Back to where you’ve never been | Das Ende von “Fringe”

Wenn beliebte Serien enden, neigt man zur Verklärung. Man hat die Figuren irgendwie liebgewonnen und sich tief in die Mythologie der Erzählung verstricken lassen. Mit “Fringe” ist das nicht anders, und doch schwang auch ein bisschen Erleichterung mit, als die Serie nach fünf Staffeln abgeschlossen wurde. Dies ist die Geschichte einer Serie, die ein schweres Erbe antrat, neue Wege beschritt und an etwas sehr Banalem scheiterte.

Als “Fringe” im Jahr 2008 seine Pilotfolge sendete, gab es eigentlich nur zwei Gründe, einzuschalten. Zum einen hatte es seit “Akte X” keine ernstzunehmende Mystery-Serie mit Science-Fiction-Elementen mehr gegeben. Zum anderen wussten wir zu dem Zeitpunkt alle, dass “LOST” unwiederbringlich auf sein Ende zusteuerte und es Zeit wurde, sich nach einer Ersatzdroge umzusehen. “Fringe” schien dafür prädestiniert, denn die Idee stammte ebenfalls vom neuen Wunderkind Hollywoods, JJ Abrams, doch diesmal wollte man in sich geschlossene Geschichten erzählen, ohne große Enthüllung am Ende.

Und die Zeichen standen gut. Wie schon bei “Akte X” ging es um außergewöhnliche, ja paranormale Fälle, und das bedeutete abwechslungsreiche Storys, Monster und Ekelkram. Besonders in den ersten Folgen bemühte man sich zudem, einen wissenschaftlichen Unterbau zu schaffen, der zwar nicht immer den physikalischen Bedingungen unserer Welt standhielt, innerhalb der Welt von “Fringe” aber Sinn ergab und das auch explizit sollte. Der große Pluspunkt waren allerdings von Anfang an die Darsteller, die weitgehend unbekannt waren, was ihre Identifikation mit den Charakteren erleichterte. Das und die Tatsache, dass man sich selbst nicht immer zu ernst nahm und schon früh eindeutig absurde Ideen hatte (ich erinnere nur an Gene, die Kuh), machten die Serie einzigartig und bescherten ihr schnell eine treue Fangemeinde.

Ich glaube, die meisten werden rückblickend bestätigen, dass die dritte Staffel nicht nur den Höhepunkt der Serie darstellte, sondern eine Sternstunde des Fernsehens an sich war. Jede “Fringe”-Staffel hatte etwas sehr eigenes, ein Thema, einen Grundton, und die dritte Staffel war es, in der man sich dann endlich auch was traute, als man abwechselnd Geschichten aus dem bisher bekannten Universum und einem leicht anderen Paralleluniversum erzählte. Es war einerseits spannend, zu sehen, in welchen Punkten sich die Universen gleich entwickelt hatten und in welchen Punkten sie aus welchen Gründen auseinanderdrifteten, aber es war mehr als das, denn dieser erzählerische Rahmen wurde genutzt, um die Figuren in bisher nicht gekannter Weise zu erforschen. Indem bis auf Peter alle einen Gegenpart im Paralleluniversum erhielten, konnte man gezielt Vergleiche anstellen und, das war das Drama, Personen austauschen. Vor allem die Beziehung zwischen Olivia und Peter wurde in dieser Staffel vorangetrieben, und aus genau diesem Grund war die anschließende vierte Staffel so eine große Enttäuschung.

Kürzlich schrieb ich noch in einem Artikel über das Mysterium der vierten Staffel, dass “Fringe” wie viele andere Serien vor ihr den Zeitpunkt nutzte, um eine neue Richtung einzuschlagen. Peter wurde am Ende des Handlungsbogen der dritten Staffel ausgelöscht, seine ganze Existenz aus der Geschichte getilgt, es hatte ihn einfach nie gegeben. Ein spannender Ansatz, der uns vor Augen führte, welchen Einfluss er auf die Menschen um ihn herum tatsächlich gehabt hatte. Doch genau das wurde zum Problem, denn natürlich verlassen wir uns als Zuschauer auf eine gewisse Kohärenz in den Geschichten. Das ganze Beziehungsgeflecht, das über drei Staffeln mühsam aufgebaut worden war, wurde innerhalb nur einer Folge einfach so beiseite gewischt. Es war ein Neuanfang, mit neuen, weil nun komplett anderen Figuren, und was anfänglich ein interessantes Experiment zu sein schien, verhinderte am Ende, dass wir weiter mit den Figuren sympathisierten. Da war keine Bindung mehr, und es dauerte viel zu lang, bis die Autoren das erkannten und behutsam das bekannte Universum wiederherstellten.

Die finale Staffel ist so gesehen fast nur noch eine Fußnote wert. Der ehrenwerte Versuch, die Serie zu einem versöhnlichen Abschluss für all jene zu bringen, die immer noch da waren (und es waren nicht mehr viele, wie die Quoten beweisen), endete in langweiligen Geschichten, die zwar auf ein Ziel zusteuerten, auf dem Weg dahin aber uninspiriert dahinplätscherten. Es ist schwer in Worte zu fassen, was da schiefgelaufen ist. Es war sicher ein Fehler, diesen Zeitsprung zwanzig Jahre in die Zukunft zu machen, denn waren die Beziehungen nach vielen Irrungen und Wirrungen am Ende der vorherigen Staffel endlich wiederhergestellt, standen wir zu Beginn der fünften doch wieder vor ihren Trümmern. Henrietta war eine liebenswerte Figur, aber eigentlich war sie doch egal, denn es ging um Peter, um Olivia, um Walter und Astrid. Ja, selbst um Gene. Es wurde vieles aus vorherigen Folgen wiederaufgewärmt, was einem zuweilen ein wissendes Schmunzeln entlockte, aber eben nicht neu war. Keine mysteriösen Fälle mehr, sondern nur noch “der Plan” und das Sammeln irgendwelcher Artefakte, deren Sinn und Zweck bis zum Schluss keiner kannte.

“Fringe” ist zu Ende. Und mich freut das. Es war nicht das Desaster wie bei “Akte X”, das man einfach viel zu sehr in die Länge zog, aber man hat in meinen Augen den richtigen Moment trotzdem verpasst. Nach der phänomenalen dritten Staffel war die Serie mehr oder weniger scheintot. Aber mich freut es auch, dass man in den letzten drei Folgen versucht hat, einen vor allem emotionalen Abschluss zu finden. Denn auch wenn die Monster und der Ekelkram einen wichtigen Teil ausgemacht haben, das Herzstück bildeten nun mal die Charaktere, die ein würdiges Ende erhalten haben, jeder auf seine Weise. Und es bleiben einzelne herausragende Episoden, die praktisch jede Staffel aufzuweisen hatte, und die man sich immer wieder ansehen kann.