Frank Herbert | Der Wüstenplanet

“Ja, derjenige, der an vielen Orten zugleich sein kann: der Kwisatz Haderach. Viele Männer haben die Droge versucht, aber nicht einer hat Erfolg gehabt.”
“Alle, die es versuchten, haben versagt?”
“O nein.” Die Ehrwürdige Mutter schüttelte den Kopf. “Alle, die es versuchten, sind gestorben.”

Es gibt wenige Bücher, die ich ein zweites Mal lese. In der Regel ist keines wirklich so gut, dass ich noch mal Zeit dafür opfern würde, die ich genauso auch in ein neues Buch investieren kann. Eine der ganz wenigen Ausnahmen ist Frank Herberts “Wüstenplanet”, das ich nun sogar schon zum dritten Mal gelesen habe. Doch bevor ich euch erzähle, warum das so ist, möchte ich auch die Geschichte loswerden, wie ich überhaupt dazu kam, dass ich es zum ersten Mal gelesen habe.

Ich schätze, ich war etwa dreizehn oder vierzehn, als die Verfilmung von David Lynch im Fernsehen lief, und da ich mit Science-Fiction aufgewachsen bin, habe ich einfach mal neugierig eingeschaltet. Nun wird jeder, der den Film kennt, wissen, was es heißt, einfach mal neugierig einzuschalten. Ich verstand so gut wie gar nichts von dem, was da vorging, doch die Ausstattung, die Kostüme, die ganze Epik der Geschichte beeindruckte mich tief. Und wie immer in solchen Fällen (ich erlebte dasselbe später noch mal mit “Anna Karenina”) kaufte ich mir anschließend das Buch, um aus der ganzen Sache irgendwie schlau zu werden.

Den ganzen Inhalt des Buches zusammenfassen, würde natürlich den Rahmen dessen sprengen, was ich hier eigentlich vorhabe. Was im Grunde schon einer der ganz großen Pluspunkte des Romans ist, er ist so dicht, so voller verschiedener Handlungsstränge und Ebenen, dass man als Leser das Gefühl hat, in eine völlig reale Welt einzutauchen. Der titelgebende Wüstenplanet, das ist Arrakis, eine unwirtliche Welt, die scheinbar nur einen einzigen Wert hat: Nur hier findet man ein Gewürz, das das Bewusstsein verändert und sogar das Leben verlängern kann. Vor allem die Raumfahrer-Gilde ist von dem Gewürz abhängig, weil die Navigatoren nur so durch den Raum fliegen können. Aus diesem Grund ist der Baron Harkonnen auch überhaupt nicht erfreut, als ihm der Imperator Arrakis als Lehen entzieht und Herzog Leto Atreides überträgt, der daraufhin mit seiner Konkubine Lady Jessica und dem gemeinsamen Sohn Paul dorthin zieht. Doch der Baron gibt nicht auf und startet einen Großangriff, bei dem Leto stirbt, während Jessica und Paul bei den Fremen unterkommen, einem völlig unterschätzen Wüstenvolk, das sich perfekt an diese Welt angepasst hat. Dort entdeckt Paul seine wahre Bestimmung.

Schon diese Inhaltszusammenfassung treibt mir die Schamesröte ins Gesicht. Es ist nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich passiert, was wohl auch der Grund dafür ist, warum das Buch trotz zweier sehr unterschiedlicher Versuche bis heute unverfilmbar geblieben ist. Und es ist erstaunlich schwer zu sagen, was genau den Roman so gut macht. Es ist gewiss nicht alles gleich spannend, die Passagen mit dem Baron Harkonnen hab ich zum Beispiel nie gemocht, dafür fand ich alles, was Herbert über die Fremen geschrieben hat, unheimlich faszinierend. Ich denke, das Besondere an “Der Wüstenplanet” ist die Fülle an Ideen und Konzepten, die hier versammelt sind. Das ist ein ganz eigenes Universum mit einer in sich schlüssigen Logik (Denkmaschinen, sprich Computer sind zum Beispiel als Sakrileg gegen Gott verboten, also müssen die Raumfahrer quasi hellsehen, um den Mangel an Technik auszugleichen) und vielen unterschiedlichen Interessengruppen, für die sich Frank Herbert jeweils eigene Geschichten ausgedacht hat.

Wie viel Stoff dieses Universum hergibt, beweist allein schon die Menge an Romanen, die sich dem ersten anschlossen. Frank Herbert schrieb insgesamt sechs Bände, wobei sich darüber streiten lässt, ob man sie alle gelesen haben muss. “Der Herr des Wüstenplaneten” und “Die Kinder des Wüstenplaneten” halte ich für legitime Fortsetzungen, da sie die Geschichte um Paul, Chani und seine Kinder fortführen, alles danach ist meiner Meinung nach ein bisschen zu abstrakt, aber das muss jeder selber wissen. Ähnlich verhält es sich mit den Romanen von Brian Herbert (Frank Herberts Sohn) und Kevin J. Anderson, die als Vorgeschichte interessante Einblicke liefern und Lücken füllen, irgendwann aber merklich zur Geldmaschine verkamen und zumindest für mich nicht mehr lesbar waren.

“Der Wüstenplanet” ist in meinen Augen eines des besten Bücher, die je geschrieben wurden, und damit meine ich nicht exklusiv im Science-Fiction-Genre. Einen Detailreichtum wie hier sucht man in anderen Romanen vergeblich, die Figuren sind subtil gezeichnet und selbst Paul kein klassischer Messias, sondern ein junger Mann, der mit seiner Bestimmung hadert. Freilich, wenn man mit den religiösen Untertönen nichts anfangen kann, wird man die Geschichte kaum genießen können. Davon abgesehen ist “Der Wüstenplanet” eines von diesen Büchern, die man gelesen haben sollte.