Loki | Glorious Purpose (2×06)

„Most purpose is more burden than glory.“

Um die Zerstörung des Temporal Loom zu verhindern und die Zeitlinien zu retten, reist Loki immer weiter in seine Vergangenheit. Spoiler!

Again. Faster.

Loki kehrt zu dem Moment zurück, als sie Victor Timely zum Temporal Loom schicken, und fragt Ouroboros, was sie anders hätten machen können. Da zunächst alles auf ein reines Tempo-Problem hindeutet, versucht Loki die Erweiterung des Loom zu beschleunigen, indem er Jahrhunderte damit verbringt, alles über temporale Physik zu lernen. Als auch das keinen Erfolg hat, kehrt er ans Ende der Zeit zurück, um Sylvie daran zu hindern, „He who remains“ überhaupt zu töten. Der aber eröffnet Loki ein wichtiges Detail: Der Temporal Loom war niemals dafür designt, die Zweige zu schützen, sondern immer nur die heilige Zeitlinie.

Im Kern eine Origin Story

Das perfekte Staffelfinale, Punkt. Und sollte „Loki“ hier sein Ende gefunden haben (wovon ich ausgehe), ist es sogar ein noch perfekteres Serienfinale. „Glorious Purpose“ schlägt nicht nur dem Namen nach einen Bogen zur allerersten Folge der Serie, sondern setzt bereits Gezeigtes und Gesagtes in einen völlig neuen Kontext. Wenn man bedenkt, wie etabliert die Figur Loki im Marvel-Kanon ist, mutet es bizarr an, doch im Grunde sind diese zwölf Folgen eine Origin Story. Und die ist erhebend, aber auch herzzerreißend traurig.

„The Loom will never be able to accommodate for an infinitely growing multiverse. You can’t scale for infinite. It’s like trying to divide by zero.“

Loki opfert alles für den freien Willen der anderen

So nehmen wir denn Abschied vom God of Mischief und begrüßen den einsamen God of Stories. Es ist ein epischer Abschluss, den ich der Serie nicht zugetraut hätte, obwohl rückblickend betrachtet kontinuierlich darauf hingearbeitet wurde. Lokis alte Besessenheit von einem Thron erfüllt sich erst, als er längst darüber hinausgewachsen ist. Oder um „Star Trek“ zu zitieren: „Great men do not seek power, they have power thrust upon them.“

Loki gibt für diesen Thron am Ende alles auf. Schon zu Beginn der Serie wurde betont, wie sehr er sich davor fürchtet, allein zu sein – etwas, was er in „Science/Fiction“ sogar noch einmal explizit sagt. Er will bei seinen neuen Freunden sein, doch genau das bleibt ihm verwehrt. Er ist wahrhaft allein, das vielleicht mächtigste Wesen im Universum, über das Leben anderer wachend, ohne selbst eines zu haben. Ein „glorious purpose“ in der Tat.

Über Yggdrasil, die Weltenesche, könnte ich jetzt ganze Romane schreiben. Allein, dass man auf diese Weise noch einmal etwas nordische Mythologie integriert, hat mich extrem gefreut. Aber es ist unabhängig davon auch ein schönes Sinnbild für Geschichten, die ihre Wurzeln in allen Welten haben und sich in der Krone immer weiter ineinander verflechten. Und statt weiterhin unerwünschte Zweige zu kürzen, arbeitet die TVA nun unter dem treffenden neuen Motto „let’s grow together“.

Und täglich grüßt das Murmeltier der Loki

Bevor wir aber dort anlangen, beginnt „Glorious Purpose“ zunächst als Comedy in der Tradition von „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Loki spielt das Szenario, wie sie Timely zum Loom hinausschicken, immer und immer wieder durch – erfolglos. Also verbringt er Jahrhunderte seiner unsterblichen Existenz als Schüler von Ouroborous, um schneller zu dem Punkt zu kommen, an dem sie Timely hinausschicken, und für einen Augenblick sieht es nach einem großartigen Sieg aus. Doch wie Timely sagt: „You can’t scale for infinite.“ Je mehr sie den Loom erweitern, desto mehr Zweige bilden sich, unendlich.

Und so kehrt Loki zu dem Moment zurück, ab dem alles auseinanderzubrechen begann: der Tod von „He who remains“. Er glaubt, die beste Option ist, ihn zu retten. Aber hier trifft ein um Jahrhunderte weiserer Loki auf die Sylvie von letzter Staffel, und so lobenswert seine Hartnäckigkeit auch ist, ist doch offensichtlich, dass er sie nicht erreichen kann. (Obwohl ich mich in dem Moment gefragt habe, ob er ihr mit seiner Magie nicht einfach seine Erinnerungen hätte zeigen können.) Was seine Optionen scheinbar auf eine einzige reduziert: Sylvie zu töten.

„The Temporal Loom is a failsafe. When the Loom is overloaded with branches, it deletes the ones that aren’t supposed to be there. Everything except the Sacred Timeline.“

Wirklich ein alternativloses System?

Was „Loki“ hier gelingt, ist eine so subtile Systemkritik, dass sie den meisten Zuschauern vermutlich entgeht. Die heilige Zeitlinie ist, entgegen ihres Namens, nichts Göttliches, noch nicht einmal etwas Endgültiges, denn auch sie ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Was sie besonders macht, ist allein der Schutz durch „He who remains“. Er hat eine ganze Behörde geschaffen, die seine Macht bewahrt, und verkauft dieses System als derart alternativlos, dass am Ende Loki und Sylvie gegeneinander kämpfen statt gegen ihren waren Feind, das System.

