan aufgewachsen und tat mich zum Beispiel unheimlich schwer mit Alec Newman, der Paul in der Miniserie verkörperte. Ihm fehlte das Charisma. Als Timothée Chalamet gecastet wurde, war er für mich erst einmal eine leere Leinwand, und erst, als ich ihn in „Call me by your Name“ sah, wusste ich, er ist der einzig Richtige für die Rolle. Doch wer weiß, vielleicht ändere ich meine Meinung bei „Part Two“, denn natürlich stehen Pauls größte Momente noch bevor. Jenen jugendlichen, etwas melancholischen Atreides, der bisher nur ahnt, welche Last auf seinen Schultern liegt, verkörpert er jedenfalls in Perfektion.
Letzten Endes bleibt mehr auch nicht zu sagen. Für mich ist „Dune: Part One“ ein toller Film, bei dem ich auch nicht mehr das Bedürfnis habe, ihn mit Lynchs Version zu vergleichen. Ihm gelingt, mich in ein anderes Universum zu entführen, das fremd und zugleich vertraut wirkt. Er schafft es sogar, dass ich mit Spannung der Fortsetzung entgegenblicke, obwohl ich doch eigentlich ganz genau weiß, was mich erwartet. Und das ist alles, was ich mir von „Dune“ und einem Villeneuve-Filme nur wünschen kann.