Und es spricht für Lokis neue Weisheit, dass er sich weigert, diesen vermeintlich einfachen Weg zu nehmen. Selbst, als er in die Werkstatt von A. D. Doug zurückkehrt und Sylvie von seinem Dilemma erzählt, tut er das meiner Meinung nach nicht, weil er – wie sie es formuliert – ihren Segen haben will, sie zu töten. Er sucht ihren Rat, eine Option, die er vielleicht nicht sieht. Und Sylvie liefert sie ihm, ob gewollt oder nicht: Es ist okay, etwas zu zerstören, wenn die Hoffnung besteht, dass etwas Besseres an seine Stelle tritt.

Sylvie wurde in der zweiten Staffel verheizt

Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, wie unglücklich ich damit bin, wie Sylvie in dieser Staffel behandelt wurde. (Nicht zu erwähnen die „Liebesgeschichte“, die einfach … keine Ahnung, vergessen wurde?) Insbesondere, da es nun so aussieht, als wären die zwei Staffeln von Anfang an als eine durchgehende Geschichte geplant worden, ist das bitter. Es gab einen spürbaren Bruch, nachdem Sylvie in „For all Time. Always“ ihren erzählerischen Zweck erfüllt hatte. Oder sähe die zweite Staffel ohne sie wirklich so viel anders aus? Zwar liefert sie hier und da einen Funken, aber richtig schlüssig wirkt das nie.

Und versteht mich nicht falsch: Die Idee, dass jemand wie sie, die dank ihrer Magie jedes Leben führen könnte, explizit eines wählt, dass so simpel ist, ist nicht dumm. In gewisser Weise ist sie der Gegenentwurf zu Loki, der seinen „glorious purpose“ brauchte. Aber statt das konsequent zu verfolgen, wird sie als Stichwortgeber verheizt – Stichworte noch dazu, die erst mal durch den Plot hindurchfallen, bevor sie am Ende doch wichtig sind. Wie ihre Besessenheit davon, die TVA zu zerstören. Ja, sie liefert Loki damit den entscheidenden Tritt in den Hintern, aber dahinter steckte keine nachvollziehbare Motivation, es wurde nur eingestreut, um im Finale darauf zurückkommen zu können.

„I know what I want. I know what kind of god I need to be for you. For all of us.“

Eine durchwachsene Staffel mit großartigem Abschluss

„Glorious Purpose“ gleicht in jedem Fall vieles aus, was in der zweiten Staffel für mich nicht funktioniert hat. In der Hinsicht bin ich leicht manipulierbar, alles ab dem Moment, als Loki einen letzten langen Blick auf seine Freunde wirft und dann ohne Schutzanzug nach draußen zum Temporal Loom geht, ist hochemotional. Und funktioniert nicht zuletzt wegen Natalie Holts Soundtrack so gut, denn der trifft genau in die Magengrube. Wer hier nicht zumindest ein kleines Tränchen verdrückt, hat vermutlich nicht verstanden, welch immense Bedeutung dieses Finale hat.

Wie schon gesagt, ich gehe stark davon aus, dass die Serie „Loki“ hiermit ihr Ende gefunden hat. Natürlich könnte man jetzt noch etliche Geschichten aus dem Alltag der rundum erneuerten TVA erzählen, und auch die Story um Kang und das Multiversum hat gerade erst begonnen. Aber über Loki, die Titelfigur, gibt es nichts mehr zu sagen. Und das ist ausnahmsweise eine gute Nachricht, denn sein Handlungsbogen kommt zu einem runden Abschluss. Nicht unbedingt zu einem Happyend, aber die Katharsis ist komplett.

Ich will allerdings nicht ausschließen, dass wir Loki in dem einen oder anderen Kinofilm noch einmal wiedersehen. (Es gab da wohl auch Aussagen, wonach ein Wiedersehen mit Thor immer eingeplant war.) Als Beschützer des gesamten Multiversums ist er schließlich eine zentrale Figur. Aber im Grunde ist dieser Loki nun ein völlig neuer Charakter, und ich bezweifle, dass er in seiner Rolle als God of Stories noch einmal aktiv ins Geschehen eingreifen wird. (Außer, ihm wird irgendwann langweilig?)

Purposeful Notes

• Das lästige Marvel-Intro am Beginn der Folge läuft diesmal rückwärts, das fand ich sogar irgendwie originell.
• Die erste Viertelstunde der Folge ist pures Comedy-Gold und lebt allein von Tom Hiddleston, der zunehmend genervt durch die immer gleichen Prozesse hetzt. Wie er ganze Dialoge zusammenfasst, nur um schneller voranzukommen, und alle anderen sprachlos lässt, ist großartig. Und doch, wenn er Timely dann zum Loom dirigiert, spricht er so ermutigend und voller Wärme mit ihm. Ich glaube, da scheint bereits der Gott durch, der er wird.
• „You will wear this protective suit. Mobius, you’re in luck. It looks like Mobius, but it’s actually Victor Timely.“ 😂
• Um die wunderbare Freundschaft zwischen Loki und Mobius ist es schade. Das macht nichts deutlicher als das Gespräch im Time Theater, als Loki noch einmal zu ihrer ersten Begegnung zurückreist.
• Lokis neues Kostüm: Ganz. Große. Klasse. Man achte darauf, dass es keinerlei Rüstung mehr enthält, sondern einfach und lose geschnitten ist.

5 von 5 Bananen this time. This time?

Vorherige Folge
Nächste Folge
Zurück zur Staffelübersicht